Wenn kein anderer da ist, muss man halt sich selbst abzeichnen. Das übt, kann aber auch enorm daneben gehen. Je nachdem, wie man sich gerne sieht, könnte das Bild merkwürdig beeinflusst werden, sodass man am Ende zu hören bekommt: “So möchtest Du vielleicht aussehen”. Es könnte auch sein, dass man mit anderen Bildern überladen ist und dann davon etwas mit in das Selbstbildnis einfließt. Man muss schon den Kopf frei haben, um das zu zeichnen, was man wirklich sieht. Und viel üben ist wichtig. Wo die Nase sitzt und wo die Ohren ist nicht egal. Da die eigene Familie vermutlich nicht so lange stillhält und sich nur selten überreden lässt, ist ein Selbstporträt der einfachste weg Gesichter zu üben.
Bleistift war immer das Werkzeug, dass ich am häufigsten benutzt habe, für alles mögliche. Doch Bleistift hat einen entscheidenden Nachteil. Es glänzt im Licht. Es ist mehr oder weniger grau und glänzt metallisch. Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, aber heute stört mich das. Und auch, dass Bleistift, Kohle und Kreide – halt alles, was Spaß macht – so schnell verwischt. Wenn man die fertige Zeichnung schützen will, muss man es fixieren. Das ist umständlich und kostet zusätzlich und schützt auch nicht 100%. Aber zum üben sind Bleistifte und Grafitstifte in unterschiedlichen Härtegraden immer noch sehr gut. Auch Druckbleistifte und Minen, die in eine Halterung gesteckt werden, sind gut zum zeichnen.
Wenn man etwas zeichnen will, was nicht mehr verwischt, kann man Tusche nehmen. Entweder in Form von Tusche, die mit einer Zeichen-Feder oder einem Pinsel gezeichnet wird oder mit Hilfe von Tuschestiften. Tusche gibt es auch in allen möglichen Farben. Beim zeichnen mit Tusche und Feder kann es Probleme geben. Zum Beispiel kann die Tusche klecksen oder schmieren oder die Feder kann das Papier zerkratzen oder daran hängen bleiben, wenn es sehr rau ist. Mit dem Pinsel zu zeichnen erfordert ein hohes Maß an Konzentration, was ich zumindest nicht immer habe. Weil der Pinsel so flexibel ist.
Tuschestifte sind praktisch. Der Nachteil hier ist, dass man sich an die Filzer aus der Kindheit erinnert fühlt und das verleitet dazu, sie falsch in der Hand zu halten. Man soll ja beim zeichnen immer aus der Schulter – also mit dem ganzen Arm zeichnen und nicht wie damals nur mit der Hand. Der Stift sollte nicht wie in einer Schraubzwinge gehalten werden, sondern relativ locker. Man muss Kontrolle aufgeben, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Das ist zumindest meine Erfahrung. Was ich schon sagte: Perfektionismus macht krank. Da Tuschestifte meist wasserfest sind, kann man die Zeichnung hinterher auch noch mit Aquarell farbenfroher machen, wenn man das möchte. Aber das hab ich noch nicht ausprobiert. Auch möglich wäre es, auf einem selbst erstellten bunten Hintergrund mit einem Tuschestift zu zeichnen.
Je mehr man von den Linien weglässt, die man im eigenen Gesicht erkennt, desto jünger und attraktiver sieht man auf dem Bild vermutlich aus. Das Gesicht ist dann aber weniger plastisch und nicht so lebendig. Man muss schon ehrlich sein mit sich selbst und zeichnen, was man sieht. Ich habe zumindest noch keinen Weg gefunden, wie man mit wenigen Strichen eine ausreichende Ähnlichkeit und interessantes, plastisches Aussehen hinbekommt. Um nicht von irgendwelchen Gedanken an Schönheitsideale abgelenkt zu werden, ist wildes und relativ schnelles Kritzeln meine neue bevorzugte Methode. Ich zeichne aber ohnehin immer relativ schnell. Mit Bleistift hatte ich selten mehr Ähnlichkeit erreicht, als auf den Skizzen unten mit verschiedenen Tuschestiften. Eigentlich war ich danach immer nur frustriert. Gute Ergebnisse waren selten. Es empfiehlt sich, Haare nicht einzeln zu zeichnen, sondern zu Komplexen zusammenzufassen. Eine Ausnahme sind Wimpern, da sieht das gut aus.
Mit Tuschestiften sieht das Ganze dann schon etwas anders aus. Alles ist deutlicher zu erkennen. Für Licht und Schatten bieten sich Schraffuren an, wenn man nicht wild kritzeln will. Das geht aber auch, wie man hier im Vergleich sieht, links Schraffuren, rechts wild gekritzelt.
Schnelles Zeichnen oder Kritzeln sorgt also für bessere und ehrlichere Ergebnisse genau wie schnelles Schreiben nach der Eieruhr beim Kreativen Schreiben. Weil man sich einfach nicht so sehr durch die eigenen Gedanken ablenken kann. Es muss ja alles schnell gehen. Es ist auch von Vorteil, das zu üben, weil es Motive gibt, die sich schnell verändern. Zum Beispiel Katzen. Sie laufen manchmal einfach weg. Man sollte sich gerade hinsetzen und einen feststehenden oder hängenden Spiegel nehmen. Ein Gesicht von einem Foto abzuzeichnen ist einfacher, weil die Position und das Licht sich während des Zeichnens nicht verändern. Man sieht aber auch nicht so viel vom Gesicht und seiner Struktur. Hilfslinien kann man bei Tuschestiften nicht machen, denn das würde zu sehr stören. Vielleicht in Bleistift, aber ich mache das nicht. Dafür übt man da ja, damit man es ohne Hilfslinien hinbekommt. Trotz aller Fehler wirken schnell gekritzelte Sachen irgendwie lebendiger, als akribisch geplante und mit hoher Konzentration gezeichnete Sachen, an denen man echt lange sitzt. Finde ich zumindest. Das Chaos hat eben auch seinen gewissen Reiz.