Bei einer Kurzgeschichte merke ich nach ca. 10 Seiten gewöhnlich, dass sie fertig ist. Ich überarbeitet während des Schreibens. Es ist leichter, an jeder Formulierung zu feilen, weil der Überblick nicht so schnell verloren geht. Dann ist halt nur die Frage, ob die Geschichte in ihrer Gesamtheit, so wie sie ist, Sinn ergibt. Ob sie gut lesbar ist und ob es die Menschen interessiert. Und auch hier stellt sich die Frage, ob ich tatsächlich das geschrieben habe, was ich schreiben wollte. Wenn nicht, fange ich eben von vorne an und schreibe nochmal zehn Seiten.
Bei einem Roman geht das nicht so einfach. Da würde ich mir am liebsten irgendein System ausdenken, wie ich den Überblick behalte. Auch wenn ich von Anfang an einen guten Plot habe, brauche ich wahrscheinlich noch viel mehr Übung, um genau das zu schreiben, was ich mir vorgenommen hatte.
Es ist wohl menschlich, dass zuerst der oberflächliche Müll mit raus kommt, wenn man viel schreibt. Das, was einem zuerst in den Kopf kommt, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Manchmal sind es aber auch ausweichende Gedanken. Dinge, die ich schreibe, weil ich Hemmungen habe, mich mit dem eigentlichen Thema zu beschäftigen.
Diesen Müll muss man sich also erst von der Seele schreiben. Das, was unter der Oberfläche lauerte und unbedingt raus wollte. Die ersten, nicht so toll passenden Ideen. Das habe ich zumindest so empfunden. Dann musste ich mir überlegen, ob das in die Geschichte passt. Die Antwort war oftmals leider NEIN.
Glückliche Menschen sind in der Lage, das auch zu erkennen. Bei mir hat es einige Jahre gedauert. Andere improvisieren dann vermutlich so lange, bis sie aus dem, was sie zuerst geschrieben haben, auch etwas Tolles kreieren konnten. Das ist auch zu bewundern. Bei Kurzgeschichten kann man so auch sehr gut ausprobieren, auf welche Arten man sich einem Thema am Besten nähern kann.
Aber auch bei Romanen und selbst dann, wenn man es früher erkennt und nicht die Geschichte erst komplett falsch schreibt, ist eine gewisse Wortverschwendung notwendig. Denn zwischen all dem Müll sind oftmals gute Ideen versteckt, die man sich dann nur da herauspicken muss, und solche Ideen scheinen die Gewohnheit zu haben, nur mit einer Menge Müll an die Oberfläche zu kommen.
Der Grund ist vermutlich, dass Schreiben ein Prozess ist, der Übung erfordert. Wer immer Angst hat, etwas Falsches zu schreiben, wird vermutlich den Spaß daran verlieren und nicht viel fertig bekommen. Ich weiß das, denn so war es bei mir früher.
Es kann aber auch sein, dass Gedanken nun einmal so funktionieren: Viel Müll und dazwischen wertvolle Edelsteine. Dann muss man da halt durch. Manche Leute schaffen es vielleicht, den Müll wirklich nur zu denken und nur die guten Gedanken aufzuschreiben, aber ich gehöre offensichtlich nicht dazu.
Eine andere Sache ist das ewige Aufschieben, auch genannt Prokrastination.
Im Gegensatz zum Roman schreiben, weiß ich inzwischen genau, wie das geht. Wer das noch nicht kennt, kann es ja mal selbst ausprobieren:
–> Nach der Arbeit ist man zu müde, wenn man frei hat, erledigt man aber auch nichts, denn da muss man sich immer noch intensiv erholen. Der Punkt ist, dass man sich auch nicht erholt, wenn man ständig unzufrieden mit sich selbst ist. Im Gegenteil. Es führt zu Stress, Unzufriedenheit und oftmals zu Muskelverkrampfungen im Rücken oder Nacken.
–> Alles scheint plötzlich wichtiger zu sein, als das Ziel oder man redet sich ein, dass man es schnell vorher noch erledigen muss: Aufräumen, Staubsaugen, Fenster putzen, einkaufen oder irgendwelche sinnlosen Tätigkeiten, die man sich extra zu dem Zweck des Aufschiebens gesucht hat: E-Mails tausendmal kontrollieren, Daten kopieren, Betriebssystem neu installieren…
Das ist Quälerei. Auf diese Weise quält man sich selbst, denn man schafft nicht das, was man sich eigentlich vorgenommen hatte, zum Beispiel, einen Roman schreiben, etwas lesen, wirklich wichtige Dinge erledigen. Die Frage ist: WARUM?
–> Bist Du wirklich zu müde von der Arbeit?
–> Warum schaffst Du es nicht, wenn Du frei hast?
–> Glaubst Du, dass Du es nicht verdient hast, Deine Ziele zu erreichen?
–> Willst Du das Ziel vielleicht gar nicht erreichen?
–> Was könnte der Grund sein?
–> Ist es einfach nur schwer für Dich, mit einer Sache zu beginnen?
–> Oder ist es schwer, bei einer Sache zu bleiben und sie zu beenden?
–> Hast Du Angst, dass es ein Misserfolg wird?
–> Hast Du Angst, dass es ein Erfolg wird?
–> Hast Du Angst davor, Dich leer zu fühlen, wenn Du Dein Ziel erreicht hast?
–> Hast Du Angst davor, nochmal viele Seiten zu schreiben und zu erkennen, dass es nicht das war, was Du schreiben wolltest?
–> Sind andere Tätigkeiten für Dich zur Sucht geworden, die Deine ganze Zeit beanspruchen?
–> Treibst Du Raubbau an Deiner Gesundheit und bist darum nicht leistungsfähig?
–> Ist das Aufschieben eine blöde alte Gewohnheit von Dir?
–> Wenn ja, welchen Zweck hatte sie früher?
–> Und was macht es heute mit Dir?
Wie auch immer, die Ursachen liegen in der Psyche. Man muss sich damit beschäftigen und sich Gedanken machen. Zum Glück gibt es eine ganze Menge gute Bücher, die sich mit dem Thema beschäftigen.
Man muss es dann nur schaffen, diese auch zu lesen…