Stur weiter machen, was auch passiert

Im Moment blende ich vieles einfach aus. Natürlich rege ich mich oft auf, schreibe Kommentare auf Facebook, unterschreibe Petitionen und so weiter. Ich spende Geld, obwohl ich selbst auch nur Gleitzone verdiene und es auf den Winter zugeht. Aber wenn ich schreibe, dann muss ich das alles ausblenden. Die ganze bescheuerte Welt um mich herum.

Grausam.

Dumm.

Geldgeil.

Bescheuert.

Beängstigend.

Es stört die Geschichte, es stört die Kreativität. Die Gedanken müssen fließen. Ich kann das Böse in der Welt sowieso nicht aufhalten. Es passiert einfach.

Wenn man die Einzige ist, die etwas ändern will, dann ist die Sache auch schon zum Scheitern verurteilt. Ich hab keine Energie im Moment, mit Argumenten gegenan zu gehen. Es geht mir gut in dieser Minute, dann wieder schlecht in der nächsten Minute. Ich weiß nie, was kommt.

Meine Gesundheit ist eine Berg und Tal-Geschichte. Das ist die erste Baustelle, um die ich mich kümmern muss. Das tue ich mit Nahrungsergänzungen, Sport, Arbeit und Tee. Die zweite Baustelle ist meine Psyche, immer kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Das versuche ich zu reparieren, indem ich die Geschichte schreibe. Meine Geschichte. Endlich mal eine Geschichte fertig kriegen, eine Idee zu Ende denken.

Mein anderer Plan für dieses Jahr war ja, auf meinem Gesundheitsblog 50 Artikel zu schaffen bis Ende des Jahres. Aber ich hab die Motivation dafür irgendwie verloren. Was bringt es denn schon? Es ist zu viel Arbeit, zu viel Konzentration nötig, verbraucht zu viel Zeit. Geplant hab ich viele Artikel. Ideen kommen und gehen. Aber was fehlt ist die Kraft, eine ausführliche Recherche zu machen und es auszuformulieren. Und dieses Ziel widerspricht auch der Erfahrung, dass es eben nicht Quantität ist, um die es geht, sondern die Lösung ist, sich damit richtig ausführlich zu beschäftigen. Sich richtig da hineinzuvertiefen. Und das kostet zu viel Kraft und Zeit. Warum auch so etwas machen, wenn man spürt, dass man ohnehin nicht ernst genommen wird?

Ich flüchte mich in die Fantasiewelt, denn diese kann ich beeinflussen. Woche 36, Übung 34, Seiten insgesamt geschrieben 134, 55978 Wörter. Somit hab ich schon den Nanowrimo-Status überschritten. Noch zwei Übungen Rückstand. Eigentlich stimmt das auch nicht, denn ich hatte schon zwei Übungen gemacht, die nichts mit dem Roman zu tun haben. Aber egal. Es geht weiter.

Das Ritual

Katharina trottete traurig hinter Zenobius her. Vielleicht war Veronika ja gar nicht in Gefahr. Sie musste nun erst einmal bei ihm bleiben. Ja, sie begriff, dass sie sich erst einmal selbst retten musste, auch wenn sie nicht wusste, wie. Gelangweilt kaute sie auf einigen Mistkäfern herum, die sie im Wald gefunden hatte. Einer war ihr entkommen. Sie hatte Hunger. Zenobius hatte diese Gauner einfach mit verzaubertem Fleisch zum Verschwinden gebracht. Davon war nichts mehr übrig geblieben.
Der Gedanke, dass diese widerlichen Gesellen endgültig von der Welt verschwunden waren, beruhigte sie, aber es machte sie auch etwas traurig, weil so viel Gewalt angewendet worden war. Sie wollte doch, dass es endlich aufhörte. Diese feindseligen Kämpfe, diese Grausamkeit. Dieser unendliche und schreckliche Hass zwischen den Menschen und den Elfen. Es war ein Schock für sie zu erfahren, dass Zenobius offenbar genau gesehen hatte, was die Männer mit ihr gemacht hatten. Und er war ihr nicht zur Hilfe geeilt? Mutig nur gegen Tiere, aber nicht gegen eine Horde wild gewordener Menschen.
Sie war nur gerettet worden, weil der Schatten eines großen Vogels den Himmel verdunkelt hatte. Als die Flamen schon ihre roten Haare ergriffen hatten, hatte sie die Angst in den Augen der Männer gesehen. Sie waren gerannt. Vielleicht war es der Adler gewesen, aber sie hatte den Schatten auch gesehen. Es war größer, viel größer, als ein Adler gewesen. Sie hatte nicht lange überlegt und war einfach in die andere Richtung davon gerannt. Wenn sie wählen konnte zwischen den Männern und einem riesigen Vogel, dann würde sie immer den Vogel wählen. Ihre brennenden Haare hatte sie dann im Fluss gelöscht. Danach hatte sie sich versteckt und war ohnmächtig geworden. Die Wölfin, die ihre Wunden sauber geleckt hatte, war sie das? War das ihr Körper? Es musste so sein. Sie war in dieser Wölfin gelandet, weil sie verhindern sollte, dass Zenobius sie einfach tötet. Dieses Tier war besonders.
Sie war sehr traurig, denn nun wusste sie auch, was die Männer ursprünglich vorgehabt hatten. Elfen waren für sie nur gerade so viel Wert, wie ein Stück Fleisch. Genauso gingen sie auch mit Tieren um. Darum hatten damals die Männer auch ihre Familie umgebracht. Feuer gegen Dämonen, heißt es im Aberglauben. Man ging einfach davon aus, dass ihre Eltern Magier und Hexen waren, weil sie Elfen waren, weil sie fremd aussahen, weil sie eine fremde Kultur hatten. Sie waren Elfen. Jetzt wusste sie das. Wie blind war Katharina in der Vergangenheit gewesen, dass sie das nicht selbst erkannte? Sie hatte es einfach verdrängt.
Außer ihr trugen alle in ihrer Familie immer große Mützen, die über die Ohren gingen. Ihre Mutter hatte es versucht, ihr Mützen aufzusetzen, aber sie hatte sie sich immer vom Kopf gerissen, weil sie wollte, dass der frische Wind durch ihre Haare pusten konnte.
Sie wollte nicht wieder ein Mensch werden. In diesem Körper einer Wölfin war sie zu Erkenntnissen gelangt, die sie als Mensch verdrängt hätte. Zenobius hatte sich nicht nur durch seine Selbstgespräche verraten. Er redete auch mit ihr, der Wölfin. Vermutlich, weil er sich einsam fühlte. Er erzählte ihr stundenlang Geschichten von früher.
Sie wusste nicht, wie sie in ihren eigenen Körper zurückkehren würde oder wann das geschah, aber sie fürchtete sich schon vor der Konfrontation mit Zenobius und seinen Schuldgefühlen.

Milva Rosenstock gab Ubald Trosse einen Tritt. Er war schon halb tot, aber das Ritual funktionierte einfach nicht. Irgendetwas stimmte wieder mit ihren Sprüchen nicht. Irgendwas verhinderte ihren Erfolg. Es war ja schlimm genug, dass sie so viel Gold für Zauberbücher ausgeben musste, warum konnte nicht endlich mal etwas funktionieren? In den Büchern stand nie genau das drin, was sie gerade brauchte. Sie hatte Katharinas Geist gerufen, damit er aus der Zwischenwelt zu ihr käme, aber da war nichts. Sie hörte allerlei Stimmen, die nach Hilfe schrien und Echsenwesen, die Befehle brüllten, sonst nichts. Keine Spur von Katharina. Das laute Röcheln ihrer Opfergabe in Form eines korrupten Arztes, hatte sie aus der Trance gerissen. Verzweifelt versuchte sie, die Kristalle neu auszurichten, während Ubald seine letzte Kraft nutzte, um sie um Gnade anzuflehen.
„Ich habe Gold versteckt, sehr viel Gold…“, röchelte er.
Sie hatte es ohne Ubald Trosse als Opfergabe versucht und mit. Nichts funktionierte. Frustriert setzte sie sich zu Katharina aufs Bett und dachte nach. Im Moment war sie nur noch eine leere Hülle. Das Gegengift hielt Milva schon in ihrer Hand. Aber wie sollte sie die Geisterwelt retten, wenn sie dort kein Medium hatte? Und sie hatte auch etwas Angst davor, dass sie Katharina schon zu lange in diesem Zustand gelassen hatte und der Schaden dauerhaft war. Selbst, wenn nicht. Was, wenn die neue Königin erkannte, was sie hier machte? Menschenopfer? So wie sie ihre kleine Ur-Enkelin kannte, würde ihr das überhaupt nicht gefallen.
Ubald Trosse versuchte sein Glück erneut:
„Bitte, ich habe doch den Zauber gespürt. Ich will einer von euch werden!“, jammerte er.
„Ach halt die Klappe, du Narr. Noch so einen wie Zenobius, der sich selbst belügt und am Ende doch nur hinter dem Gold her ist, brauche ich nicht.“, schimpfte sie und schlug mit ihrem verzierten Holzstock nach ihm. Da bemerkte sie Zenobius, der in der Tür stand und sie traurig ansah.
„Ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe, Milva. Aber ich habe mich geändert“, erklärte er reumütig.
„Das ging aber schnell“, spottete sie. Doch dann sah sie die junge Wölfin, die Zenobius im Schlepptau hatte.
„Was ist das? Woher hast du sie? Und wie bist du überhaupt an meiner Harpyie vorbei gekommen?“
Zenobius strich Katharina, der Wölfin, über den Kopf.
„Das ist ein Geschenk für unsere kleine, die Königin, wie du sie nennst. Hast du sie eigentlich mal gefragt, ob sie das überhaupt will? Du legst ihr damit eine große Bürde auf die schmalen Schultern, findest du nicht?“
„Sie würde das tun, was sie gut kann. Auf die Bewohner des Waldes achtgeben, für Ordnung sorgen, dafür Sorgen, dass die Menschen die Grenzen einhalten und die Natur nicht zerstören.“
„Das könnte ich doch gut. Du hättest mich sehen sollen. Sie haben mich überfallen, wollten mich ausrauben, töten, was auch immer. Es waren dieselben, die das Katharina angetan haben!“
„Wie kannst du dir da so sicher sein, Zenobius?“, fragte Milva scharf. Natürlich wusste sie es schon lange, denn sie war eine Seherin. Das war schließlich ihr Beruf. Verlegen kratzte er sich am Bart, dann seufzte er.
„Du weißt es, oder?“
„Natürlich weiß ich es! Was denkst du, wer sie gerettet hat, du feiger Narr?“
„Du hast die Gauner verjagt? Aber du bist…ich meine, selbst ich hatte Angst.“
„Was bin ich? Sprich es ruhig aus! Alt? Eine Frau? Ja, das bin ich. Aber du vergisst meine gute Freundin, die Harpyie. Die meiste Zeit über wusste ich genau, wo sich Katharina gerade aufhält. Wäre ich dort gewesen, hätten sie mich vielleicht auch getötet, aber meine Harpyie macht das alles für mich. Aber warum hast du dich nicht getraut, Zenobius? Du liebst doch die Menschen so, hast einen guten Draht zu ihnen, verdienst damit sogar dein Geld…, sag mir, hattest du etwa Angst vor deinen besten Freunden, den Menschen?“ Milva grinste spöttisch. Ihren Augen funkelten ihn böse an.
„Glaub mir, das waren nicht meine Freunde. Ich weiß, dass ich ein Narr war. Die ganze Zeit. Ich habe mir etwas vorgemacht. Ich dachte, ich könnte so leben. Ich habe den Kampf, den ich für Katharina hätte kämpfen sollen, jetzt nachgeholt. Deine Zauberbücher haben mir dabei sehr geholfen. Ich habe sie alle in Mistkäfer verwandelt!“
Nun brach die Alte, die vorhin noch sehr skeptisch und ablehnend gegrinst hatte, in schallendes Gelächter aus. Die Wölfin jedoch begann, ein paar Mistkäfer wieder hoch zu würgen, und spukte diese Zenobius vor die Füße, vermischt mit sehr viel Schleim und etwas Gras, was sie vor lauter Hunger unterwegs gefressen hatte.
„Igiit, raus mit dir, aber schnell!“, schimpfte Zenobius. Katharina trottete vor die Tür ins Freie und legte sich dort hin. Es war schön, ein Wolf zu sein. Alles war so einfach. Fressen, jagen, schlafen, trinken, kacken. Im Grunde war es das. Sie war nun schon mehrere Tage in diesem Körper und fing langsam an, ihre menschlichen Gedanken zu verlieren. Sie dachte mehr und mehr, wie ein Wolf. Sie hörte noch, wie die alte Seherin, die sie etwas an ihre Großmutter erinnerte, Zenobius lobte und ihn aufforderte alles zu erzählen. Dann verschwammen ihre Stimmen zu einem Brei von monotonen Geräuschen, die sie sehr schläfrig machten.

Als Zenobius alles erzählt hatte, lächelte Milva zufrieden.
„Dann bist du also ein großer Zauberer, Zenobius, wer hätte das gedacht? Bei mir funktionieren die Sprüche immer nicht so, wie sie sollen, aber du scheinst ein Naturtalent zu sein. Vielleicht kannst du mir ja auch bei meinem Ritual helfen? Ich will mit Katharina in der Zwischenwelt kommunizieren. Sie soll dort etwas für mich erledigen.“
Zenobius war erleichtert, dass er die Alte nun endlich auf seiner Seite hatte. Besser gesagt, war er nun auf ihre Seite gewechselt, wo er auch hingehörte. Er versuchte zu helfen.
„Können wir sie nicht erst einmal gesund machen?“
„Ich habe das Gegengift hier.“ Milva sprach jetzt sehr leise. Sie fühlte sich schuldig.
„Gegengift?“
„Der Schuft da“, sie deutete auf Ubald Trosse, „er hat sie vergiftet, damit die Heilung länger dauert und damit du mehr Gold hinblätterst. Da siehst du mal, wie lästig diese menschliche Gier nach Gold und weltlichen Gütern sein kann.“
Zenobius packte den am Boden kauernden Arzt und schüttelte ihn kräftig: „Stimmt das? Antworte? Was für ein Gift war das?“
„Ja, ja, es stimmt. Es tut mir leid. Die Leute in dem Dorf sind so arm. Meistens muss ich umsonst arbeiten. Es war eine einmalige Gelegenheit, mehr zu verdienen…“
„Du verdammter Hurensohn!“ Zenobius gab ihm einen Tritt, Ubald Trosse jaulte auf.
„Eine einmalige Gelegenheit war es bestimmt nicht. Du hast mir doch Gold angeboten? Das bedeutet doch, dass du es immer so machst!“, bemerkte sie alte Seherin.
„Vielleicht ein oder zweimal im Jahr kommen Leute mit viel Geld. Aber gebe auch viel zurück. Ich behandele die armen umsonst…“
Sie ließen ihn am Boden liegen. Er war so erbärmlich.
„Was ist es für Gift, ich braue ein Gegengift!“, schlug Zenobius vor.
„Hab ich schon.“ Die alte hielt die Flasche hoch, die sie seit einiger Zeit in den Händen hielt. Zenobius starrte sie unverständlich an.
„Dann tue es doch! Worauf wartest du denn? Wecke sie auf, bevor es zu spät ist!“
„Ich fürchte, es ist schon zu spät. In der Zwischenwelt kann man verschwinden, weißt du. Wenn man keine starke Persönlichkeit hat oder einen gebrochenen Willen, wenn man mutlos ist, Angst hat, wenn man keinen Lebenswillen mehr hat. Dann kann es sein, dass man einfach verschwindet.“
„Wir müssen es versuchen!“
„Aber ich brauche dort eine starke Verbündete. Sonst werden die Elfen ihre Urahnen verlieren, ihr überliefertes Wissen, ihre Geschichten und alles, was es ausmacht, elfisch zu sein. Wir werden unsere Kultur verlieren, Zenobius. Wenn wir dann sterben, dann landen wir bei den Echsen. Das kann nicht sein!“
„Dann gehe ich dort hinein! Wo ist das Gift? Ich trinke es!“
Milva starrte ihn an. Das war eine gute Idee.
„Wir gehen beide!“, rief sie voller Freude.
„Wir holen Katharina da heraus, dann schauen wir, wie wir den Schaden reparieren können…verdammt!“
Milva merkte jetzt erst, dass ihr zweiter Gefangener fehlte.
„Der Verursacher ist mir davon gelaufen!“
„Ist es wichtig?“
„Ja, Zenobius. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich nicht weiß, wo er ist. Er könnte gestorben und in einem anderen Körper sein. Dieser Mann kann ungeheuer viel Schaden anrichten. Er kommt nicht einmal vom selben Planeten, wie wir! Kannst du dir das vorstellen?“
„Wer ist es? Warum hat er so viel Macht?“
„Die verdammten Echsen sind schuld daran. Meine Vision hat mir gezeigt, dass er mit Hilfe eines Flüssigkristalls eine Maschine gebaut hat, mit der man die Zwischenwelt betreten kann. Die Informationen dafür hat er von einem der Echsenmenschen. Ich würde zu gerne dort hin gehen und ihm meine Meinung sagen!“
Sie ging vor die Tür, wobei sie fast über Katharina stolperte, die sich im warmen Sand schlafen gelegt hatte. Sie war so erschöpft, dass sie nicht mal wach wurde, als Milva über sie herüber stolperte. Dann pfiff Milva ihre Harpyie herbei. Sie flüsterte ihr Befehle ins Ohr und diese fing an, mit den Flügeln zu schlagen. Es erzeugte so viel Wind, dass Zenobius fast die Mütze vom Kopf gepustet wurde. Dann hob sich das riesige Tier in die Lüfte und hielt nach diesem Mann Ausschau. Milva wendete sich nun der Wölfin zu. Sie sah besorgt aus.
„Hat sie etwas gefressen?“, fragte sie, „ich meine, außer diese Käfer?“
„Nein. Ich werde losziehen und etwas Trockenfleisch besorgen. Ich wollte ohnehin noch einige Sachen für Katharina besorgen. Bevor sie zusammenbrach hatten wir einen Auftrag angenommen. Wir sollten ein Kind ausfindig machen und einen Brief übergeben.“
„Was für ein Kind?“
„Veronika. Sie ist die Tochter einer Schweinebäuerin hier im Ort.“
„So. Veronika, ja? Ich kenne das Kind. Ist sie endlich weggelaufen? Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich um sie gekümmert. Sie ist ein sehr nettes Kind.“
Milva überlegte. Was hatte es zu bedeuten, dass ausgerechnet das Kind verschwunden war, dessen Vater offenbar den idealen Wirt für den Ruhestifter war?
„Der, der mir weggelaufen ist. Das war ihr Vater. Ihr Stiefvater nur, glaube ich, aber er war in ihm drin!“
„Wie meinst du das, wie in ihm drin?“
„In seinem Geist. Er hat die Zwischenwelt verlassen und ist in den Körper gefahren, der ausgerechnet Veronikas Stiefvater gehört.“
„Was bedeutet das?“
„Ich weiß es nicht, Zenobius. Das ist alles zu verworren. Es ist das reinste Chaos. Nichts ist mehr so, wie es vorher war.“
„Na gut. Ich mache erst einmal meine Besorgungen. Du versuchst Katharina aufzuwecken. Und dann bereiten wir uns auf unsere Reise in die Zwischenwelt vor. Wenn das erledigt ist, suchen wir das Kind. Sicher ist sie schon lange in den Bergen, bei ihrem leiblichen Vater angekommen.“
Zenobius machte sich auf den Weg.
Milva schaute ihm noch eine Weile hinterher. Niemals hätte sie erwartet, dass dieser Mann sich noch einmal so ändern konnte. Dass er seine Einstellung änderte, ein richtiger Elf wurde, Tiere zähmte, statt sie zu töten, und sogar etwas wie ein Verbündeter im Kampf gegen das Chaos in der Zwischenwelt für sie werden würde. Eins hatte sie nun begriffen. Er liebte Katharina wirklich, fast so, als wäre er ihr Vater. Und Katharina brauchte so jemanden. Sie brauchte Personen, die ihr ihre Familie ersetzen konnten. Körperliche Heilung war eine Sache, seelische Heilung eine andere.
Milva sammelte die Käfer vom Boden auf.
„Alte Form wieder geboren“, murmelte sie und augenblicklich verwandelten sich die drei Käfer in drei junge Männer. Sie lagen leblos auf dem Boden. Ihre Kleidung war nass vom Hundespeichel und Magensaft.
„Henry! Er lebt! Du gesagt, er wäre gestorben!“, rief Ubald Trosse, als er einen der Männer, als seinen Sohn identifizierte.
Milva fühlte bei den Männern den Puls.
„Das war gelogen. Aber jetzt stimmt es doch. Das nennt man wohl eine sich selbst erfüllende Prophezeihung bzw. in diesem Falle eine sich selbst erfüllende Lüge“, murmelte sie.
„Mein Henry!“, jammerte Ubald, „tu doch was, Milva! Ich flehe dich an, rette ihn. Rette ihn mit Magie!“
Milva starrte Ubald an. Sie deutete auf Katharina.
„Hast du nicht gehört, was Zenobius erzählt hat? Diese drei und noch ein anderer haben versucht, dieses Mädchen zu töten. Sie wollten sie lebendig verbrennen und dann aufessen!“
„Das stimmt doch nicht, nein, das glaube ich nicht, nicht mein Sohn. Mein Sohn ist gut, er ist ein guter Junge, du musst mir glauben, Milva, ich flehe dich an, rette ihn!“
„Selbst wenn ich könnte, ich würde es nicht tun“
Da fing einer der Männer an zu husten. Er hustete den Hundeschleim aus sich heraus und schien langsam wieder zu sich zu kommen.
„Verdammt, das fehlt mir gerade noch. Gerade jetzt, wo meine Harpyie unterwegs ist!“
Doch gerade in dem Moment landete die Harpyie mit zwei leblosen Körpern vor der Arztpraxis. Der eine gehörte zu Rudolf Schauer, dem Stiefvater von Veronika. Der andere war ein halbtoter, grauer Wolf.