Wenn ich nicht schreibe

dann degeneriere ich. Es ist wirklich so. Es hat leider sehr lange gedauert, bis ich mich endlich wieder hingesetzt habe. Ganze 10 Tage.

Es ist die 24ste Übung und das Ende der 30sten Woche. Noch 6 Übungen muss ich einholen, um in diesem Jahr auf den normalen Stand zu kommen. Heißt, das zu erreichen, was ich mir vorgenommen habe. Jede Woche eine Übung.

Nicht ganz so einfach, in der Hochsaison. Schließlich muss ich auch noch mit irgendwas Geld verdienen. Und bei der Hitze und mit Hüftschmerzen diese Arbeit zu machen, obwohl ich bei der Sonne nicht mal raus gehen dürfte, ist auch sehr schwer.

Ich brauche die Geschichte und die Geschichte braucht mich.

Es wird langsam ziemlich lang und kompliziert, aber ich habe noch nicht den Überblick verloren und noch nicht aufgegeben. Immer wieder fällt mir was ein. Inzwischen kann ich einschätzen, wie lang das Ganze mal werden wird, wenn es bei 52 Übungen bleibt. Dann werden es wohl ca. 200 Seiten. Beim überarbeiten werde ich vermutlich erst verlängern, dann wieder streichen. Man kann manche Sachen schöner schreiben. Aber ich mache nicht mehr den Fehler zu überarbeiten, bevor die Rohfassung ganz fertig ist.

Natürlich kann man daraus auch gut einen Endlos-Roman machen. Schließlich geht es um Zeitreisen, was sich sehr gut für Serien und Fortsetzungsromane eignet. Ich stelle mir jetzt immer mal wieder vor, dass ein Zeichentrickfilm daraus wird. So eine Art Manga würde gut passen. Wenn eine Verfilmung mit menschlichen Schauspielern stattfindet, dann wäre wohl eine Bollywood-Verfilmung am besten.

Gestern hab ich den Tag mehr oder weniger verschwendet. Aber es ist noch früh. Ich kann später vielleicht noch einen Teil schreiben, falls mir was dazu einfällt, wie es weiter geht. Im Hinterkopf hab ich schon eine Szene für Veronika im Kopf. Mal sehen.

 

Das Böse

Rudolf Schauer alias Pepe Gunnar bewegte mühsam seinen Arm. Er hoffte so sehr, dass er nicht schon in einem Sarg lag. Das war eine sehr gute Strafe, die Nuvet Stuts sich da ausgedacht hatte. Hätte Pepe ihm gar nicht zugetraut. Er schien nun richtig sauer zu sein. Pepe musste unwillkürlich etwas grinsen.

Pepe versuchte, diesen Körper dazu zu bringen, seinen Befehlen zu gehorchen, doch er war sehr schwach, weil er eine Menge Blut verloren hatte. Als es ihm schließlich gelang, die Decke, die jemand über ihn gelegt hatte, beiseitezuschieben, sah er, wo er war. Er stand in einem Waldabschnitt, sehr versteckt im Schatten, doch durch die Bäume hindurch konnte er Häuser sehen und die Geräusche einer Stadt hören. Er nahm sich eines von den Seilen, die auf dem Karren lagen und band sich das Bein ab. Da endlich hörte es auf, zu bluten.

Was hatte dieser Mensch getan, dass man ihn nicht medizinisch versorgte, sondern einfach krepieren ließ? Er kam im Moment noch nicht an seine Erinnerungen heran, aber später würde er es noch einmal versuchen. Jetzt musste er erst einmal sein erbärmliches Leben retten. Und das erbärmliche Leben dieses anderen.

Pepe sammelte sich. Vermutlich tat er das Gleiche wie ich, dachte er dann und rappelte sich hoch. Wackelig ging er zum Waldrand und spähte durch das Gebüsch in die Stadt hinein. Da war eine Arztpraxis! Also doch! Man hatte ihn retten wollen. Immerhin ein Lichtblick. Vielleicht würden gleich die Sanitäter angerannt kommen!

Diese Stadt sah nicht aus, wie eine moderne Stadt, wie er sie kannte. Es gab keine Autos, nicht mal Fahrräder, es gab keine modernen Lampen, Leuchtreklamen oder Verkehrsschilder. In was für einer rückschrittlichen Provinz war er denn hier nur gelandet? Er beobachtete nun, wie eine alte Frau die Arztpraxis betrat. Er hörte sie dann mit einem Mann streiten.

Es ging um einen Kristall! War das etwa ein Zeitkristall? Wenn er noch einmal an einen dieser Kristalle herankommen könnte, dann könnte er sich retten. Er wusste noch nicht wie, aber mit etwas Forschung und Fleißarbeit könnte er sich retten. Er würde den Fluch aufheben und lernen, diese Strudel so zu kontrollieren, dass sie ihm genau dahin brachten, wo er sein wollte.

Er beobachtete nun, wie die alte Frau mit dem Arzt um den Kristall kämpfte. Ja, er wusste selbst, welche Wirkung diese Kristalle auf die Psyche einen Menschen haben. Man will sie besitzen, denn damit fühlt man sich als ein fester Bestandteil dieser Welt und nicht als etwas, was still vergeht und dann einfach vergessen wird. Die Alte schlug mit einem großen Stab auf den Kopf des Arztes ein, der ohnmächtig zu Boden fiel. Der Kristall flog ihm im hohen Boden aus der Hand und landete genau vor Pepes Füßen. Doch der war zu schwach, um sich zu bücken und wegzurennen. Er sah die Alte auf sich zukommen. Vielleicht würde sie ihn töten, aber vielleicht war dieser Körper seine beste Gelegenheit, um an einem Kristall zu kommen! Er war auch zum kämpfen zu schwach. Im Hintergrund sah er einen riesigen Vogel, dessen Oberkörper der einer Frau war, die aber wieder einen Vogelschnabel besaß und damit Blätter von einem Baum pflückte. Nein, er würde nicht kämpfen. In was für einer Welt war er hier nur gelandet? Fabeltiere?

Als Pepe sich noch darüber wunderte, stand die Alte schon direkt vor ihm und bückte sich nach dem Kristall.
„Grüß dich, Pepe Gunnar!“, sagte sie, „Grüß mir die Echsen, falls du sie mal wieder siehst und sag ihnen, dass ich mir meinen Teil der Zwischenwelt wieder zurück erobern werde! Und an einen Kristall wirst du nie wieder herankommen. Nicht, wenn ich es verhindern kann!“

Er wollte etwas sagen, was die Alte dazu bewegen würde, ihm zu helfen, aber da hatte sie ihn schon niedergeschlagen. Er erwartete, dass er ohne Übergang direkt in einen anderen Körper gespült wurde. Aber das passierte nicht. Als er wieder zu sich kam, war sein Bein versorgt und er saß gefesselt in der Arztpraxis auf einem Stuhl. Neben ihm gefesselt auf einem zweiten Stuhl der Arzt. Er hatte eine große Beule am Hinterkopf und blutete leicht.

„Komm schon Milvia Rosenstock. Du kannst mich nicht ewig hier festhalten. Irgendwann werden Leute kommen und dann wirst du dich verantworten müssen!“, sagte der Arzt.
„Ubald Trosse! Dass jemand, der so wenig von Heilung versteht, wie du, sich Arzt schimpfen darf. Das ist eine Frechheit. Und ich habe vor Deinen Leuten keine Angst. Meine Harpyie wird sie schon fernhalten, glaubst du nicht?“
„Was ist mit meinen Patienten? Ich habe ein Mädchen im Hinterzimmer, dass meine Hilfe braucht!“
Milvia schüttelte ihren Kopf.
„Ubald. Sag mir doch einmal, wie man mich nennt…“
„Man nennt dich die alte Seherin.“
„Und was bedeutet das wohl?“
„Es bedeutet, dass…“
Ubald seufzte. Er gab es auf. Milvia konnte man nicht anlügen. Und er konnte das schon gar nicht, waren sie doch früher in der Schule ein Paar gewesen. Was war nur passiert? Er konnte nur noch stottern und bedauern, wie das alles gelaufen war.
„Ich…, ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Ich wollte nur unser Dorf schützen. Das musst du mir glauben!“
„Sie ist nur eines von deinen Opfern. Wie viele junge Frauen hat deine Hetze noch getötet?“
„Es waren nicht meine Leute, es waren Bergleute, betrunkene Bergleute. Bitte, du musst mir glauben. Es gibt nur ein Volk bei uns, dass fremdenfeindlicher ist, als wir hier und dass sind die Bergmenschen!“
Milvia schaute ihn eindringlich an. Sie wusste, dass er nicht log. Zumindest dachte er selbst, dass es die Wahrheit war. Sie wollte nicht noch mehr Zeit verlieren.
„Ich werde dir sagen, wie es weiter geht. Ich werde sie heilen. Sie ist nämlich unsere neue Königin.“
„Unsere Königin?“, platzte Ubald überrascht heraus.
„Unterbrich mich nicht. Sie ist nicht Deine Königin, aber meine. Sie ist die Königin des Waldvolkes, dass auch dank deiner Hetze fast ausgestorben ist. Die meisten umgebracht von meuchelnden Banden, die wie Gesetzlose durch die Gegend streifen und nach neuen Opfern suchen. Sie bringen alles um, was nicht so ist wie sie selbst und manchmal sogar ihre eigenen Leute. Weil sie so unglaublich dumm sind! Und weißt du, wer der Anführer dieser Banden war? Dein missratener Sohn.“
Ubald riss erschrocken die Augen auf.
„Wieso war? Oh mein Gott, was hast du mit ihm gemacht?“
„Ich habe gar nichts mit ihm gemacht, aber, na ja, was soll ich sagen. Meine Harpyie hatte hunger.“
Sie lachte. Sie war so froh, dass sie zwar die Gedanken anderer sehen konnte, aber niemand ihre Gedanken erriet. Sollte er sich ruhig Sorgen um seinen Sohn machen. Die Wahrheit würde ihm genauso wenig gefallen. Denn sein Sohn hatte sich auf eine lange Reise gemacht, um in das Land der Ozeane auszuwandern, auf der Suche nach Reichtum, Schätzen und Freiheit. Er konnte sich mit dem rückschrittlichen Weltbild seines Vaters nicht mehr identifizieren, seit dem er herausgefunden hatte, dass er Halbelfe war. Sie spürte, dass er mit seinem Boot gekentert und von dem großen Oktopus, dem König der Meere, eingesammelt worden war. Ja, dieser Oktopus sammelte die Seelen der Toten, wie andere Leute Brillanten und Schmuck. Doch ihrer Autorität diente es mehr, wenn sie sagte, dass ihre Harpyie ihn gefressen hatte.

Während Ubald wimmerte und um seinen Sohn trauerte, betrat sie endlich das Hinterzimmer, in dem Katharina lag. Den Kristall hatte sie fest mit ihrer Hand umfasst. Die Stelle am Kopf war fast verheilt. Merkwürdig. Und doch war sie bewusstlos. Neben dem Bett stand eine Flasche mit Medizin. Sie war nicht beschriftet. Sie nahm das Fläschchen hoch und roch daran. Verdammt! Warum hatte sie das nicht sehen können? Er hatte wohl ihre Wunden versorgt und ihr Medizin gegeben, aber er hatte sie auch vergiftet, um sie in ein Koma zu versetzen.

„Was hast du mit ihr gemacht? Was hattest du vor? Du verdammter Schuft! Ist es schon so lange her, dass wir beide uns geliebt haben?“
„Das musst du sagen. Du hast unseren Sohn einfach einem deiner Viecher zum Fraß vorgeworfen!“
„Das war gelogen.“
„Also lebt er? Karol lebt?“
„Nein, er ist auf einer Schiffsfahrt ertrunken.“
„Verdammt Milvia. Warum?“
„Du weißt sehr wohl warum. Du hast ihn mit deiner Fremdenfeindlichkeit erdrückt. Er wollte fort! Wie soll er denken, dass du ihn liebst, wenn er Halbelfe ist?“
„Also war das alles erfunden? Das er die Banden angeführt hat?“
„Nein, er hat wirklich versucht, deinem Beispiel zu folgen. Aber damit hast du ihn zerstört. Du hast seine Seele zerstört und nun ist sie für immer verloren.“
„Ich denke, er wird als Halbelfe doch in die Zwischenwelt gebracht, oder?“, wimmerte er.
„Plötzlich ist eine andere Kultur für dich wichtig. Du bist so erbärmlich. Nein, diese Zwischenwelt existiert gerade nicht mehr. Es gibt eine erhebliche Störung dort. Alles wurde auseinander gerissen und falsch wieder zusammen gesetzt. Und daran ist dieser Mann schuld!“
Sie hatte sich so plötzlich zu ihm umgedreht, dass Pepe zusammenzuckte. Nun zeigte sie mit ihrem alten Finger auf ihn und ihr Gesicht war voller Zorn. Er fragte sich, warum sie seine Wunde versorgt hatte. Warum hatte sie ihn nicht einfach sterben lassen? Natürlich wusste sie sofort, was er dachte und antwortete:
„Ich habe dich nicht sterben lassen, weil ich nun die Chance habe, dich zu kontrollieren. Wärst du gestorben, dann hätte dich der Fluch des Echsenmenschen in den nächsten Körper gebracht. Pepe. Du strebst immer nur nach Macht und damit hast du unglaublich viel Schaden angerichtet. Und wenn ich die Chance kriege, das wieder gut zu machen, was du angerichtet hast, dann mache ich das. Aber dafür musst du von den Einflüssen des Kristalls befreit werden.“
Pepe überlegte, was das zu bedeuten hatte. Im Moment war der Einfluss des Kristalls noch groß, aber was würde passieren, wenn der Einfluss weniger würde? Würde das bedeuten…?“
„Ja genau Pepe, wenn der Einfluss des Kristalls verschwindet, dann stirbst du mit diesem Körper! Dann ist alles so, wie es sein soll, auch wenn das nicht deine Zeit und auch nicht deine Welt ist, aber das hast du dir selbst zuzuschreiben! Jemand wie du kann mit Unsterblichkeit nicht umgehen!“
Nun ging sie in den Wald, um ein Gegenmittel zu suchen.
Pepe versuchte, seine Fesseln zu lösen. Die Medizin der Alten Milvia hatte gut geholfen, erfühlte sich unglaublich stark. Das war sicher nicht ihre Absicht gewesen. Als Ubald sah, dass Pepe sich schon fast befreit hatte, begann er zu betteln:
„Bitte, tu ihr nichts. Sie bringt es wieder in Ordnung und man wird dir verzeihen! Ich rede mit ihr!“
Pepe hatte keine Zeit für so etwas.
„Es sieht nicht so aus, als hättest du viel Einfluss, mein Lieber! Gibt es hier einen Hinterausgang?“
Ubald nickte und deutete mit dem Kopf in eine Richtung. Pepe verschwand. Das Bein war so stramm bandagiert, dass er es hinter sich her ziehen musste, aber er würde entkommen.

Zenobius hatte das dicke Buch eingepackt und sich auf den Weg in das Fischerdorf gemacht. So weit war es gar nicht. Er sah die Häuser von weitem schon. Mivia hatte ihm nur Angst machen wollen. Es stimmt, er hatte viele Tiere des Waldes getötet. So wie die Menschen, an dessen Lebensweise er sich unbedingt anpassen wollte. Er sah den Tieren in die Augen, traurig und tief wie der Ozean, er konnte fühlen, was sie fühlten, hören, wie sie innerlich um Hilfe schrien, und doch erhob er dann das Messer gegen sie und zog ihnen das kostbare Fell ab, nachdem er sie getötet hatte. Als er spürte, dass der magische Hintergrund, die kulturelle Zwischenwelt der Elfen langsam verschwand, da wurde er ängstlich. Er fing an, sich anzupassen, um nicht eines Tages selbst zur Beute zu werden. Die Wahrheit war, dass er Katharina nicht alleine gelassen hatte. Er war hinter ihr her geschlichen. Er hatte gesehen, wie sie mit den Tieren und Pflanzen redete und hatte Neid und Ehrfurcht gefühlt. Er hatte auch gesehen, wie sie im Dorf angegriffen wurde. Und hatte ihr nicht geholfen. Stattdessen war er fortgerannt und hatte sich in der nächstbesten Kneipe betrunken. Wie ein Mensch. Er war feige wie ein Mensch. Er war bösartig wie ein Mensch. Er war neidisch wie ein Mensch. Hinterhältig, goldgierig und verlogen. Die alte Milvia hatte recht. Er war es nicht wert, ein Elf zu sein.

Zenobius setzte sich auf einen Baumstamm. Die schmerzende Selbsterkenntnis hatte ihm die letzte Kraft geraubt. Er verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen und fing an, bitterlich zu weinen. Er hörte nicht, wie sie sich lautlos näherten. Das Wolfsrudel umkreiste ihn in sicherer Entfernung. Sie rochen die Felle ihrer getöteten Kinder, die er noch in seinem Rucksack mit sich trug. Und sie beobachteten ihn. Sie spürten, dass sich etwas in ihm veränderte. Abermals. Er wurde langsam wieder ein Teil dieses Waldes und das bereitete ihm Schmerzen.

Pepe Gunnar hetzte inzwischen humpelnd durch den Wald. Er wusste nicht, in welche Richtung er fliehen sollte, doch er musste aus dem Einflussbereich dieser Frau heraus. Fabeltiere. Elfen. Die Kristalle. Der große Oktopus, der König des Ozeans, der Seelen fängt? Das war nicht seine Welt und auch nicht seine Zeit, hatte sie gesagt.

Während er floh, kam er endlich an die Erinnerungen dieses Körpers heran. Nun sah er, was für ein Mensch Rudolf Schauer gewesen war. Was er mit seiner Stieftochter gemacht hatte. Er musste sich übergeben. Das war schlimmer, als einfach nur ein Mörder zu sein! Er sah aber auch, dass sie geflohen war. Er sah seine Frau mit dem Gewehr auf ihn schießen. Er sah den Schatz, den sie vor ihm vergraben hatte. Mit so einem Schatz könnte er besser fliehen. Er könnte sich ein Labor kaufen. Er könnte sich eine Maschine bauen. Aber zuerst musste er sich irgendwie eine Waffe besorgen. Und er musste aus diesem verdammten Körper heraus!

 

 

Ahnungslos in Gefahr

Veronikas leiblicher Vater war ein netter, sehr großer und blonder Mann. Sein Name lautete Ziliax Kudora. Hier waren noch vier andere Männer, die ebenso merkwürdige Namen hatten:

Der erste, der links von Veronika saß, hieß Loxix Jixotit. Er war ein sehr breit gebauter Mann, der sogar noch größer war, als all die anderen großen Männer. Er konnte sicher gut arbeiten, Kisten schleppen und so, dafür schien er etwas dämlich zu sein. Ihr Vater flüsterte ihr zu, dass er einmal in der Miene einen großen Brocken Stein auf den Kopf bekommen hatte. Es war ein riesiger, roter Kristall gewesen. Zuerst sah es so aus, als sei er tot, doch dann wachte er wieder auf und arbeitete einfach weiter. Seitdem, flüsterte der Vater, stimmte etwas mit ihm nicht. Sie solle sich von ihm fernhalten. Und besonders seine kleine Freundin sollte sich von ihm fernhalten.
„Er liebt es, kleine Tiere zu quälen“, erklärte Ziliax seiner Tochter.

Der Nächste war Hakag Heko. Ein kleinerer Mann mit einem sehr großen, nach vorne gestrecktem Bauch. Seine Hose blieb kaum mal an seiner Taille und rutschte immer herunter. Vielleicht darum hatte er die Angewohnheit, vollkommen ohne Hose herumzulaufen, und er rülpste andauernd. Dieser Mann sei verfressen, aber größtenteils harmlos, erklärte Ziliax. Er würde ihre kleine Freundin nicht quälen, wohl aber schlachten und verspeisen, wenn sie nicht aufpasse.

Veronika schaute ab und zu zu Noona herüber, doch die konzentrierte sich darauf, die Tierseelen aus dem Essen zu fangen. Sie hielt ihre Flasche in der Hand, und schien nicht zugehört zu haben.

Der Nächste war Zukad Xur. Als einziger hatte er fast rötliche Haare und eine außergewöhnlich spitze und lange Nase. Auch war er nicht so breit, wie die anderen, sondern lang und dünn. Er sei der Edelstein-Spezialist, erklärte Ziliax. Er hätte einen sicheren Riecher, wo im Berg Edelsteine zu finden seien. Er trug eine lange rote Mütze, die er sich über die Ohren gezogen hatte und er hatte eine Narbe im Gesicht, die vom einen Ohr zum Kinn ging und noch relativ frisch aussah. Niemand wusste, woher diese Narbe stammte.

Veronika schaute den Mann an. Etwas, in seinen Augen, sah furchtbar gequält aus. Seine Augenbrauen waren buschig und rot.

Der Vierte war Nelox Mehexi. Von allen Männern hier war er der kleinste. Er war fast so klein, wie eine der Frauen, die es hier selbstverständlich auch gab. Sie kamen des Abends aus der Miene, wo sie den ganzen Tag gearbeitet hatten. Ihre Namen waren Xepo, Xepu, Cixo, Xusa, Kuj und Fejuxo, die nur ein Auge hatte. Während sie die wertvollen Steine, Kristalle, Metalle und Edelsteine mit Fingerspitzengefühl aus dem Felsen schlugen, legten die Männer sie in große Eisenwagen und schleppten sie nach draußen, wo sie gewaschen und weiter verarbeitet wurden.

Nelox Mehexi hatte sehr dünne Haare und sehr blasse Haut. Er war glatt rasiert und konnte als Einziger schreiben. Hinten hatte er seine Haare zu einem langen dünnen grauen Zopf geflochten, während er oben auf dem Kopf fast eine Glatze hatte. Er war der Älteste.

Hier fühlte Veronika sich endlich nicht mehr fehl am Platz und wie eine überdimensional große Missgeburt. Hier fühlte sie sich zugehörig. Sie und Noona saßen bald am Lagerfeuer mit den Männern und hörten dem lauten Schmatzen und den Gesprächen zu. Sie hatte natürlich Angst um Noona, denn sie begriff schnell, dass Andersartigkeit auch unter diesen Männern und Frauen etwas war, was gefährlich werden konnte. Darum blieb sie immer sehr nah bei ihr sitzen und versuchte sie auch in die Gespräche mit einzubinden, damit alle sahen, dass sie ganz normal war. So normal es eben ging.

Ein ganz normales Wesen aus dem Meer, dass von einem mächtigen Oktopus geschickt wurde, dass sich verwandeln und Seelen mit einer kleinen goldenen Flasche fangen konnte. So normal.

„Deine Freundin ist so klein wie ein Fisch. Gerade mal ein Happen!“, sagte Hakag Hekon und alle lachten. Dann rülpste er sehr laut und lange und forderte sie auf:
„Erzähl uns mal die Geschichte, wo ihr euch kennen gelernt habt! Du und Dein Fisch! Und wie hast du es geschafft, dass du sie nicht einfach aufisst aus Versehen?“
Veronika zog die Schultern hoch und sagte leise:
„Ich hatte Hunger. Sogar sehr oft. Aber wenn ich sie aufgegessen hätte, dann wäre ich alleine gewesen und hätte es gar nicht bis hierher geschafft. Sie hat mir das Leben gerettet. Sie, meine Schweine und ein weißer Wolf.“
Die Männer und Frauen machten große Augen und wo vorher noch spottendes Gemurmel war, wurde es nun sehr plötzlich sehr still.
Ziliax mischte sich nun ein.
„Ich glaube, meine Tochter hat noch viel mehr zu erzählen. Zum Beispiel warum sie ganz alleine hier herumirrt, ich meine nicht ganz alleine, mit so einem Wesen und ihren Schweinen, aber ohne ihre Mutter!“, sagte Ziliax vorwurfsvoll.

Alle starrten nun Veronika an und es war an ihr, ihre Geschichte zu erzählen. Sie fühlte sich jedoch plötzlich sehr unwohl und konnte nur noch auf den Boden starren.

Noona schaute sie an. Sie begriff, was hier los war und schraubte ihre Flasche zu. Die Seelen dieser Tiere waren schon lange fort. Sie hatte nichts gefangen. Sie setzte sich gerade hin und rückte näher zu Veronika. Um sie zu trösten, legte sie ihre Hand auf Veronikas Knie, die schweigend am Lagerfeuer im Schneidersitz saß und sich schämte. Noona fing an zu reden:

„Veronika ist weggelaufen, weil ihre Mutter ein neues Kind bekommen wird. Ein Kind, was die Mutter lieber haben wird, weil es nicht mit dem Blut von gigantischen Bergmenschen vermischt wurde. Ihr sogenannter Vater wollte außerdem ihre Schweine verkaufen oder schlachten oder beides. Und das konnte sie nicht zulassen. Also lief sie weg. Dann traf sie mich und wir hatten den gleichen Weg. Sie trug mich den Berg hoch, weil ich sehen wollte, woher der Fluss kommt. Und dann aßen wir zusammen und dann waren wir hier.“

Ziliax hatte aufmerksam zugehört. Er sah Noona nicht richtig an, nicht direkt in ihre Augen, weil er sich vor ihrer Andersartigkeit etwas fürchtete. Er sah sie mehr indirekt von der Seite her an. Doch trotz seiner Angst wollte er es genauer wissen.
„Und was war das mit dem Wolf und den Schweinen und warum musste jemand dir das Leben retten, Veronika?“, fragte er.

Veronika traute sich endlich, wieder aufzuschauen, und antwortete:
„Ich war am ertrinken. Ich bin ins Wasser gefallen. Oder vielmehr Kasimir ist ins Wasser gesprungen und ich wollte ihn wieder heraus holen. Aber Schweine können schwimmen, nur ich leider nicht und das wusste ich nicht. Ich durfte niemals an den Fluss gehen und es hat niemals jemand mit mir schwimmen geübt.“

Ziliax nickte zufrieden.
„Gut!“, sagte er und dachte über das gehörte nach.

„Schweine können schwimmen?“, fragte Hakag Heko überrascht.
Noona nickte.
„Sie sind die heiligen Tiere. Wenn sie sterben, fangen wir ihre Seele und dann wird aus jedem Schwein ein Noona, so wie ich.“

„Du bist eines dieser Wasserwesen, stimmts?“, fragte Ziliax nun. Dabei schaute er Noona für eine ganz kurze Zeit direkt in die Augen. Danach wurde ihm schwindelig und er rieb sich seine Augen und versuchte sich wieder normal zu fühlen. Diese Augen waren so tief. Er hatte nie gedacht, dass diese Wesen sprechen können. Wie viele hatte er von ihnen gesehen, als er auf hoher See als Matrose gedient hatte, um sich diese Miene zu kaufen? Und wie oft hatte er eine von ihnen gegessen? Er fühlte sich nun unglaublich schuldig und ihm wurde schlecht. Das war, als hätte er ein Kind gegessen!
„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Noona mit gutmütiger Stimme.
„Wenn wir einmal Noonas sind, dann wird unsere Seele unsterblich. Der große Oktopus, unser König, bewahrt sie in einer solchen Flasche in seinem Thronsaal auf und kann uns wiederbeleben, so oft er das will.“
Zilius starrte sie an. Er schien zugleich schockiert zu sein, dass sie seine Gedanken lesen konnte und erleichtert.
Hakag Heko wurde neugierig:
„Das heißt, wir könnten dich unendlich oft essen, du würdest danach immer wiederkehren, mit den gleichen Erinnerungen und dem gleichen Wissen?“
Noona nickte.
„Aber bitte tut das nicht“, sagte sie vorsorglich, „es wäre nicht nett. Und der Oktopus erfährt alles, was ich weiß, wenn meine Seele zu ihm zurück kehrt.“
Loxix schaute sehr dumm aus der Wäsche und fragte dann:
„Wie kehrt ihr zurück?“
„Über das Wasser“, antwortete Noona, „Wasser ist überall und fließt überall hin. Es ist die Art, wie Seelen transportiert werden.“
Fejuxo, die Einäugige mischte sich nun in das Gespräch ein:
„Werden auch die Seelen von Vögeln über das Wasser transportiert?“
Noona zog die Schultern hoch.
„Das weiß ich nicht. Ich kenne keine Vögel.“
„Mir hat nämlich mal ein Vogel das Auge ausgepickt und dann habe ich ihn getötet.“
Ziliax hatte eine Weile still zugehört. Nun fragte er:
„Ich habe noch nicht verstanden, was mit dem weißen Wolf war und warum hat Kasimir dich gerettet? Er hat dich wohl eher in Gefahr gebracht, oder? Und wie hat Noona dich gerettet?“
„Ich habe nichts getan!“, sagte Noona, „Die weiße Wölfin hat Veronika aus dem Wasser gezogen. Und Kasimir. Ich bin dazu in meiner Schwimmform viel zu schwach.“
„Du hast eine Schwimmform?“, fragte Nelox Mehexi, „Können wir die mal sehen?“
„Jetzt nicht. Ich kann dann nicht mehr laufen und Veronika muss mich tragen. Sie soll sich ausruhen. Ich möchte später in die Miene und sehen, woher die Kristalle kommen. Sie sind sehr wichtig für meinen König.“
Loxix fing an, blöd zu lachen. Dann schrie er laut: „Ich will das aber sehen! Ich will die Flossen sehen!“
Dann setzte er sich hin wie ein kleines Kind und schlug mit seinen Fäusten auf seine Beine. Dabei wiederholte er unaufhörlich:
„Flossen! Flossen! Flossen!“
Bald machte die ganze Gruppe ihm das nach. Veronika und Ziliax rückten zusammen.
„Du musst keine Angst haben!“, flüsterte er.
Noona hob die Hand. Augenblicklich wurde es still.
„ich kann euch zeigen, wie ich mich verwandele, aber nur, wenn ihr mir versprecht, dass ihr mich nicht auffressen werdet!“, sagte sie.
Fejuxo schaute sie skeptisch an:
„Warum hast du solche Angst, wenn du doch unsterblich bist, kleines Ding?“
Veronika schnellte hoch und brüllte die erwachsene Frau an:
„Vielleicht weil es nicht so schön ist, von dummen Riesen geschlachtet, gehäutet, gekocht und aufgefressen zu werden? Vielleicht darum? Glaubst du, es ist schön, wenn man in einer Welt aufwächst, in der man die einzige ist, die anders ist, als alle anderen? Glaubst du, es ist schön, eine Außenseiterin zu sein, von Leuten nicht verstanden oder gefürchtet zu werden oder wenn sie über einen nur schlechte Sachen denken und dich nur ausnutzen und quälen, Tag für Tag? Glaubst du das ist schön, du hohle Nuss?“
Fejuxo, die Einäugige schaute so verdutzt, dass die Männer sie auszulachen begannen. Veronika sackte in sich zusammen und fing bitterlich an zu weinen. Ziliax nahm seine Tochter in den Arm.
„Das Ding wird in Ruhe gelassen, habt ihr das verstanden? Sonst entlasse ich euch ohne Lohn.“
Loxix, der Dumme, fragte übermütig:
„Wer soll denn dann für dich die Steine da herausholen?“
„Arbeiter finde ich überall. Vielleicht gehe ich nach Shyven und hole mir ein paar Echsenmenschen und Elfen!“
Wieder brach lautes Gelächter aus, dass aber allmählich verstummte, als alle merkten, wie ernst es Ziliax damit war.
Die Gruppe löste sich nun auf, alle zogen sich zurück in ihre Zelte, die im Kreis um das Feuer standen. Bald hörte man nichts mehr, außer den Wind, der auf den Gipfeln der Berge wie ein Instrument spielte und Veronikas schluchzen. Fejuxo kam noch einmal aus ihrem Zelt und reichte Veronika einen kleinen Dolch, der unglaublich kunstvoll verziert war.
„Ein Frauendolch, wenn du verstehst, was ich meine. Hab ich von einem alten Elfen gekauft. Er ist aus purem Silber und besitzt von jeder Farbe einen Kristall: Rot, grün, blau, violett und gelb. Die Kristalle sind magisch. Sie werden dich beschützen, Schwester. Und du wirst es brauchen. Wir Frauen müssen doch gegen die Männerbrut zusammenhalten, oder nicht?“
Veronika nahm den Dolch und nickte:
„Danke Fejuxo. Das ist nett von dir.“
„Nun gehen wir alle schlafen. Ich baue dir und deiner Freundin ein Zelt auf. Es ist auch besser, wenn du deine Schweine mit ins Zelt nimmst, sonst finden wir morgen davon nur noch die Knochen. Ich schlafe immer im Eingang zur Miene. Aber morgen müsst ihr mir unbedingt noch einmal erzählen, wie das mit dem Wolf war, ja?“
Veronika nickte. Sie wartete, bis ihr Vater das Zelt aufgebaut hatte, dann holte sie ihre Schweine aus dem Gatter und setzte sich mit gezücktem Dolch vor den Eingang des Zeltes.
„Wir wechseln uns ab. Ich halte zuerst Wache und dann du“, sagte sie.
Noona nickte. Merkwürdige Angewohnheit, dieses Schlafen. Noona brauchte gar keinen Schlaf. Niemals. Aber sie setzte sich ins Zelt, in den Schatten und unterhielt sich mit den heiligen Tieren. Inzwischen war sie sich sicher, dass sie alles tun würde, um Veronika zu helfen. Sie war so anders, als alle Landwesen, die sie zuvor kennen gelernt hatte. Und sie hatte schon viele kennen gelernt, denn auch wenn Noona aussah, wie ein Kind, war sie doch schon über tausend Jahre alt. Ihr Ziel war es nun, Veronika zu beschützen und zu ihrem König zu bringen. Vielleicht würde ihn das trösten, vielleicht sogar heilen.

Ich habs geschafft, noch was zu schreiben. Bin jetzt sehr müde. Obwohl es schon geregnet hat, ist es sehr heiß. Die Handlung ist jetzt noch komplizierter geworden. Eigentlich hatte ich noch einen Einsturz in der Miene geplant, aber in dem Kapitel heute passte das noch nicht. Auch das mit den Schweinen ist unklar, aber ich lasse es erst mal alles so. Überarbeiten und Rohfassung schreiben muss man streng trennen. Es geht nicht anders. Ich muss endlich aufhören, den selben Fehler immer wieder zu machen. Vielleicht krieg ich dann auch endlich mal was fertig, was länger ist, als ne Kurzgeschichte!