Wie schön war es doch, als ich noch an den Zauber des Schreibmarathons geglaubt habe. Einen Monat hinsetzen und es durchhalten, jeden Tag oder fast jeden Tag etwas zu schreiben und am Ende einen fast fertigen Roman in den Händen zu halten. So das Versprechen. Bei einigen Autoren klappt es ja anscheinend auch, aber bei mir nie. Mein erster Nanowrimotext existiert nun schon seit 2010 und ist immer noch kein Roman, nicht mal eine Rohfassung davon. Es fehlte halt etwas.
Es fehlte an Planung. Das erste, was ich lernen musste, war, dass man vor dem Schreiben und während des Schreibens und auch danach tatsächlich über den Text nachdenken sollte. Zumindest, wenn man sich daran stört, dass die vorgestellte Handlung es gar nicht bis in den Text geschafft hat. Warum nur? Schreiben im Fluss: Der Text hat sich selbst geschrieben, es ging einfach immer weiter und es gab irgendwie keinen Punkt, an dem ein Absetzen und Einbringen der vielen Ideen möglich gewesen wäre, so als wäre man gar nicht dabei gewesen oder wie in einem bösen Traum.
Von jeder Ecke hört man immer wieder, dass eine Geschichte aus Anfang, Mitte und Ende besteht, was ehrlich gesagt auch nicht besonders hilfreich ist. Es unterstützt die trügerische Annahme, dass es eigentlich ganz leicht sei, etwas zu schreiben. Ist es aber nicht.
Allein der Gedanke daran, dass ich einen Text, der ca. 80 Seiten umfasst, nun immer wieder lesen und analysieren und überarbeiten und verändern muss, hat dazu geführt, dass die Idee ein paar Jahre in der Schreibtischschublade versauerte. Ich redete mir ein, dass ich nur Übung brauchte, dass es bei der nächsten Idee besser wird, aber nein. Das war auch nicht der Fall. Auch die weiteren Versuche, alles sehr gute Ideen, landeten in der Ablage.
Die vorläufige Lösung war dann das Neuschreiben. Aber das bedeutet, dass man neu planen muss. Warum war der erste Versuch nicht gut genug? Was lief falsch? Was ist nicht drin, was drin sein sollte? Ich schrieb einige Szenen so auf, wie ich sie mir vorgestellt hatte mit der Absicht, sie auch in den Text einzubauen. Erst dadurch sah ich die Fehler und Lücken im Text, was alles nicht zusammen passte und was überflüssig war.
Nachdem ich etwas über die Plot-Arten gelesen hatte, startete ich immer wieder neue Versuche, dem Text eine Struktur, also einen Plot zu geben, den ich in einem weg durchschreiben konnte. Inzwischen hatte ich mich so sehr mit der Idee beschäftigt, dass mir der Anfang und das Ende der Geschichte immer klarer wurden. Die Geschichte fängt nun später an, damit der auslösende Moment früher passiert und alles nicht so langweilig ist. Es ging auch darum, zu erkennen, was der eigentliche Inhalt, der Kern der Geschichte war und diesen so herauszustellen, dass er auch erkennbar wird. Dadurch und weil ich über mehrere Geschichten parallel nachgedacht habe, ist es eine Fortsetzungsgeschichte geworden. Ich habe mich dabei nicht an eine klare Vorgabe für klassische Strukturen gehalten, sondern alles vermischt, was mir nützlich erschien. Nachdem Anfang und Ende mir relativ klar waren, suchte ich mir erste Hilfe aus Schreibratgebern für den Mittelteil. Das hat auch relativ gut funktioniert.
Und nun? Nun muss ich es nur noch schreiben. Aber wie macht man das, ohne wiederum die Kontrolle und den Überblick über den Text zu verlieren? Wie schreibt man regelmäßig daran? Wie schreibt man zielgerichtet? Wie schreibt man so, dass man die gewünschte Wirkung erzielt? Meine Antwort: Wieder mal ein englischsprachiger Schreibratgeber: Writing Prompts
Was ist das? Writing ist Schreiben. Promt ist eine Befehlsaufforderung oder ein Stichwort. To promt somebody bedeutet, jemanden zu veranlassen, etwas zu tun.
Man könnte also sagen, es sind Schreibübungen. Als Aufgabe oder Befehl formulierte Vorgaben und hilfreiche Stichwörter, die dabei helfen sollen, mit dem Schreiben anzufangen und dabei zu bleiben. So lange, bis der Roman fertig ist.
Ich versuchte es und als ich mich durch die Übersetzung gequält und angefangen hatte, die Aufgaben zu bearbeiten, saß ich endlich vor einer Szene des Romans, die ich tatsächlich auch genauso hatte schreiben wollen. Im Grunde hatte ich das schon mehrmals so geschrieben, bloß nicht so kurz, nicht so konzentriert und immer mit der Unsicherheit, dies und jenes gehöre vielleicht auch noch mit dazu.
Das ist also die Lösung. Statt immer das Ganze im Hinterkopf zu haben und sich dadurch verwirren zu lassen, konzentriert man sich auf kleine Abschnitte, auf Fragmente der Geschichte, die man mit Hilfe der Promts herausarbeitet. Dann muss man nur noch die Fragmente zusammen setzen, die Übergänge bearbeiten und die Geschichte ist fertig.
Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass Schreiben sich wie Arbeit anfühlen kann. Aber auch, dass ich eben nicht ständig den Überblick verliere oder durch die Masse an Arbeit, die noch vor mir liegt, erschlagen werde. Ich kann mich ganz auf die Wirkung der einzelnen Szenen konzentrieren, kann an jedem Wort feilen, bis ich wirklich damit zufrieden bin. Es geht nicht um einen Wettbewerb, wer schreibt mehr oder wer lässt es dann am längsten in der Schublage liegen, sondern darum, was ich mit einer Szene erreichen will und erreichen kann.
Trotzdem hätte ich vermutlich nicht so anfangen können. Ohne erst mal irgendetwas zu schreiben, hätte ich mir gar keine weiteren Gedanken um den Inhalt gemacht. Ohne Fehlversuche, wäre es nicht zu Frustration gekommen und ich hätte niemals nach einer Lösung für das Problem gesucht. Und ohne die sinnlosen Versuche, das schnell Geschriebene zu überarbeiten, wäre ich nicht darauf gekommen, was ich wirklich schreiben wollte und wie viel Potential in der Geschichte steckt.
Meine ideale Arbeitsweise sieht also vermutlich so aus:
1. Ideen fleißig notieren (geht schnell)
2. Eine Idee nehmen und einfach drauf los schreiben (2 Minuten bis 1 Monat)
3. Analysieren, welches Potential in der Idee steckt
4. Evtl. mit anderen Ideen kombinieren
5. Szenen schreiben, die im ersten Versuch gefehlt haben
6. Entscheiden, worum es in der Geschichte gehen soll (Kern der Handlung)
7. Fehler erkennen und überflüssiges streichen, Veränderungen vornehmen
8. Anfang neu schreiben, Gedanken darum machen, wie die Geschichte endet
9. Die Mitte besser planen
10. Jetzt einzelne Szenen nochmals von Anfang an mit Promts schreiben (?)
11. Die Szenen in die richtige Reihenfolge bringen
12. Übergänge bearbeiten und Löcher stopfen
Zum Glück bin ich schon bei Punkt 10.