Fehler passieren

Vieles läuft in meinem Leben einfach total falsch. Zum Beispiel hätte ich nicht nachsehen sollen, wie lang die Geschichte nun schon ist. Ich hätte weiter ignorieren sollen, dass daraus überhaupt mal ne Geschichte werden könnte. Es sind Übungen. Wird sowieso nie veröffentlicht und wenn dann nicht gekauft. Wer will schon so ein Zeug lesen? Und schon fange ich wieder an, mich zu kritisieren und verliere den Spaß, den mir meine verrückten Ideen bisher gemacht habe. Die therapeutische Wirkung ist dahin.

Dumm gelaufen.

Vielleicht komme ich wieder rein. Ich muss nur die Gedanken “das könnte ja was werden” wieder vergessen können, damit es wieder Spaß macht. Ob ich das schaffe, weiß ich nicht. Es soll alles schön durcheinander sein. Verrückt. Undurchschaubar. Unplanbar. Meschugge. Völlig abgedreht und merkwürdig. Überraschend.

Es sind Übungen. Übungen. Übungen. Sonst nichts. Kein Anspruch. Kein Plan. Kein Nichts. Übungen für jeden Tag (oder wie es geplant war, einmal die Woche).

Meinem Hals gehts wieder besser. Heute erstes Fango bekommen. Wusste gar nicht mehr, wie das geht. Darf ja auch nicht so heiß sein, wegen meiner blöden Haut. Bin gespannt, wie dann die Einlagen sind und ob ich Mittwoch wirklich schon wieder Rehasport machen kann. Langsam komme ich durcheinander, wann mir was passiert ist. Chemo war 2017, nicht 2018. Die Reha war 2018. Und wann wurde ich dieses Jahr operiert? Im Januar, Februar oder März? Weiß ich nicht mehr, ist mir auch egal. Meine Güte. Chemobrain oder es war schon immer so. Oder Gleichgültigkeit. Ich will es einfach nicht mehr wissen.

Zusätzlich hab ich mein Windows neu aufgesetzt. Hätte mich beinahe nicht mehr einloggen können. Aber ist ja noch mal gut gegangen. Sonst eben alles schnell kopieren und wordpress neu installieren. Hab ich auch schon mal gemacht. Null Problemo.

Neuerdings brummt es bei mir im linken Ohr. Das Piepsen ist auch lauter geworden auf beiden Ohren. Aber das Brummen ist unerträglich. Wenn der Computer an ist, dann wird es vom Lüfter übertönt. Aber wenn ich im Bett liege, dann ist es superlaut. Als würde ich neben einem laufenden Motor stehen. Ich erinnere mich, dass ich das schon mal hatte. Und auch diese Hals-Sache hatte ich schon mal. Alles kommt immer wieder. Die Schmerzen, die Erinnerungen, die Gefühle, die Angst. Und wann kommt das Glück? Bin ich nur zu verwöhnt? Kann ich überhaupt mit Glück umgehen?

Im Moment ist wieder gut, wenn alles schön in der Mitte bleibt. Nicht so toll und nicht so schrecklich. Gleichbleibend normal. Das reicht. Super glücklich muss ich nicht sein. Weiß nicht, wie das geht.

Tinnitus hängt mit dem Körper zusammen. Mit den Gelenken, mit dem Kiefer. Und so weiter. Soll durch Ginko leiser werden. Bezahlt die Krankenkasse sicher wieder nicht. Wozu hat man eine Krankenkasse? Die sorgen nur dafür, dass die Gesundheitsindustrie funktioniert. Und was ist mit mir?

Mein Darm ist nach der Antibiotika-Therapie immer noch sehr instabil. Irgendwie gehts mir gut, aber doch nicht. Und immer, wenn was ist, denke ich sofort, es könnte auch alles wieder schlimmer werden.

Krebs ist eine Erkrankung, die unweigerlich zu einer posttraumatischen Belastung führt. Wenn man es nicht vorher schon hatte, dann garantiert hinterher. Interessiert aber keine Sau. Wenn man raus ist aus dem System, dann wird nur noch Nachsorge gemacht, indem geguckt wird, ob der Krebs nicht doch noch mal wieder kommt.

Man kriegt nicht hinterher automatisch ne Psychotherapie, damit man es besser bewältigen kann oder so. Man muss die potentiellen Patienten ja labil halten, damit sie besser als Opfer funktionieren können in dem großen Spiel der Krebs-Industrie.

Stände ich nun am Anfang der Therapie würden mir solche Gedanken aber nicht helfen, denn man kann sich dagegen im Grunde gar nicht zur Wehr setzen, gegen Leitlinien und Experten. Man muss das nehmen, was an Therapie da ist. Den Knochen nehmen, der einem vorgeworfen wird, oder jämmerlich krepieren.

Naja. Bin heute wieder etwas negativ. Die Leute, die alles gut finden, wie es ist, die sind glücklich. Wer mehr will, als das, was ist, der wird automatisch unglücklich. Denn im Grunde ändert sich nie was. Nicht grundsätzlich. Wie auch, wenn alle zufrieden sind, bis auf die paar Spinner.

Hab heute sonst nichts geschrieben. Buuuhhhhh!

Was soll anders werden:

  1. Gesünder Essen
  2. Mehr Bewegung
  3. Probleme bewältigen
  4. Mehr schreiben
  5. Mehr Spaß, Freude und Glück
  6. Mehr Kontakte
  7. Mehr Achtsamkeit
  8. Mehr Selbstkontrolle
  9. Mehr Disziplin
  10. Mehr Gesundheit
  11. Mehr Wohlbefinden
  12. Mehr Lesen

Mein momentaner Lichtblick sind diese kleinen Rotkehlchen. Das zeigt mir, dass die unscheinbarsten Sachen, wie ein alter, kaputter Baum mit vergilbten Strick-Schal und hässlichem Plastik drum herum, vollgestopft mit rausgekämmten, dreckigen Hundehaaren, zu etwas Wundervollem beitragen kann. Und das sollte das Motto in meinem Leben sein, denn alte, hässliche, dreckige oder kaputte Sachen hab ich echt genug. Das fängt mit meinem Windows an, geht über meine TV-USB-Box, über eine völlig kaputte Welt da draußen und endet dann bei mir im Körper, so dass es sich auf meine Stimmung auswirkt. Und so kann ich es schaffen, aus etwas Tollem dann noch eine Hymne des Jammers zu machen.

Man muss bloß ordentlich jammern, dann geht´s auch wieder mit dem Schreiben. Hab doch noch was geschafft. Zwar nur drei Seiten, aber es ist auch nur ne Übung. Die Neunzehnte Schreibübung in der 28zigsten Kalenderwoche.

19. Katharina im Nirgendwo
Es dauerte sehr lange, bis sie verstand, wo sie war. Aber so richtig verstand sie es nicht. Sie trieb auf dem Wasser eines endlosen Ozeans. Das Wasser war tief und undurchsichtig. Der Anblick dieser Undurchsichtigkeit lies eine enorme Tiefe vermuten und machte ihr Angst. Doch sie trieb dahin ohne Kraftaufwand und alle ihre Befürchtungen, die sich um das Versinken drehten, waren übertrieben. Bald war sie sich sicher, dass sie niemals untergehen würde. Schließlich war sie zuvor bewusstlos gewesen und auch nicht ertrunken. Wie war das möglich? Dies war ohne Zweifel einer dieser magischen Orte, von denen ihr Vater ihr oft erzählt hatte. Diese Erinnerung machte ihr Mut, die Augen zu öffnen.

Dann sah sie es! Ein gigantisches Weltall voller Planeten, Monde, Nebel und Sterne. Es war überwältigend schön. Dieser Anblick gab ihr Kraft und Mut. Sie begann, ein wenig mit den Armen zu paddeln. Was machte sie hier? Sie erinnerte sich an den Schmerz auf ihrem Kopf. An die große weiße Wölfin, die ihre Wunden geleckt hatte. Und dann hatte Zenobius sie überredet, wieder in das verhasste Dorf zu gehen. Diese Leute hatten ihr das angetan. Deren Intoleranz und Rückständigkeit hatten sie nun womöglich getötet. Als sie so im Gedanken versunken war, nach oben starrend, nachdenkend, berührte sie plötzlich etwas Festes mit ihrem Fuß. Das war ungewohnt hier. Darum schreckte sie zusammen und schaute hin.

Da stand er. Ein Echsenmensch. Seine Schuppen waren grünlichgrau und ihr Glanz war schon stumpf geworden. Seine Augen waren irritierend schön, aber starrten sie mit einem festen Blick an, der ihr Respekt einflößte. Er schien jedoch friedlich zu sein, denn sonst hätte er sie schon lange angegriffen. Es war so, als würde er im Wasser stehen, wie auf hartem Grund. Sie fühlte mit den Füßen etwas weiter unten und tatsächlich! Hier war das Wasser so flach, dass man darin stehen konnte. Sie versuchte es, doch sie war es nicht mehr gewohnt und fiel mit einem großen Platsch wieder hinein. Er beobachtete sie und fing dann ganz ruhig an, mit ihr zu sprechen:
„Du bist hier falsch. Du gehörst woanders hin.“
„Wo bin ich hier?“
„Im Nirgendwo, wo alles beginnt und alles endet.“
„Bin ich tot?“
„Entweder das oder kurz davor. Koma wäre auch möglich. Hier hat sich in letzter Zeit einiges geändert.“
„Also wenn du sagst, ich bin hier falsch, dann meinst du, es ist zu früh zum sterben, oder?“
„Das entscheiden die auf der anderen Seite. Vielleicht können sie dir noch helfen, vielleicht nicht. Es steht in den Sternen.“
Sie betrachtete aufmerksam die Sterne um sie herum. Sie sagten ihr nichts. Der Echsenmann grinste.
„Komm mit, ich bringe dich zu den Deinen.“
Er stieg an einer Seite aus dem Wasser, an der sie zuvor nur Ozean gesehen hatte. Aber nun war dort ein Ufer, und ein Weg, der in einen dichten Wald führte. Als sie es wieder nicht schaffte, auf eigenen Beinen zu stehen, griff er um sie herum und hoch sie raus.
„Du musst an dich glauben, dann kannst du alles!“
Sie versuchte es. Doch ohne seinen stützenden Arm schaffte sie es einfach nicht. Vielleicht war sie auch nur froh, nicht mehr alleine hier in der Endlosigkeit zu treiben ohne Ziel und ohne etwas zu wissen.
Der Wald wurde zu einem Urwald und dann zu einem dichten Dschungel. Die Erde war nass und sumpfig, als hätte man den ganzen Wald einfach oben auf den riesigen Ozean gelegt. Die Geräusche änderten sich. Vom leichten Plätschern der Wellen zum Rascheln der Blätter und Baumkronen. Hinzu kamen allerlei Tierstimmen und Laute, die sie noch nie in ihrem Leben gehört hatte, die ihr aber doch sofort so vertraut vorkamen. Die Bäume wuchsen hier in schwindelerregende Höhe. Auf dem Weg wurde es immer dunkler, aber bald darauf erschien hinten ein helles Licht. Musik ertönte und freundliche Stimmen. Der Echsenmensch blieb stehen.
„Nun musst du alleine weiter gehen. Deine Lieben warten dort auf dich. Ich gehöre da nicht hin.“
Katarina hatte Angst, was sie dort erwarten würde. Menschenstimmen machten ihr seit ihrem schrecklichen Erlebnis eine höllische Angst. Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er:
„Es wird alles gut. Glaube an dich und gehe zu deinem Volk!“
Dann lies er sie los und verschwand im Dunkeln der Schatten.
Sie wackelte, blieb aber fest stehen. Dann, ganz langsam, arbeitete sie sich Schritt für Schritt weiter zum Licht.

Die Stimmen wurden lauter. Sie meinte, die Stimme ihres Vaters zu hören.
„Vater!“, flüsterte sie und Tränen rannen über ihr Gesicht.
Immer schneller lief sie nun. Waren sie alle da? Ihre Familie? Ihr Vater, ihre Mutter und Louis ihr Bruder?

Kurz darauf war es so, als hätte sie hundert Schritte auf einmal gemacht und sie stand vor einer großen Lichtung. Hier waren Girlanden zwischen Ästen am Waldrand aufgehängt und reichlich geschmückt worden. In der Mitte brannte ein großes Lagerfeuer. Feuer! Doch sie empfand keine Angst mehr. Im Gegenteil. Ihr war wohlig warm. Der Ozean war kalt und undurchdringlich. Er gab seine Geheimnisse nicht einfach so jedem neugierigen Blick preis. Der Wald jedoch war voller Wärme und Leben. Eine alte Frau spielte Gitarre und lang lauthals Lieder. Es waren die Lieder, die ihre Mutter ihr als Kind vorgesungen hatte. Lieder über den Wald und seine Bewohner.

Und dort am Lagerfeuer saßen sie! Ihr Vater, ihre Mutter und Louis. Und ehe sie sich versah, saß sie neben ihnen auf einem umgefallenen Baum und feierte und sang mit ihnen diese schönen Lieder.

Es waren die Lieder des Waldes und alle Tiere schauten neugierig durch das Dickicht auf die muntere Truppe und wunderten sich darüber. Angst empfanden sie nicht, denn von diesen Menschen hatte sie nichts zu befürchten. Das wussten sie genau. Es waren die Waldelfen. Katharina wollte mit ihrem Vater reden, ihm alles erzählen, doch er wiederholte nur immerzu einen Satz:
„Das Leben ist so schön! Das Leben ist so wunderschön! Und der Wald ist einfach nur großartig!“