Ich habe den Zeitreiseroman nicht weiter geschrieben, weil ich mich nicht entscheiden konnte, noch mehr davon zu veröffentlichen. Und weil ich nur sechs Seiten geschrieben habe seitdem. Statt dessen lenke ich mich von der Geschichte mit einer anderen Geschichte ab. Mir fallen plötzlich zu allen meinen Romanideen Verbesserungen ein. Manchmal sehe ich ganze Kapitel vor meinem inneren Auge als Film ablaufen und ärgere mich, warum ich das nicht einfach aufschreibe. Wobei die Kapitel ziemlich kurz sind. Warum tue ich es nicht einfach? Mehr schreiben? Weiter schreiben? Zu irgendwas muss mein Gehirn doch auch mal gut sein. Was hält mich denn bloß immer davon ab, das zu tun, was ich tun will?
Eines steht fest. Ohne dieses Tagebuch würde ich mich immernoch orientierungslos im Kreis drehen. Ich würde meine Gefühle und meine Gedanken immer wiederkäuen, bis zum Ende aller Zeit, und niemals voran kommen. Ich mache nicht oft meine Schreibübungen. Manchmal denke ich gar nicht mehr daran, dass ich da eine Datei habe, in der alles schon vorbereitet ist. Blanko-Dokumente, die ich nur öffnen und wo ich nur drauflos schreiben muss. Letztes Jahr habe ich zwei Schreibübungen gemacht. Dieses Jahr nur drei Mal. Einmal im Januar, gut dann rutschte meine Gesundheit wieder ins Bodenlose ab. Und dann zweimal im April.Das wars. Ich kann nicht glauben, wie schnell die Zeit immer läuft.
Und Heute. Zum Glück. Ich schrieb den Anfang von meiner Schweinehirtin-Saga. Vermutlich noch so ein Projekt, dass ich nie beenden werde. Aber auch zum Thema “Fischmenschenplanet” fielen mir in den letzten Tagen gute Inhalte ein, wie es da weitergehen könnte, worum es da eigentlich gehen könnte:
Eine verrückte Wissenschaftlerin hat einen ganzen Planet für sich alleine. Dort sitzt sie in einem Gebäude und rund herum ist nur Wasser. Ihr Auftrag ist langweilig und unterfordert sie und sie fühlt sich alleine. Also fängt sie an, sich eigene Forschungsziele zu setzen. Sie kreiert Wesen mit gestohlener DNA, mit denen sie dann experimentiert und die sie quält, wenn sie ihr nicht gehorchen.
Dann wird aus der Sicht eines dieser Wesen weiter erzählt. Die Verwirrung. Die Suche nach der Wahrheit und der eigenen Identität. Der Kampf um Bewusstsein und Klarheit. Doch sobald das Wesen begreift, was es ist, wird es getötet. Darin hat die verrückte Wissenschaftlerin schon Übung. Nur dieses eine Wesen ist eben anders und nicht so leicht totzukriegen, weil die Wissenschaftlerin bei seiner Kreierung einen entscheidenden Fehler gemacht hat: Das Wesen ist unsterblich.
Nun muss ich das nur noch schreiben. Naja, bleiben wir erst mal bei den Sachen, die ich schon geschrieben habe. Hier der Anfang zu meinem Schweinehirtin-Roman:
Veronika, die Schweinehirtin
Elsbeth sah sie streng an und fragte mit einem bedrohlichen Unterton in der Stimme, der ihr eigen war:
„Veronika, willst Du nicht Rudolf gute Nacht sagen und zu Bett gehen?“
Veronika lies vor Schreck ihren Löffel fallen und starrte ihre Mutter an. Dann begriff sie, dass sie heute wieder zu langsam gewesen war. Der Eintopf schmeckte schrecklich, fast so, als hätte man frischen Schweinemist darunter gemischt, aber ihr Magen verkümmerte langsam, so wenig, wie sie aß. Sie legte still ihren Löffel beiseite und ging vorsichtig zu ihrem Vater herüber. Ihre Schritte waren trotz der Holzschuhe kaum hörbar, das hatte sie inzwischen gelernt. Rudolf grinste stolz. Dann ließ er sich einen Kuss auf die Wange geben, auf die er fordernd zeigte. „Gute Nacht, Vater, Gute Nacht Mutter…“, flüsterte Veronika in einem gleichmütigen Tonfall, der jegliche Emotionen vermissen lies. Sie schaute dabei die ganze Zeit auf den Holzfußboden, den sie heute den halben Tag geputzt hatte. Ihre Knie schmerzten davon und waren blutig. Sie hatte wieder Rudolfs lüsterne Blicke gespürt und die Eifersucht ihrer Mutter gefürchtet. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Innerlich weinte sie. Innerlich schrie sie. Sie hatte fürchterlichen Hunger. Und sie wusste genau, dass ihre Mutter ihr das antat, um sie zu verletzen. Sie drehte sich schnell um, bevor noch ihre Mutter ihre nassen Augenwinkel sah und sich daran erfreuen konnte. Nie wieder wollte sie diese Boshaftigkeit in dem Gesicht ihrer Mutter sehen müssen. Das machte ihr Angst. Da schaute sie lieber die ganze Zeit auf den Boden. Sie ging nach draußen und überquerte den Hof Richtung Stall. Es war schneidend kalt, obwohl es schon Frühling war. Sie fing wieder an, mit den Zähnen zu klappern. Die kalte Luft stieg von ihren nackten Füßen nach oben. Sie lief durch den Matsch. Es war dunkel. Heute Nacht würde es wieder frieren. Sie hörte den Fluss rauschen. Knarrend öffnete sich die Stalltür. Es war eine schwere Tür, die sie mit ihrer ganzen Kraft aufstemmen musste. Drinnen schliefen sie schon. Kaspar schnarchte, Waldtraut schmatzte leise, vermutlich träumte sie vom Fressen und Kasimir hatte sich gänzlich im Stroh eingegraben. Nur Milli war wach und schaute Veronika mit verschlafenen Augen an. Veronika gab jedem ihrer Schweine einen gute Nacht Kuss. Milli wartete geduldig, bis sie an der Reihe war, dann schaute sie zu, wie Veronika sich ein Lager aus dem Stroh baute. Ihre Mutter hatte ihr wieder die Lumpen genommen, angeblich um sie zu waschen. Doch das tat sie nie. Sie nahm sie weg, bevor es richtig kalt wurde und wenn es wieder wärmer wurde oder sie meinte, Veronika genug gequält zu haben, gab sie ihr die Lumpen zurück. Genauso dreckig wie sie vorher waren und log: „Hier mein liebes Kind, frisch gewaschen.“ Beides war eine Lüge. Dass sie ihr leibliches Kind war und dass mit der Liebe auch. Eines Tages hatte Veronika angefangen, sich davon zu schleichen, um zu sehen, was die anderen Kinder in der Schule machen. Sie hatte sich auf einen Baum gesetzt, von dem aus sie in das Klassenzimmer schauen konnte. So hatte sie schreiben gelernt. Und auch rechnen. Doch eines Tages fiel sie herunter. Die Kinder, die gerade in der Pause waren, bildeten einen Kreis um sie herum und fingen an, sie zu beschimpfen. So erfuhr sie, dass sie nicht dazu gehörte. Sie war zu groß und zu breit. Das machte allen hier Angst und darum musste sie auch im Stall wohnen. Es gab kein Bett, dass breit genug war. Zusätzlich hatte sie ganz helle Haare, ja so hell wie das Stroh, auf dem sie heute Nacht wieder schlafen würde. Alle Menschen in Dorf hatten braune oder schwarze Haare. Einmal kam eine junge Bettlerin ins Dorf. Sie führte Kunststücke auf, macht Handstand, jonglierte, schlug Purzelbäume und zeigte Tricks mit einem dressierten Adler. Alle schauten ihr aufmerksam zu, bis sie ihre Mütze abnahm, um Geld zu sammeln. Auf die feuerroten Haare, die nun zum Vorschein kamen, war niemand gefasst. Sie prügelten sie, der Adler flog ihr davon, sie rissen ihr die Haare aus und beinahe hätte sie sie lebendig verbrannt. Doch die Bettlerin, Katharina hieß sie, rannte davon. Veronika lehnte sich an das kalte Holz und bedeckte sich mit Stroh. Eines Tages würde sie auch wegrennen. Aber Kaspar, Waldtraut, Kasimir und Milli waren wie ihre Familie. Sie würde sie nie im Stich lassen. Sie musste einen Weg finden, genügend Geld zu verdienen, um sie ihren Eltern abzukaufen. Und genügend Geld, um ein Boot zu kaufen. Dann würde sie mit ihren Schweinen auf eine der weit entfernten Inseln verschwinden und dort glücklich leben, für immer und ewig. Milli konnte wohl Veronikas Gedanken lesen. Sie rappelte sich aus ihrem Strohbett und galoppierte fröhlich, aber leise zu Veronika, die schon wieder zitternd mit den Zähnen klapperte. Sie legte sich zärtlich auf die frierende große, traurige Person. Sofort wurde es wärmer. Veronika kuschelte sich an Milli und schlief ein.
Fortsetzung folgt – vielleicht.