Quälende Antriebslosigkeit

Nein, ich jogge nicht regelmäßig. Nein, ich schreibe auch nicht regelmäßig. Alles, was ich mir vornehme zu tun, scheint irgendwann im Sande zu verlaufen. Ich fühle mich gerade unzulänglich, antriebslos. Im November 2016 wurde bei mir der Krebs diagnostiziert, seit dem ist viel passiert.

Ich musste viele Untersuchungen über mich ergehen lassen, bis es überhaupt erst mal mit der Therapie anfing. Untersuchungen, die meinen Körper auch belastet haben. Und meine Seele. Aber dafür hat man in dem Moment keine Zeit. Man darf keine Schwäche zulassen, muss auf sich achten, damit man nicht im Strudel der Therapie verloren geht. Meine Brust konnte ich bei einem 7 cm Krebs leider auch nicht mehr retten.

Wenn unser Hund mich damals nicht mit der Nase angestupst hätte, dann hätte ich vermutlich nicht weiter versucht, einen Termin bei der Gynäkologin zu bekommen und wäre auch nie ins Brustzentrum geschickt worden. Ich wäre nicht therapiert worden und daher jetzt vermutlich schon tot oder läge mit Metastasen zu Hause, unheilbar krank und von den Ärzten aufgegeben. Immer wieder stelle ich mir die Frage, was hätte anders laufen können. Merkwürdige Erinnerungen zum Thema Brustkrebs verfolgen mich bis in mein Bett und ich kann Nachts manchmal nicht schlafen.

Ich versuche immer weiter zu machen, denn ich kenne diese Gefühlsschwankungen schon lange und sie gehören einfach zu mir. Mit meinem anderen Blog komme ich nur sehr langsam voran. Aber immerhin geht es voran. Wenn ich damit fertig bin, dann schreibe ich an meinem Roman weiter, denn dann habe ich den Kopf wieder frei. Hoffentlich.Manchmal möchte ich mich einfach nur noch ausruhen, aber selbst das ist anstrengend und kostet Kraft.

Sobald ich mich hinlege, schlafe ich sehr schnell ein. Jedenfalls tagsüber. Dann wache ich wieder auf und meine Knochen sind schwer wie Stein. Ich bin wie gelähmt, bis ich mich wieder auf die Beine stelle und bewege. Dann wird es besser. Immer wieder hab ich merkwürdige Kopfschmerzen. Nasennebenhöhlenentzündungen, Blut in der Nase, eine Triefnase, Blähungen, Hautreizungen, die ich mir blutig kratze, sind meine ständigen Begleiter. Und auch die Rücken- und Knochenschmerzen, die entweder von den Haltungsfehlern kommen oder aber von den Spritzen, die ich bekommen habe, um die Menge der weißen Blutkörperchen zu erhöhen. Wenn dann Leute mich ansehen und sagen: “Aber Sie hatten ja nicht so viele Nebenwirkungen!”, könnte ich schreien.

Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich denke, es könnten ja auch Metastasen sein oder der nächste Krebs. Immerhin habe ich es nicht geschafft, dass bei mir die beiden Krebs-auslösenden Medikamente weggelassen wurden. Es war alles so anstrengend. Ja, am Anfang hat es sich so angefühlt, als ob da was verschwindet, aber dann wurde es nur noch größer. Und ich hab geheult. Bis ich endlich die duale Blockade bekommen habe.

Heute fühle ich mich auch so. Es vergeht schon wieder kein einziger Tag, an dem ich keine Schmerzen habe. Vor der Diagnose hatte ich gerade alle meine Probleme in den Griff bekommen. Die verrottete Plombe, die Schmerzen am rechten Fuß, die Schmerzen am rechten Arm. Mit veganem Shampoo und Duschgel, meiner eigenen Salbe und Aloevera-Waschmittel hatte ich versucht, meine Hautprobleme in den Griff zu bekommen. Ich hab mich zum erstem Mal seit Jahren halbwegs gesund gefühlt, kurz vor der Diagnose.

Dann war der Krebs so groß, dass ich es gemerkt habe, dass da was nicht stimmt. Ich denke immer, wie lange hat dieser Parasit in mir gesessen und mir die Lebenskraft ausgesaugt? Gemacht, dass ich nicht richtig denken kann, dass ich müde bin, dass mir alles zu anstrengend ist? Und ich habe immer nur mit purer Willenskraft weiter machen können. Tag für Tag. Es war ein Kampf. Immer. Von Anfang an war nie irgendwas leicht.

Und jetzt schon wieder. Und es kann mir auch keiner sagen: “Herzlichen Glückwunsch, sie sind geheilt.” Nein, ich weiß, es geht in der Krebstherapie gar nicht um Heilung des Menschen, sondern nur darum, den Krebs in dem Menschen vollständig abzutöten oder zu entfernen. Es gibt Statistiken, die mir sagen, dass ich zwischen 3 und 23 Monaten weiter lebe, weil eine Studie das so ergeben hat, bei dem Medikamentenmix, den ich bekommen habe. Das sind herrliche Aussichten. Dann brauch ich mir über meine Altersvorsorge auch keine Gedanken mehr zu machen.

Wenn ich nach zwei Jahren keinen Rückfall habe, kann ich froh sein. In der Statistik bin ich als geheilt vermerkt, wenn ich nach fünf Jahren keinen nächsten Krebs kriege. Was danach kommt, interessiert nicht. Die Vorsorgeuntersuchungen, die mich jetzt noch nerven, werden immer weniger werden. Und wenn dann eines Tages etwas wieder kommt, dann ist es für die Ärzte ein neuer Krebs, nicht etwa die Nebenwirkung der vorherigen Therapie.

Kein Arzt würde jemals vor einem Patienten die Unzulänglichkeiten der jetzigen Therapie zugeben. Es sei denn, er verdient damit Geld. Dabei könnten Ärzte bei den Krankenkassen, der Regierung oder den Pharmafirmen viel mehr Druck ausüben, statt sich immer nur mit Geschenken bestechen zu lassen.

Jeder will daran mit verdienen, dass ich krank bin. Und ich muss mein Leben irgendwie wieder auf die Reihe kriegen. Wieder nur mit purer Willenskraft, ohne Lebensfreude. Ja, ich lache manchmal sogar. Heute ist wieder alles für den Arsch. Ich bin müde, wenn ich mich gleich hinlege und meine Decke nehme, dann schlafe ich ein und Nachts kann ich wieder nicht schlafen. Aber es ist nun mal wie es ist.

Zum Glück bin ich stur. Ich mache einfach weiter mit den, was ich so mache. Man muss sich ja beschäftigen, bis man stirbt.