Es geht weiter

Heute hab ich endlich mal den ganzen Tag frei. Gestern Rehasport. Hat mir wieder gut getan. Wetter ist heute eher schlecht. Hab Gestern den Rest von meinem Essiac-Tee getrunken, obwohl es zu viel war und gleich neuen Sud gekocht. Aber diesmal mit Löwenzahnwurzel und etwas Süßholz, für besseren Geschmack. Ich hab das Ganze länger gekocht, wodurch das Wasser stärker reduziert wurde. Darum kam nur ein halber Liter raus am Ende. Hab dann alles durchgesiebt und den Sud noch mal mit etwas Wasser zum kochen gebracht. Da kam noch genug raus, um die Flasche voll zu bekommen. Ich hab dann meine Portion gleich heute morgen getrunken.

Das Schreiben der Übungen wird immer mehr zur Gewohnheit. Zwar hab ich jetzt wieder ein paar Tage Pause gemacht, aber das heißt nicht, dass ich nicht daran gearbeitet hätte, wie man die einzelnen Ansätze miteinander verbinden könnte oder wie es weiter geht. Es wird allerdings immer verworrener und es könnte sein, dass ich dann wieder irgendwann mitten drin aufhöre. Aber ich sollte endlich aufhören, mich selbst unter Druck zu setzen. Ich muss ja nicht jeden Tag auf Zwang ne Schreibübung machen. Ich könnte zwischendurch auch noch mal ein paar Artikel fertig machen.

Es wird endlich Zeit, die Argumente gegen das Rauchen zu irgendwas zu machen, um es veröffentlichen zu können. Besser, als wieder alles in eins zu packen, wäre es, die Fragestellungen einzeln und ausführlicher zu bearbeiten. Aber erst mal bin ich froh, dass ich meinen Zeitreiseroman weiter geschrieben habe.

Kriminalfall
Melli wurde weggewirbelt und schluckte etwas von dem Wasser. Wenn es denn Wasser war. Sie wurde in den Wirbel gezogen. Blasen stiegen aus ihrem Mund und ihrer Nase nach oben. Das Licht von den Planeten, das sich auf der Wasseroberfläche spiegelte, entfernte sich immer weiter von ihr. Sie fühlte sich wie durch ein Abflussrohr gespült – mal wieder. Wann hört das endlich auf?
Als sie wieder zu sich kam, saß sie im Trockenen. Es roch nach Apfelsine. Sie schaute aus dem Fenster der Fähre und erkannte in der Ferne den kleinen graublau schimmernden Ozeaniden. „Nicht schon wieder das!“ , keuchte sie erschrocken. Würde sich das jetzt alles noch mal wiederholen?
„Wie bitte?“
Eine Frau mit einem streng geflochtenem Zopf drehte sich zu ihr um. Erst da wurden Melli die Unterschiede bewusst. Damals saß diese Frau nicht vor ihr. Im Gegenteil. Diese Frau saß auf ihrem Platz! Das wusste sie genau. Die Menschen in der Fähre waren andere. Verstohlen kontrollierte sie ihr Spiegelbild im Fenster. Das war nicht sie selbst! Das war ein junger Mann, der da saß! Und er kam ihr irgendwie bekannt vor.
„Ist alles in Ordnung mit ihnen? Was zu Hause vergessen, was?“
Fragte die Frau mit dem strengen Zopf.
„Nein, nein, alles okay“, stammelte Melli. Oh mein Gott! Ihre Stimme war so männlich! Sie war ein Kerl. Auch das noch. Erschöpft lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Sie versuchte, so wenig an ihren neuen Körper zu denken. Warum konnte sie nicht dort sein, bei John, in dem Ozean der Leere? Besser, als das hier noch einmal zu erleben. Was sollte das alles? Die fremde Frau hatte kurz gegrinst und sich wieder umgedreht. Wie viel hätte sie darum gegeben, jetzt in ihrem Körper zu sein. In irgendeinem weiblichen Körper jedenfalls.
Pi Viol Baila 13 kam unaufhörlich auf sie zu. Immerhin hatte dieser Typ eine Menge Muskeln. Sollte sich das alles noch einmal wiederholen, dann würde sie sich besser wehren können. Aber Moment mal, das war es! Das war der Grund! Sie hatte Informationen, die jedem anderen hier in der Fähre fehlten! Sie kannte Dr. Baila, wusste, wie sie wirklich war. Sie hatte hinter ihrer hässlichen Fassade ihre noch hässlichere Seele entdecken können. Kurz vor ihrem Tod, als Dr. Baila sie in den Müllzerkleinerer dieser Forschungsstation geschubst und ihre Reste in den Ozean gespült hatte. Sie war hier, um anderen zu helfen. Das war es! Das war ihre Aufgabe! Verhindern, dass diese Verrückte noch einmal jemanden tötete. Melli setzte sich gerade hin und beobachtete aufmerksam, was in der Fähre passierte. Neben der Frau mit dem Zopf und dem jungen Mann, in dessen Körper sie gespült worden war, standen da drei Hilfsroboter. Sie trugen aber nicht das Forschungs-Symbol. Sie trugen ein Sicherheits-Symbol. Hatte Dr. Bail die etwa angefordert? Das konnte nicht sein. Da waren drei Studenten, zwei Männer und eine Frau. Sie konnte sie an ihrem überheblichen Getue erkennen. Ja damals auf der Fähre war es auch so gewesen. Sie saß weit ab von denen, die sich über das unterhielten, was sie im letzten Semester gelernt hatten. Als hätten sie alle verlernt, über normale Themen zu sprechen. Melli spürte den alten Frust wieder in sich aufsteigen. Vielleicht war es ja sogar gut, dass Dr. Baila sie daran gehindert hatte, genauso zu werden. Doch sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Was hätte sie alles als Meeresbiologin aus dieser Station machen können? Niemand weiß, was sie alles hier hätte tun können: Rettung der Menschheit, Entdeckung einer neuen Spezies. Sie schaute auf ihr Namensschild. Robert Gordon, Praktikant der Meeresbiologie, erstes Semester. Robert, natürlich! Sie kannte ihn. Sie hatte ihn bei der Anmeldung zu ihrem Praktikum im Studentenbüro getroffen.
Er gehörte nun also auch dazu. Warum saß er dann so abseits? Mutig versuchte sie ihre neuen, männlichen Beine zu benutzen und stackselte vorsichtig zu den anderen Studenten, um sich auf den einzigen freien Platz neben sie zu setzen.
„Worüber redet ihr gerade?“, fragte sie naiv. Dabei versuchte sie, die Männlichkeit in ihrer Stimme voll zur Geltung zu bringen. Zu viel des Guten? Die anderen starrten diesen Robert nun an. Sie ließ ihn husten. „Sorry, bin etwas erkältet!“, log sie.
Die einzige Frau unter den Studenten ergriff nun das Wort. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen meinte sie:
„Wir erklären uns, an welchen Projekten wir arbeiten werden!“
Es war offensichtlich, dass sie auf Robert stand. Mehr als das, sie zog ihn förmlich mit den Augen aus. Melli ließ sich nichts anmerken und versuchte während der restlichen Fahrt weiter, an Informationen zu kommen. Sie fand heraus, dass Gerwin ein angehender Genetiker war, Jimmy studierte Umweltmedizin, und Morena, vor der sie sich in Acht nehmen musste, solange sie in diesem Körper war, studierte Ernährungswissenschaften. Was für eine Mischung. Die merkwürdige Frau mit dem Zopf gehörte nicht zu dieser Gruppe. Sie war keine Studentin. Auch sie trug ein Symbol auf der Jacke, das zeigte, dass sie zum Sicherheitspersonal gehörte. Sie konnte ihr von hier aus nun direkt ins Gesicht sehen. Aber die Schrift auf ihrem Namensschild war zu weit entfernt. Sie musste es wissen. Die Frau saß alleine in einer Vier-Sitz-Koje. Melli setzte sich kurzerhand dazu. Aber sofort sprangen die Sicherheits-Roboter an und kamen auf sie zu:
„Sicherheitsalarm! Bitte halten sie Abstand von der Kommissarin! Sie sind nicht berechtigt, Alarm, Alarm!“
Schnell floh Melli zu der Studentengruppe zurück. Morena sah sehr enttäuscht aus. Sie dachte wohl, Robert hätte versucht, diese Frau mit dem Zopf anzumachen. Das dachten wohl alle, einschließlich der Roboter. Die zwei Kommilitonen grinsten ungläubig.
„Du hast doch gesehen, was mit uns passiert ist, warum versuchst du es nochmal?“
Eine Kommissarin. So so. Interessant.
„Ist dort etwas passiert auf der Station?“, fragte Melli laut. Die Roboter hatten ihren ursprünglichen Platz wieder eingenommen.
„Darüber darf ich nicht sprechen.“
„Nun ja, wir werden alle bald dort arbeiten, da geht es uns doch etwas an, wie gefährlich es dort ist, oder?“
„Wie gesagt, ich darf darüber nicht sprechen. Es ist eine laufende Ermittlung.“
„Ist jemand umgebracht worden? Sah es wie ein Unfall aus, war aber doch Mord?“, fragte Melli.
Die Kommissarin sah sie überrascht an.
„Mord? Wie kommen sie darauf? Waren sie schon einmal auf der Station?“
„Nein. Die Station hat so viele Bewerber, dass jeder nur einmal darf.“
„Wie kommen sie dann auf Mord oder Unfall?“
„Sie sind eine Kommissarin, oder?“
„Also bisher ist es nur ein Vermissten-Fall“, behauptete die Kommissarin, merkte jedoch im gleichen Moment, dass sie sich verplappert hatte.
„Keine Angst“, sagte Melli, „Wie helfen ihnen. Wir werden Augen und Ohren offen halten und ihnen alles erzählen, was uns irgendwie komisch vorkommt.“
Die anderen Studenten nickten zustimmend.
„Oh ja, ich habe davon gehört. Die vermisste Praktikantin. Und auch noch zwei andere Studenten werden vermisst.“, mischte Morena sich nun ein, als sie merkte, dass ihre Eifersucht weniger wichtig war, als die anderen Probleme, die es auf dieser verfluchten Forschungs-Station zu geben schien.
„Was haben sie darüber gehört? Was erzählt man sich?“, fragte die Kommissarin interessiert.
„Nichts mehr, das wars schon, leider“, antwortete Morena hilflos.
Melli war nun sehr euphorisch. Man würde den Mord an ihr aufklären. Endlich. Gerechtigkeit!
„Wir können alle etwas für sie schnüffeln gehen!“, sagte sie.
Alle nickten zustimmend. Doch die Kommissarin war davon wenig begeistert.
„Begeben sie sich nicht in Gefahr. Immer vorher mir Bescheid sagen. Nichts selbständig unternehmen, haben sie das alle verstanden?“
Eindringlich starrte sie die Gruppe der Studenten nun an. Die murmelten alle zustimmend und voller Ehrfurcht. Besonders Morena sah ängstlich aus.
„Also glauben sie nun auch, dass es Mord war?“, fragte Melli energisch.
„Nun, wir wissen es nicht. Sie kann sich dort versteckt haben, sie kann über Bord gegangen sein, sie kann…“
„…in den Müllzerkleinerer der Station geschubst worden sein…!“, vollendete Melli den Satz.
Die anderen Studenten protestierten laut:
„Bitte hör auf!“
„Widerlich!“
Jimmy machte Würgegeräusche und Morena forderte:
„Nein, wir sollten uns vorstellen, dass sie alle noch leben!“
„Dort gibt es einen Müllzerkleinerer?“, fragte die Kommissarin erstaunt und holte einen Zettel aus ihrer Tasche, den sie nun gründlich studierte.
„Dort ist das nicht eingezeichnet.“, erklärte Melli. Sie erinnerte sich, dass sie alle einen Grundriss der Station bekommen hatten damals, damit niemand sich verlief. Doch Robert hatte ihr zuvor schon aus dem Internet einen vollständigen Grundriss besorgt. Weil das nicht ganz legal abgelaufen war, hatte sie den in der Fähre gelassen. Aber genau das war das, was ihr nun helfen würde. Nun konnte sie bloß hoffen, dass die Fähre nicht ausgetauscht worden war und dass hier auch nicht so gründlich gereinigt wurde.
„Ich muss dort mal heran, wo sie sitzen!“, sagte sie. Die Kommissarin schaute neugierig und machte Platz. Die Roboter gaben einen piependen Warnton von sich.
„Still, ist schon gut, genehmigt!“, sagte sie und trat zur Seite.
Melli suchte ihren alten Platz auf und schaute zwischen Außenwand und Mülleimer. Ja, da war Papier!
„Ich brauche etwas flaches, dünnes!“, sagte sie.
Die Kommissarin holte das Frühstücksmesser aus ihrer Tasche, mit dem sie zuvor noch eine Apfelsine geschält hatte. Melli stocherte nun in dem Zwischenraum herum, bis das zusammen gefaltete Papier heraus fiel. Sie faltete es auseinander. Ja, Bingo! Es war ihr Plan. Die Druckerfarbe war schon etwas vergilbt, aber man konnte erkennen, dass der Grundriss in Wirklichkeit sehr viel größer war, als auf den offiziellen Karten. Sie überreichte mit ihrer männlichen Hand der Kommissarin diesen Zettel. Die staunte nicht schlecht.
„Das ist ja hoch interessant!“
Melli fühlte sich gezwungen, das zu erklären.
„Die Sache ist die…“, stotterte sie, „dass ich diese Praktikantin kannte. Wir haben uns einmal bei der Anmeldung getroffen und dann über das Internet weiter kommuniziert und sie hat mir alles erzählt.“
„Haben sie diese Mails vielleicht noch?“
Verdammt.
„Ähm, nein. War ein geschützter Kanal. Leider.“
„Verstehe. Der Staat hört mit, was? Das ist wirklich schade. Hat sie denn irgendwelche Bemerkungen gemacht, die darauf hindeuten, dass sie Feinde hatte oder dass es Probleme gab?“
Nein. Wie auch? Die Station war Lichtjahre von der Erde entfernt auf einem anderen Planeten. Die einzige Kommunikation nach außen lief über das Satelliten-Netz, das nur Dr. Bail selbst benutzen durfte.
„Es gibt dort keine Kommunikation nach außen, wissen sie!“
Die Kommissarin legte ihm einen Arm auf die Schulter und tröstete ihn:
„Sie haben mir schon sehr geholfen, wissen sie? Wir werden die Sache aufklären. Das verspreche ich ihnen. Wir werden ihre Freundin finden! Ich hab meine Verstärkung gleich mitgebracht.“
Sie zeigte auf die Roboter, die zustimmend piepten.
Es ertönte ein Signal:
„Bitte anschnallen! Bitte anschnallen!“
Jeder lief an seinen Platz und sicherte sich. Die Roboter zogen sich in die Ladestation zurück, in der sie über die Füße mit einem Hebel gesichert wurden. Das war interessant zu sehen. Als Melli damals ihre Reise angetreten hatte, gab es noch nicht so hoch entwickelte Roboter.
Als die Fähre sich dem Planeten näherte, wurden sie alle ganz schön durchgerüttelt. Bald darauf erstreckte sich der größte Ozean aller Zeiten vor ihren Fenstern. Wie gigantisch das war! Genau dieser Anblick von Fotos hatte sie dazu gebracht, Meeresbiologin werden zu wollen. Und in echt war das alles sogar noch viel schöner.
Die Forschungsstation wurde als winziger Punkt auf einer Türkis- bis schwärzlichblauen Fläche sichtbar. Man konnte die Riffe von hier aus gut sehen. Eine halbe Stunde später begann der Andockvorgang. Sie schnallten sich ab und stellten sich vor die Schleuse. Durch das Glas konnte Melli sie sehen. Dr. Violetta Bail. Jetzt würde sie gleich ihren dämlichen Begrüßungsspruch zum Besten geben. Melli bekam Angst. Diese Frau hatte ihr so wehgetan. Skrupellos. Machtgeil. Mordlustig. Ihre männlichen Finger wurden kalt und schweißnass. Sie sah sich selbst in dem Glas. Robert schaute so ängstlich, wie sie sich fühlte. Ob Dr. Bail spüren würde, dass etwas nicht stimmte? Melli versuchte, sich zusammen zu reißen, und trainierte ihren Gesichtsausdruck, bis sie einen Blick drauf hatte, der zumindest forsch, mutig und männlich aussah, auch wenn es überhaupt nicht stimmte. Dann öffnete die Schleuse sich langsam. Nun gab es kein Zurück mehr.

Und ein Foto fehlt ja auch noch: