Ich bin krank geschrieben, weil ich mir den Hals verrenkt habe. Ich bekomme dagegen Filmtabletten und eine Salbe. Die Tabletten sollen dafür sorgen, dass die Muskeln sich entspannen. Dumm gelaufen, aber wenigstens konnte ich mich mal hinsetzen, meine Dateien sortieren und etwas weiter schreiben. Heute zwei Kapitel, weil ich in der letzte Zeit so faul war. Zum Glück haben die Tabletten schnell geholfen, so dass es nicht mehr so weh tut, wenn ich mich bewege. Da mir jetzt schon mehrmals der PC abgestürzt ist, möchte ich nicht viel drum herum reden, sondern einfach meine beiden Kapitel speichern.
Veronikas Erwachen
Nach einigen Stunden kam Veronika langsam wieder zu sich. Kasimir lag auf ihrer Brust und quiekte erfreut, als er sah, dass sie lebte. Die anderen Schweine kamen sofort herbei gerannt und schnüffelten ihr aufdringlich im Gesicht herum. Schnell setzte sie sich auf und stieß die Schweine mit ihren nassen Schnauzen sanft von sich weg. Das grelle Licht der Mittagssonne blendete sie. Auf einem großen Stein direkt neben ihr saß das merkwürdige Wesen mit den Flossen. Die Beine sahen nun nicht mehr so verkümmert aus und die bunten, metallisch schimmernden Schuppen waren einer weicheren hellblauen Haut gewichen. Das Wesen hielt eine kleine goldene Flasche in der Hand, beide Arme in Richtung Veronika ausgestreckt. Als es sah, dass Veronika zu sich gekommen war, legte es die Flasche erleichtert wieder in eine kleine Tasche, die aus Seetang, Muscheln und Algen geflochten war.
„Was bist du?“, fragte Veronika das Wesen.
„Ich bin Noona.“
„Bist du ein Fisch?“
„Ich bin Noona Picabo“
„Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Veronika Schauer. Aber das ist nur mein Vorläufiger Name. Ich such meinen leiblichen Vater. Dann werde ich seinen Namen übernehmen. Er wohnt in den Bergen.“
Veronika zeigte auf den Berg, dem sie jetzt schon sehr nahe gekommen schien. Sie hatte sich aufgesetzt und ihre Beine mit ihren Armen umschlungen. Das Wesen beobachtete sie genau und versuchte es ihr nachzumachen. Doch die kleinen Beinchen blieben nicht an ihrem Platz. Der Rücken blieb nicht wirklich gerade, sondern krümmte sich immer wieder wegen der großen Rückenflosse.
„Was beutetet leiblich? Hat dein anderer Vater keinen Leib?“, fragte das Wesen.
Veronika musste an den Leib ihres Stiefvaters denken und was er ihr damit angetan hatte.
„Doch. Er hat einen Leib. Aber er ist nicht wirklich mein Vater.“
„Verstehe. Aber er hat sich um dich gekümmert und dich vor großen gefährlichen Tieren geschützt, dir ein schönes Nest gebaut und dir leckere Algen zu essen gegeben.“
„Nein.“
„Dann ist es kein Wunder, dass du deinen richtigen Vater suchst.“
Veronika zuckte mit den Schultern. Ja, das war wirklich kein Wunder. Vielleicht hätte sie viel früher davon laufen sollen. Aber treudoof wie ihre Schweine hatte sie sich mit allem begnügt, was man ihr vorgesetzt hatte. Sie hatte oft genug Dreck gefressen, im Dreck geschlafen und sich wie Dreck behandeln lassen. Schweine bekommen sogar noch besseres Futter. Dann werden sie irgendwann geschlachtet. Das hätte ihr vielleicht noch bevorgestanden.
„Übrigens danke, dass du mich gerettet hast!“, sagte sie. Das Wesen schüttelte mit dem Kopf.
„Das war ich nicht. Das waren deine heiligen drei Tiere und ein großer weißer Hund, der plötzlich aus dem Wald kam. Ich habe nicht so viel Kraft in meinen Armen. Aber ich hätte auf jeden Fall deine Seele gerettet, denn da du mit drei heiligen Tieren reist, bist du auch so gut wie heilig.“
Das Wesen zeigte auf die golden glänzende Flasche.
„Meine Schweine sind heilig? Das wusste ich nicht. Ich wusste auch nicht, dass sie so gut schwimmen und sogar tauchen können. Besser als ich, wie es aussieht.“
„Schweine?“
„So heißen sie bei uns.“
„Werden sie auch umgewandelt bei euch?“
„Umgewandelt?“
„Naja, bei uns ist es so. Die heiligen Tiere, auch San-Bestas genannt, schwimmen weit hinaus auf das Meer, wenn sie sterben. Dann holen wir sie und fangen ihre Seelen ein und bringen ihren Körper dem König aller Ozeane, unser aller Vater, dem mächtigen Oktopus. Nur er allein kann das Ritual der Verwandlung vollziehen und lässt mit seiner mächtigen Magie dann Noonas aus ihnen werden.“
„Wie fangt ihr die Seele ein?“, fragte Veronika, der das alles etwas merkwürdig vorkam. Das Wesen holte die golden glänzende Flasche wieder aus ihrer Tasche und hielt sie ins Licht.
„Hier kommt die Seele hinein.“
„Und wenn ich heute gestorben wäre?“
„Dann hätte ich deine Seele eingefangen und dich zu ihm gebracht. Ich bin sicher, du wärst eine von uns geworden.“
„Aber ich kann gar nicht schwimmen. Woher weißt du, dass es auch das richtige für mich gewesen wäre?“
„Du hättest dann Flossen bekommen. Du hast drei San-Bestas und sie lieben dich über alles. Es muss etwas bedeuten.“
„Sie lieben mich, weil ich sie jeden Tag gefüttert habe. Ich habe bei ihnen im Stroh geschlafen und sie morgens aus dem Stall gelassen und abends ins Bett gebracht. Darum lieben sie mich.“
„Genau, du bist wie eine Mutter für sie.“
Veronika hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie in den letzten Sieben Jahren sehr oft darüber nachgedacht hatte, die Schweine zu stehlen und zu verkaufen, um Geld für ihre Flucht zu bekommen. Wie man sieht, hätte sie einfach nur davon laufen müssen. Dafür brauchte man kein Geld. Sie fühlte sich schuldig. Wäre sie gestorben und zu diesem mächtigen Oktopus gebracht worden, dann hätten alle es erfahren. Sie wäre wiederum eine Außenseiterin geworden. Nun stand sie kurz davor, eine neue Freundin zu finden. Aber sie wollte sich keinen Illusionen hingeben und dann doch wieder enttäuscht werden. Darum sagte sie lieber gleich die Wahrheit:
„Bei uns sind Schweine nicht heilig. Wir warten, bis sie sich vermehren. Dann verkaufen wir sie, wenn wir Geld brauchen. Wenn wir Hunger haben, dann schlachten wir sie und essen sie. Wir haben auch keine Technik, ihre Seele vorher einzufangen. Wir töten sie einfach, zerteilen sie, kochen oder braten sie und essen sie dann auf.“
Picabo war nicht schockiert. Sie saß ganz ruhig da und fing an, sanft zu lächeln. Sie wedelte gemütlich mit ihrer Schwanzflosse, die immer kleiner zu werden schien. Dann sagte sie zufrieden:
„Das wusste ich schon. Kasimir hat es mir erzählt. Wir haben lange geredet, als du bewusstlos warst. Er ist etwas Besonderes. Er kann sprechen, bevor er eine Zunge bekommt.“
Veronika war verlegen. Kasimir konnte mit diesem Wesen sprechen? Es fiel ihr sehr schwer, aber sie wusste, was sie nun zu tun hatte.
„Ich sag dir was. Ich muss diesen Berg hoch. Da können die drei nicht mitkommen, es ist zu gefährlich und zu steil. Es wäre besser, wenn sie bei dir bleiben. Bring sie zu dem Oktopus-Magier oder was auch immer. Ich muss zu meinem Vater. Wenn alles gut geht, werde ich da bleiben. Er wird es nicht verstehen, dass die Schweine heilige Wesen sind. Irgendwann wird er Trockenfleisch aus ihnen machen.“
„Ich muss auch da hoch.“ ,sagte Picabo.
„Wozu?“
„Ich muss den Ursprung des Flusses finden. Ich kann erst zu meinem Volk zurück, wenn ich eine Antwort auf die Frage gefunden habe.“
„Welche Frage?“
„Woher kommt der Fluss?“
Veronika war noch nie so froh, die Schule belauscht zu haben, wie jetzt. Natürlich wusste sie, woher der Fluss kommt. Sie hatte zugesehen, wie die Kindern in der Schule genau das lernten.
„Der Fluss kommt aus einer Quelle im Berg. Nun weißt du es. Also bleib hier, geh mit den Schweinen zu deinem König, aber ich muss weiter.“
Veronika stand auf und wollte gehen.
„Warte!“, rief Picabo schnell.
„Du kannst nicht gehen. Deine San-Bestas sind nicht tot. Sie sind noch zu jung zum sterben. Und ich werde sie nicht töten, damit sie zu unserem Volk gehören können. Sie müssen den Weg alleine finden. Und sie wollen bei dir bleiben.“
„Dann werden sie unterwegs sterben. Wieviele Flaschen hast du mit? Kann jeder ihre Seele einfangen? Vielleicht muss ich sie unterwegs auch schlachten, um nicht zu verhungern.“
Picabo sah Veronika überrascht an.
„Das wirst du nicht tun. Ich kenne dich schon sehr gut. Diese San-Bestas sind für dich wie Geschwister. Sonst hättest du sie einfach dort zurück gelassen.“
„Mein Stiefvater hasst mich und wird mir vielleicht folgen. Und meiner Mutter bin ich ganz egal. Sie bekommt ein neues Kind, so eines, wie sie immer haben wollte. Dafür brauchen sie Geld. Und die Schweine sind etwas wert.“
„Sie wollen mit dir gehen. Ich ich muss in die gleiche Richtung.“
Veronika seufzte. Sie stemmte die Hände in ihre Hüften und fragte genervt:
„Was schlägst du denn vor, wie das alles gehen soll?“
„Wir gehen alle zusammen den Berg hoch. Zuerst suchen wir den Ursprung des Flusses und dann deinen Vater. Ich werde bis dahin so ausgetrocknet sein, dass ich selbständig laufen kann.“
„Deine Beine sind zu schwach und mickrig. Den Berg hochzugehen wird selbst für mich sehr anstrengend werden. Wie willst du das denn schaffen?“
„Wenn ich länger hier sitze, dann verkümmert meine Flosse immer mehr. Irgendwann sehe ich fast aus wie du. Dann kann ich bald so schnell laufen wie du.“
„Und wie lange dauert das?“
„Ein paar Tage. So lange können wir hier sitzen und…“
„Dann trage ich dich.“
Veronika ging auf Picabo zu und nahm sie vorsichtig hoch. Sie legte sie sich hinten auf ihren Rücken, so dass Picabos Kopf auf Veronikas Schulter ruhte. Schlimmer, als den schweren Karren mit ihrer jammernden Mutter darauf zu schieben, war es nicht. Im Gegenteil. Das kleine Fischwesen war leicht wie eine Feder. Und den Fischgeruch war Veronika aus dem Fischerdorf sowieso gewohnt.
So marschierte sie los. Die drei Schweine rannten vergnügt hinter ihnen her. Das Seil war verschwunden. Der Berg erschien Veronika unerklimmbar, aber es gab nun kein Zurück mehr. Besser, sie starb bei dem Versuch, zu ihrem Vater zu gelangen, als dass sie ihrem Stiefvater in die Hände fiel. Denn der hatte ein Gewehr und würde sie alle zu Trockenfleisch bzw. Trockenfisch verarbeiten. Da war sie sich sicher.
Und gleich ohne Kommentar weiter:
Das Urteil
John und Melli wurden wieder in die Ursuppe gespült. John war zutiefst traurig, doch hier konnte er nicht weinen. Melli war empört. Nun war sie zum zweiten Mal umgebracht worden. Einmal von ihrer machtgeilen Vorgesetzten Doktor Bail lebendig in den Müllzerkleinerer geworfen worden und nun von Johns größenwahnsinnigen „Meister“ Gunna eigenhändig mit einem verdammten Kissen erstickt. Wie kann dieser Typ so kaltblütig sein, jemanden zu ersticken, der sich überhaupt nicht wehren kann? War es vielleicht ihre Bestimmung, unendlich oft umgebracht zu werden? Immer wieder bis ans Ende der Zeit? Würde ihr das nun für immer passieren?
„Was für eine beschissene Welt“, murmelte sich und tauchte bis zum Kinn in der Suppe unter, wie sie es immer getan hatte.
John antwortete nicht. Er hatte wohl den Schock noch nicht überwunden. Sie versuchte, ihn dazu zu bringen, dass er über seine Gefühle sprach.
„Ich schätze, nun himmelst du deinen Meister Gunna nicht mehr so an, oder?“
Es funktionierte. Ohne sie dabei direkt anzusehen, trieb John leise vor sich hin murmelnd im Wasser.
„Er ist verrückt. Ich habe immer versucht, ihn zu verstehen, aber es war sinnlos. Er ist einfach nur verrückt.“
„So ist es.“
Melli wusste plötzlich nichts mehr, womit sie ihren Freund trösten konnte.
„Willst du vielleicht meine Hand halten?“, fragte sie verlegen. Doch John paddelte etwas von ihr weg.
„John?“
„Psssst.“
„Worüber denkst du nach?“
„Sei doch mal leise, da ist irgendwas!“
„Was?“
„Psssst! Leise dort drüben!“
John machte hastige Schwimmbewegungen und entfernte sich schnell von Mellis Position. Schnell schwamm sie ihm hinterher, denn inzwischen verstand sie sehr gut, warum er hier nicht alleine herum treiben wollte. Doch irgendwas schien nun seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Er schwamm schnell davon. Melli kam fast nicht mehr hinterher. Irgendwann schwamm er in einen dichten Nebel, der sich direkt über der Wasseroberfläche sammelte. Sie konnte ihn nun gar nicht mehr sehen und versuchte ihm nach Gehör zu folgen. Dann hörte sie nichts mehr. Voller Angst, dass ihre gemeinsame Zeit nun endgültig vorbei war, rief sie: „John, wo bist du!“
Sie war sehr erleichtert, als sie links von sich ein scharfes Zischgeräusch vernahm: „Psssst, sei doch mal still. Da reden welche! Es ist seine Stimme!“
Sie lauschte. Ja tatsächlich. Je mehr sie den Stimmen lauschte und sich darauf konzentrierte, desto lauter wurden sie.
Meister Gunna rief: „Monika, mein Schatz! Es tut mir leid, was ich dir angetan habe. Ich habe jetzt die Lösung gefunden! Ich habe herausgefunden, wie ich ewig leben kann!“
„Das hast du nicht, Pepe!“, sagte eine andere Stimme.
Das Gemurmel von einigen Dutzend Stimmen war nun zu hören.
„Was willst du von mir, Nuvet? Lass mich zu meiner Tochter!“
„Nein, Gunna. Du gehst nirgendwohin, bis wir nicht über dich gerichtet haben.“
„Dazu habt ihr kein Recht! Ich bin jetzt unsterblich, wie ihr!“
„Das glaubst nur du, Pepe! Das ist unser Reich, unsere Kultur. Ich habe dir geholfen, weil ich dachte, du wärst der Unendlichkeit würdig. Aber ich habe mich in dir getäuscht. Du hast mich getäuscht. Und du hast mich gewaltsam zu Tode gebracht! Und nicht nur mich! Selbst deine eigene Tochter, deine Freundin und viele deiner Studenten!“
„Doch ich bin würdig! Aufgrund meines Wissens, meiner Intelligenz…“
Eine dritte Stimme schrie: „Er glaubt, er ist würdig!! Nicht zu fassen!“
Und eine Vierte brüllte laut und wütend: „Er ist ein Mörder! Ein Mörder kann niemals würdig sein!“
Dann eine Frauenstimme: „Oh mein Gott, Pepe, was hast du nur getan? Warum hast du das diesen Leuten angetan?“
Und eine zweite Frauenstimme wimmerte: „Vater, bring mich nach Hause, ich habe Angst. Ich will endlich nach Hause. Ich habe tausende von Leben gelebt, bin tausend Mal gestorben und wiedergeboren worden. Ich will, dass es endlich aufhört!“
Der Mann, der offenbar Nuvet hieß, sagte vorwurfsvoll: „Siehst du, was du deiner Tochter damit angetan hast? Es ist nicht jeder zu dieser Aufgabe geeignet. Deine Tochter nicht, die meisten deiner Studenten nicht und ganz besonders nicht du!“
„Sie können es lernen. Sie können lernen, es zu beherrschen, das hast du mir selbst erzählt!“
„Du hast mir nicht zugehört, Pepe. Ziel ist es, den Lebenden mehr Kraft zu geben. Wir helfen ihnen, ihre Aufgaben im Leben zu meistern und dadurch das Leben zu ehren und zu bewahren. Aber was du daraus gemacht hast, ist eine Strafe, eine ewig währende Folter!“
Der Nebel lichtete sich etwas. Melli konnte nun John neben sich erkennen und schwamm näher zu ihm. In der Ferne sahen sie eine Gruppe Männer, die einen anderen Mann eingekreist hatten. Das in der Mitte musste Meister Gunna sein. Der Nebel war nun so dünn geworden, dass über ihnen wieder das Universum zu sehen war. Ein schwarzes Loch tat sich weiter hinten auf und war gerade dabei, einige Planeten zu verschlingen.
Nuvet Stuts fing wieder an zu sprechen:
„Es ist jetzt jedem hier klar, worum es dir die ganze Zeit ging, Pepe. Es ging dir um ewiges Leben. Um Macht. Unsere Kultur war dir ganz egal. Jetzt muss ich hinter dir aufräumen. Nicht nur, dass du Unwürdige hierher gebracht hast. Du brachtest auch Frauen hierher! Und die haben hier nun wirklich nichts zu suchen!“
Die anderen Männer brüllten: „In das Loch mit ihnen!“
Nuvet Stuts machte eine Handbewegung und lies dadurch eine Art Wirbelwind entstehen, der die beiden Frauen in sich aufsaugte und dann in dem schwarzen Loch verschwand. Das Letzte, was Meister Gunna von Jill und seiner Tochter Monika noch hörte, war der ängstliche Schrei, bevor sie beide für immer verschlungen wurden. Der Nebel war nun fast verschwunden. Melli bekam Angst. Es gab nur noch eine Sache, die schlimmer war, als unendlich oft zu sterben. Für immer verschwunden zu sein.
„Ich muss hier weg!“, flüsterte sie. Nuvet Stuts hörte das und schaute in ihre Richtung. Doch schon hatte eine Welle sie erfasst, und brachte sie an einen anderen Ort. Sie saß in einem Gebüsch und schaute in Richtung eines Flusses. Oh mein Gott! Dort war ein Kind am Ertrinken! Schnell wie der Wind hastete sie zum Wasser und sprang, ohne zu überlegen, hinein. Wenn sie eines in den letzten Monaten, vielleicht Jahren in dieser Ursuppe des Universums gelernt hatte, dann war das, wie man sich schnell in einer Flüssigkeit fortbewegte. Doch als sie das Kind packen wollte, wurde ihr bewusst, dass sie nur vier Pfoten hatte. Damit konnte sie es nicht greifen. Ein großer Fisch und ein paar Schweine schwammen um das Kind herum. Die Schweine versuchten, das Kind mit der Schnauze an ihrer Jacke aus dem Wasser zu ziehen. Natürlich! Wenn sie ein Tier war, dann hatte sie eine Schnauze. Sie packte das Kind, als wäre es gute Beute und zog es aus dem Wasser. Dann legte sie es ab und verschwand instinktiv wieder im dichten Wald. Sie beobachtete die Szene von dort. Eines der Schweine blickte in ihre Richtung. John! Sie fühlte, dass er es war. Darüber würde sie sich später lustig machen können. Aber hatte sie das Kind gerettet? Er beschnüffelte den Mund des Mädchens und nickte ihr dann zu. Endlich konnte sie einen Sinn in dem ganzen entdecken. Sie hatte ein Leben gerettet. Sie kämpfte für das Gute. Aus dem Wasser stieg nun ein Wesen, das zur Hälfte wie ein Fisch aussah. Irgendwie erinnerte sie das an die Wesen, die in dem Geheimlabor von Dr. Bail in Gläsern herumstanden. Eingemacht wie Marmelade. Offenbar hatte Dr. Bail diese Wesen gar nicht selbst genetisch entwickelt, sondern sie einfach aus dem Ozean gefangen, um mit ihnen Experimente zu machen. Nun wurde Melli klar, warum sie im Müllzerkleinerer gelandet war. Sie hatte diese Gläser gesehen. Sie war in das geheime Labor geschlichen, eigentlich nur aus Neugierde, weil sie auf der Suche nach einer Briefmarke war. Sie hatte etwas gesehen, was sie nicht sehen sollte, was niemand wissen durfte. Dr. Bail machte auf der Forschungsstation unethische Experimente! Darum musste Melli sterben. Das Wesen zog sich mit seinen mickrigen Armen aus dem Wasser. John grunzte. Natürlich kann ein Wolf nicht verstehen, was ein Schwein sagt, dachte Melli. Aber John war in dem Schwein. Er gab ihr zu verstehen, dass sie näher kommen sollte. Sie verließ also ihre Deckung und lief langsam auf das Wesen zu. Es bedankte sich mit einer piepsigen Stimme und hängte ihr eine Kette mit einem bläulich glühenden Stein um den Hals.
„Der Ozean wird dir immer dankbar sein, dass du die Seele dieses Wesens gerettet hast und der König alle Ozeane, der große Oktopus wird sich eines Tages bei dir dafür bedanken!“
Wie auch immer, dachte Melli, dann spürte sie, wie ihre Seele den Körper dieses Wolfes wieder verlassen musste.
Sie wurde zuerst wieder zurück gespült. Nuvet stand vor ihr. Er war alles andere als menschlich, was sie bei dem dichten Nebel nicht hatte erkennen können. Seine Konturen waren eckig und mehr dem Aussehen einer Echse ähnlich. Seine Haut war von einem gräulichen Grünton mit Punkten darauf. An der Seite seines Halses hatte er Kiemen und oben auf seinem Kopf etwas, was einem Hahnenkamm ähnlich war, in der selben Farbe wie seine Haut.
„Was haben wir denn da?“, triumphierte dieser Typ. Er wusste, dass er hier in dieser Welt die Autorität besaß. Denn das war seine Welt, seine Religion, seine Kultur, was auch immer. Aber Melli hatte keine Angst mehr vor ihm. Sie hatte Wichtigeres zu tun. Was dachte sich dieser Typ eigentlich, dass er Frauen generell für unwürdig hielt?
„Hör mal zu!“, fing sie an. Die anderen schwammen nun auf sie zu, zwei hielten Meister Gunna fest, der sich vor Gram die Hände vor sein Gesicht hielt und wimmerte.
„Ich bin nicht freiwillig hier. Ich habe es mir nicht ausgesucht. Im Gegenteil. Ich wurde getötet. Zweimal sogar schon. Aber nun ist es so. Ich glaube fest daran, dass es so sein sollte. Ich weiß nun, warum ich getötet wurde. Das weiß ich nur, weil ich hier gelandet bin. Und nun werde ich etwas gegen meine Mörderin unternehmen! Denn du musst wissen, Frauen können auch wertvoll sein!“
Gerade als Nuvet ihr antworten wollte, rief ein anderer:
„Oh mein Gott! Sie trägt das Zeichen!“
Alle starrten auf den Anhänger, den sie um ihren Hals trug. Das war die Kette, die ihr das kleine Fischwesen gegeben hatte, als sie ein Wolf war. Erstaunt hielt sie den leuchtenden Stein zwischen ihren Fingern und wunderte sich laut:
„Wie kann das sein? Das war in einer völlig anderen Welt?“
Dir Gruppe wurde unruhig. Nuvet versuchte, das zu ignorieren, und redete einfach weiter:
„Ich werde nun weiter hier aufräumen und dich aus unserer Welt für immer verbannen!“, dann hob er die Hand. Jeder erwartete nun, dass ein großer Wirbelsturm sich erheben würde, doch das passierte nicht. Stattdessen wehte nur ein laues Lüftchen und der Neben war bald darauf ganz verschwunden.
„Sie ist die Auserwählte!“, brüllten die anderen.
„Das kann nicht sein!“, rief Nuvet wütend.
„Der Auserwählte kann doch keine Frau sein!“
Im selben Moment wurde John wieder in die Suppe des Universums gespült.
„Wo warst du so lange?“, fragte sie verärgert.
„Ich hatte noch etwas zu erledigen. Hab gewartet, bis sie wieder zu sich kam, die Kleine, die du gerettet hast!“
„Sie ist die Kraftbringerin, er ist der Auserwählte“, rief einer aus der Gruppe der Echsenwesen.
„Wie auch immer. Las uns nun meinen Mord aufklären und Dr. Bail stoppen. Und zwar zusammen!“
Damit packte sie seine Hand und eine große Welle spülte sie beide davon.
Nuvet Stuts blieb mit der Gruppe Aliens zurück. Meister Gunna hatte das alles aufmerksam verfolgt:
„Läuft wohl nicht immer alles so, wie du es dir vorstellst, was Nuvet?“, spottete er. Nuvet starrte ihn wütend an.
„Ich spreche nun das Urteil über dich. Verdammt wirst du sein in sterbenden Körpern zu leben. Niemals wirst du völlig gesunde Lebewesen beherrschen können, weder in deiner Welt, noch in einer der vielen anderen Welten. Nur die sterbenden Körper sind gut genug für dich, in der Hoffnung, dass du so nicht so viel Schaden anrichten kannst. Und nun verschwinde.“
Ein Strudel tat sich unter Pepe Gunnar auf und saugte ihn nach unten. Als er erwachte, lag er auf einem Karren, sein Bein schmerzte fürchterlich und er hatte viel Blut verloren. Jemand hatte eine Decke über ihn gelegt, als wäre er schon tot.
Endlich schreibe ich und komme damit auch in der Handlung weiter. So durcheinander zu schreiben, scheint genau das Richtige für mich zu sein. Ich hoffe sehr, dass ich nicht irgendwann den Überblick verliere. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich irgendein Projekt mitten drin abbreche, weils zu schwer wird, weil ich den Überblick verloren habe. Ich muss auch immer wieder zurück blättern, um zu sehen, wie ich die Leute genannt hatte. Später kann man überarbeiten. Wenn die Handlung steht. Dann kann man Namen, Städtenamen, Details und so verändern, mehr plastische Beschreibungen einfügen. An den Formulierungen herumfeilen. Und so was. Aber so weit bin ich bisher nur bei Kurzgeschichten gekommen.
Foto fehlt: