Ich hab einige Kapitel aus „20 Masterplots“ gelesen und fand es sehr erleuchtend und inspirierend. Es hilft mir bestimmt, Probleme in meinem Text zu erkennen.
Der Plot
Einen Plot zu haben, bedeutet, zu wissen, wohin die Reise geht. Soweit so gut.
Die Geschichte in Teil 1 handelt von Veronika und John, die irgendwann im Laufe der Zeit mal zusammen arbeiten, wie der Bruder Victor es vorhergesagt hat. Und zwar in einer Zeitreiseakademie, die es am Ende des Teil 1 noch nicht mal gibt, weil die Erde zu einem toxischen und verstrahlten und überschwemmten Klumpen Dreck verkam.
Priorität in Teil 2 wird also die Rettung der Erde sein, John wird seine Fähigkeiten als Weltenerbauer benutzen müssen und die Menschen werden Hilfe brauchen von allerhand mächtigen Aliens, die mit Rohstoffen und Arbeitskraft aushelfen.
Also wird es erst am Ende von Teil 2 die Zeitmaschine geben, wenn überhaupt. Entweder, die Geschichte endet da oder die Geschichte fängt dort erst richtig an.
Was stört mich:
- Wird die Erwartung, die man beim Lesen des ersten Kapitels hat, enttäuscht? Wie begründe ich, dass Pepe Gunnar plötzlich böse wird? Oder war er die ganze Zeit schon böse? Seine Motive sind nicht ausreichend. Die Beziehung zwischen den beiden wird nicht ausführlich genug erklärt. Beziehungen kommen in meiner Geschichte überhaupt viel zu kurz.
- Murena ist unwichtig. Ich wollte ihr einen Platz in der Zeitreiseakademie geben, aber sie kommt vollkommen unwichtig rüber. Sie ist keine Hauptperson, genau wie Afra, die verschollene Tochter des Königs des Inselvolkes, aber dennoch könnten sie stärkere unterstützende Figuren sein, die den Helden helfen.
- Das Drama von Veronika wird nicht dramatisch genug dargestellt. Es sind nicht genügend Emotionen im Spiel. Was mit ihr passiert, wird einfach nur erzählt. Die Motive ihrer sogenannten Eltern bleiben unklar. Es wäre einfacher, zu erklären, dass ihr Stiefvater sie misshandelt hat, weil er dachte, sie wüsste, wo ihre Mutter das Gold hat. Und sie wusste es, hielt aber dicht. Und die Mutter hatte die ganze Zeit Kontakt zur Seherin (Milva) und hat ihr die beiden Kinder (mutierte Larven) durch Erpressung weggenommen, weil sie keine eigenen Kinder bekommen kann (genau wie Milva?). Später merkt sie dann, dass es keine echten Menschen sind. Das kommt alles in der Geschichte (noch) nicht vor, sollte aber vorkommen.
- Der Bösewicht (Veronikas Vater) verschwindet einfach. Das ist zu einfach. Man könnte mehr die Wölfe einbinden, wie sie dabei helfen, ihn zu besiegen. Er könnte Veronika verfolgen (wie ich es ursprünglich vorhatte) und die Wölfe helfen ihr.
- Meister Gunnar (Hass auf Zeitreisende) und Veronikas Vater (Goldgier) könnten miteinander verschmelzen. Das Mädchen, zu dem Meister Gunnar in der Zwischenwelt wird, dessen Mechanismus er selbst beeinflusst hat, könnte später wieder eine Rolle in der Geschichte spielen. Ohne Bösewicht, keine echte Geschichte.
- John hat nichts gelernt, womit er eine Zeitmaschine bauen könnte, aber Meister Gunnar beginnt ein völlig neues Leben und hätte dafür Zeit. Er könnte seine Meinung ändern und zurückkehren wollen, um die Geschehnisse zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
- John ist kein Mensch. Er müsste das schon vorher geahnt haben. Mitschüler hänseln ihn wegen seiner Ohren. Er begreift schneller Zusammenhänge, als jeder Mensch. Er kann Dinge bauen, Systeme begreifen, Funktionen von Dingen begreifen, Dinge bauen, die Struktur von Stoffen mit bloßem Auge begreifen.
- Beziehungen wichtiger machen: Meister Gunna adoptiert John. Monika ist seine Schwester. Die beiden haben ein gutes Verhältnis. Sie will ihn immer überreden, sich seine Ohren operieren zu lassen.
- Das Meister Gunna eine Maschine baut, um seine Studenten zu töten ist irgendwie unlogisch. Um seine Arthrose zu heilen, um sich selbst umzubringen, vielleicht. Der grüne Kristall hat gar nicht die Macht, Zeitreisen zu generieren.
- Die Echsen bringen die Kristalle mit, also gibt es diese auch auf ihrem Heimatplaneten. Sie könnten die Kristalle vor Jahrhunderten auf dem Forschungsplaneten gefunden haben. Sie interessierten sich nur für die grünen und blauen Kristalle. Man kann damit Terraforming machen.
- Die Echsen entdecken die Zwischenwelt, weil die Kristalle einfach nur das Herstellen, woran sie glauben.
- Ein Student sieht die Maschine. Meister Gunna will nicht sagen, was es wirklich ist und lügt. Die Studenten verlangen, sie benutzen zu dürfen. Darum muss jeder, der die Maschine benutzt, verschwinden.
- Wenn Meister Gunnar sich umbringen will, warum baut er dann eine Maschine? Warum springt er nicht einfach vom Dach? Gab es vielleicht einen Moment, an dem auch er sich eine Zeitmaschine wünschte? Vielleicht hat die Zeitmaschine funktioniert und er hat alles nur noch schlimmer gemacht: Motive!
- Ich wollte, dass Noona und Veronika Freunde werden. Die Beziehung zwischen den beiden ist aber nur Oberflächlich. Am Ende steigt Veronika in das Raumschiff, wegen ihres Bruders, aber zu dem hat sie auch keine Beziehungen. Es wäre besser, wenn Veronika ihren Bruder schon mal gesehen hätte.
- Auch Mellis Geschichte schöpft ihr Potential nicht aus, genau wie Katharinas. Mellis Motive: Gerechtigkeit. Sie ist eher die Politikerin, Kritikerin. Katharinas Motive: Frieden. Sie kämpft für ihre Freiheit, für den Frieden zwischen den Völkern und für die Tiere und Pflanzen. Melli und Katharina sind beide Vegetarier. Das verbindet sie. Da Dr. Baila auch Mellis Gene hatte, könnten die beiden sogar verwandt sein.
- Bedeutung der Unsterblichkeit in meiner Geschichte. Es ist zu einfach herzustellen. Die Suche nach den richtigen Genen muss schwieriger sein, von Misserfolgen und Opfern gepflastert.
- Mellis Peiniger entschuldigen sich nicht bei ihr. Die ganzen anderen Studenten spielen später einfach keine Rolle mehr und auch Robert muss nicht wirklich um seine Liebe kämpfen. Das Dreieck Melli, Robert und John hat viel mehr Potential für eine tolle Liebesgeschichte.
- Auch wie der Oktopus alle wieder zu fast-Menschen umwandelt erscheint zu einfach und geht zu schnell und zu problemlos. Außerdem hat Mellis Aktion, die Seele von Baila in dem Glas in einen Vulkan zu werfen, keinerlei Effekt auf sie. Auch unter Wasser hat der Vulkanausbruch keinerlei Effekt. Und dass überhaupt Bailas Seele von Oktopus eingefangen wird, hat keinerlei spürbaren Effekt auf sie.
- Wie Milva sich von Baila emanzipiert, wie sie zuvor von ihr bedroht und benutzt wird, wird nicht wirklich toll ausgeführt. Alles geht zu schnell, ist zu einfach. Und die Zombies, die vorher Käfer waren, stehen nun immer noch in der Ecke der Höhle herum. In die Höhle zu kommen, war zu einfach. Baila nutzt ihr Potential auch nicht.
- Die Vorurteile und der Hass in dem Dorf werden nicht deutlich genug. Milva müsste viel mehr in Gefahr sein, weil sie anders ist. Zenobius müsste das auch beim Handeln auf dem Markt merken. Der Markt in Svyven ist ganz anders, als der Markt in dem Fischerdorf. Das Dorf braucht einen Namen.
- Eine Übung, die ich über das Raumschiff der Extremisten geschrieben habe, könnte ich nun tatsächlich in meine Rohfassung einbinden. Es würde passen!
- Das Böse wird generell nicht deutlich genug gezeigt. Die Helden müssen fast nichts tun, um etwas zu erreichen. Es gibt kaum Konflikte und die werden zu schnell gelöst. Ursache und Wirkung wird nicht deutlich genug gezeigt.
- Das Käferschiff muss früher ins Spiel gebracht werden, damit man daraufhin fiebert, dass er es endlich repariert.
Und nun, was ich heute gelesen habe und was ich für die Geschichte mitnehme aus „20 Masterplots“:
Eine Geschichte besteht aus drei Teilen (Anfang, Mitte und Schluss)
Anfang: Drama, Geheimnis, erster Anhaltspunkt zum Geheimnis, Initialhandlung, Problem, dass gelöst werden muss. Eine Figur sehnt sich nach Glück oder Unglück. Die Figur handelt, weil sie etwas will. Die Figur hat eine Motivation, die alles andere in Gang bringt. Ursache und Wirkung bestimmen den Plot.
Mitte: Gefahr, Geheimnis, zweiter Anhaltspunkt zum Geheimnis. In der Mitte verfolgt die Figur ihr Ziel. Handlungen resultieren aus dem, was die Figur sich wünscht. Doch es gibt Hindernisse und unerwartete Wendungen. Wendungen erzeugen Spannung und Konflikt. Wendungen verändern den Weg der Figur. Ohne Konflikte oder Hindernisse entsteht keine Spannung. Beziehungen verändern sich. Eine nicht umkehrbare emotionale Veränderung. Keine Wunder, nur das, was möglich ist. (Unsterblichkeit kommt ziemlich oft vor ???). Es gibt normal zwei Wendungen (Plot-Points).
Schluss: Ausmaß der Gefahr, Geheimnis. Höhepunkt und absteigende Handlung. Lösungen. Der Schluss ist das logische Ergebnis aller Ereignisse.
Die Anhaltspunkte bestehen aus W-Fragen: Was, Wer, Warum.
Weitere Gedanken dazu:
- Melli hat einen Kriminalfall, den sie lösen muss. Ihren eigenen Tod. Doch sie erinnert sich falsch. Warum, wird niemals aufgeklärt. Außerdem ist sie gar nicht tot, sondern liegt verwandelt auf dem Grund des Ozeans. Ist der Plot Figurengetrieben, was ich stark glaube, muss Melli sich weiterentwickeln. Sie wird sich als Opfer von Gewalt immer für die Gerechtigkeit einsetzen.
- Das ist noch eine Sache, die mich stört. Warum kämpfen alle um Veronikas Freilassung, wenn sie zu niemandem auf dem Raumschiff wirklich eine Beziehung hat? Milva hat sie weggegeben, aber Veronika kennt sie gar nicht. Und auch Tombom, der Hüter der Larven, er war der erste, der sie weggegeben hat.
- Veronika hat keinerlei Beziehungen zu den Kindern aus dem Kinderheim. Es wäre besser, wenn sie diese kennen würde. Aber wie sollte das möglich sein? Vielleicht wenn Veronikas Reise gefährlicher ist, als bisher? Sie könnten gefangen werden und ins Heim gebracht werden. Das Heim jedoch vermietet die Kindern an die Silbermiene, wo ihr (angeblich) leiblicher Vater arbeitet. Das wäre eine gute Wendung. Dort könnte sie ihre (angebliche) Familie kennen lernen. Auch Katharina war im Kinderheim und kennt die Minenarbeit. Sie lief weg.
- Auch was mit den Schweinen passiert und auf welche Weise die Menschen auf Noona reagieren, ist nicht wirklich gut gelöst. Es gibt viel zu überarbeiten, damit es ein gutes Buch wird.
Ich glaube, dass ich nicht überarbeiten kann, bevor ich nicht von jeder wichtigen Figur einen chronologischen Lebenslauf auf der Zeitleiste meiner Geschichte erstelle.
Die Geschichte umfasst aber mindestens 2528 Jahre. So gesehen ist Unsterblichkeit eine logische Folge von allem, was in der Geschichte passiert. Lebendige Kristalle, die einem Wünsche erfüllen oder einen wahnsinnig machen, eine skrupellose Gentechnikerin (aber ohne Ausrüstung nach dem Vulkanausbruch) und ein mächtiger Oktopus, der aus Schweinen und anderen Lebensformen seine eigenen Untertanen formt.
Immerhin gibt es eine Menge Geheimnisse in der Geschichte, aber die müssen sorgfältiger aufgebaut werden. Es gibt kaum Anhaltspunkte. Alles scheint aus dem Nichts zu entstehen. Aber dafür ist es ja auch eine Rohfassung.
ZITAT:
„Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt, doch ist es hilfreich zu wissen, wohin die Reise geht. Das heißt nicht, dass Sie jeden Schritt des Weges kennen. Schreiben ist stets voller Überraschungen, voller unerwarteter Wendungen, die der Autor nicht vorhergesehen hat. Das ist ein Teil des Vergnügens beim Schreiben. Doch die meisten Autoren haben ein Ziel im Kopf. Sie wissen, wohin sie wollen, auch wenn sie nicht genau sagen können, wie sie dorthin gelangen.“
So habe ich das auch empfunden. Schreiben macht Spaß. Je mehr man von Anfang an alles durchplant, desto weniger Spaß macht dann das Schreiben. Es wird hölzern.
Statt in der ersten Szene einfach zu akzeptieren, dass es eine Zeitmaschine gibt, wird das nun zum Ziel der ganzen Geschichte. Natürlich will jemand, der John Zeitvogel heißt, der von einem Wissenschaftler adoptiert wurde, der schon an Zeitreisen gearbeitet hat und eine Akademie gründete, dessen Welt zerstört wird und der heraus findet, dass er ein Alien ist mit der potentiellen Fähigkeit, Welten zu erbauen, am Ende eine Zeitmaschine haben. Aber eine Zeitmaschine zu bauen, darf und kann nicht so einfach sein. Immerhin das habe ich richtig gemacht.
Aber wieso heißt Meister Gunna dann nicht Zeitvogel? Woher kommt der Name? Es stand auf seinem Strampler, mit dem er gefunden wurde? Warum wird er immer noch so genannt? Hat er nicht den Namen seines Adoptiv-Vaters angenommen (John Gunnar). Das würde die Geschichte wirklich kompliziert machen und zum Drama.
Überarbeiten ist schwer. Aber eines steht fest. Bevor ich meine passiven und faulen Verben verbessere, muss ich den Inhalt, also den Plot überarbeiten. Ich hab jetzt schon, nach dem ersten Gedankengang, Veränderungen auf meiner Agenda, die einige Wochen dauern werden, wenn nicht länger.
Um den Überblick nicht zu verlieren, sollte ich tatsächlich erst einmal eine Zeitleiste herstellen und die Figuren-Persönlichkeiten mit Lebenskauf schreiben. Ich hab viele Figuren. Es sind viele Jahrhunderte. Aber das muss ich zuerst machen.
Plan für den Winter:
1. Figuren Charaktere festlegen (konkretisierend, der Handlung dienend)
2. Zeitleiste der Ereignisse erstellen, eigen Zeitleiste für die Zwischenwelt
3. Lebensläufe auf der Zeitleiste verankern
4. Plot im Text vervollständigen (oben genannte Änderungen einfügen)