Unterbrechung

Schon wieder eine Unterbrechung durch Krankheit. Ein fetter Abzess hat sich in meinem Bauch breit gemacht. Blasenentzündung und Eierstockzsyste und weiß ich noch was. Als hätte ich einen Ballon verschluckt. Kam mit 38,6 ins Krankenhaus. Bekam drei verschiedene Antibiotika. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag starke Schmerzen. Musste mich übergeben. Hab sogar den Notarzt gerufen. Aber musste erst dem Umweg über den Frauenarzt gehen. Paracetamol hat mein Leben gerettet. Im Krankenhaus von Freitag auf Samstag wieder. Schmerzmittelinfusion bekommen. Da hab ich um eine Operation gebettelt, aber keine gekriegt. Jetzt kriege ich eine, aber habe Angst davor.

Nach dem Wochenende war alles schon viel besser, nur leider war der Abzess / die Zyste immer noch sehr groß. Immerhin waren die Entzündungswerte stark zurück gegangen. Krebsmarker zeigten nichts Besonderes an. Konnte Mittwoch nach Hause und habe da weiter Antibiotika genommen. Sollte Sport treiben, mich viel bewegen. Das Ding wird mal größer, mal kleiner. Fühlt sich jedenfalls so an. Meine starken Durstgefühle, die ich seit der Chemo hatte, oder schon davor, sind viel besser geworden. Ob da die ganze Zeit was entzündet war? Ich hab etwas Angst, was sie finden, obwohl es hieß, dass es zu 99 % wahrscheinlich kein Krebs ist.

Eine Bauchspiegelung gilt zwar als schonende Methode, aber wer kurz davor steht, sollte sich von so etwas trotzdem keine Videos im Internet ansehen. Besonders nicht, wenn der Eingriff mit einem riesigen Metallding über die Scheide vorgenommen wird. Brechreiz vorprogrammiert. Als meine Zimmerkollegin Besuch bekam, sagte die mir: “Die können das auch über die Scheide machen mit so einem Ding”. Ich fragte sie: “Ja, das ist toll und warum wünscht man sich so einen Scheiß?”.

Ich bekomme einen Katheter gelegt, damit die Blase leer ist und werde mit dem Kopf nach unten gedreht, damit der Darm die Sicht nicht versperrt. Um mich vorzubereiten, soll ich ein Jodzäpfchen in die Scheide einführen und einen Einlauf in den Darm machen. Sie können noch eine Sonde in die Gebärmutter einführen, um sie besser aus dem Weg zu schieben. Sie versuchen es aber ohne, wie man mir sagte, weil ich davor Angst habe. Angst vor Schmerzen. Noch mehr Schmerzen. Hoffentlich wache ich nicht wieder mitten während der OP auf, so wie letztes Mal, wo nicht mal die Schmerzmittel gewirkt haben. Sie haben vermutlich eines genommen, dass Ibuprofen zu ähnlich ist, meinte der Grauhaarige.

Es waren wieder so viele verschiedene Gesichter. Hab nicht mal meinen Lieblingsarzt erkannt. Ich bekomme von solchen Situationen einen regelrechten Psychoseanfall. Einem Eingriff über die Scheide hätte ich nie zugestimmt. Da behalte ich lieber dieses mutierte Ding in mir drin, bevor ich von so einem Metallpenis vergewaltigt werde! Aber nachdem man mir so ein Ding gezeigt hat (war gerade Angstmachtag?) habe ich gesagt: “Nicht mit mir!” und dann läuft das jetzt eben über den Bauch. Da können sie auch gleich gucken, was da los ist. Auch meine Angst vor völliger Ausweidung wurde beachtet durch zweizeitiges vorgehen. Es ist eben doch gut, wenn man über alles aufgeklärt wird und wenn man sagt, wovor man Angst hat und was man nicht ertragen kann. Woher sollen sie das sonst auch wissen?

Organe

Die OP-Aufklärung besagt nämlich, dies und jenes könnte auch noch entfernt werden, wenn der Arzt das meint. Noch mehr Organ- und Körperteilverlust. Man vergisst es zwar schnell alles wieder, aber es ist auch sehr schnell alles wieder ganz präsent. Es muss bloß einer was andeuten, dann entsteht ein Bild von der totalen Ausweidung auf dem OP-Tisch. Alles, was mal in mir drin war und eine Funktion erfüllte, landet in der Krankenhaus-Mülltonne. Weil Ärzte meinen, ich bräuchte das nicht mehr. Die Entzündung führte zu mehr Chemobrain. Ich wehre mich auch mit Chemobrain gegen die Ärzte und dagegen, was sie meinen, welche Körperteile ich behalten darf und welche nicht. Unterschrieben habe ich nur für den linken Eierstock und evtl. Verwachsungen durch die früheren OP-Narben. Ich frag mich, was sie da noch alles finden. Sie fragten mich auch, ob sie versuchen sollen, den linken Eierstock zu retten. Das mutierte Ding? Wenn sie meinen, sie können das? Ich habe dauernd zurück gefragt: “Meinen sie denn, das geht?”

Drei Schnitte werden gemacht, einer durch den Bauchnabel. Dann fluten sie den Bauch mit Gas, um besser sehen zu können. Später fühlt es sich dann so an, als hätten sie mir Plastikfolie unter die Haut genäht. Ich habe Fotos im Internet gesucht, wie der Bauchnabel danach aussieht. Findet man kaum. Hoffentlich wird der Schnitt nicht so groß. Vielleicht merkt man es nach einer Zeit gar nicht mehr? Aber eins hab ich gefunden. Ein Bild von einer Frau nach der OP. Bauchnabel mit Pflaster.

Die Frau war nicht mal rasiert. Warum soll ich mich dann einen Tag vorher rasieren? Ich will nicht wieder rumlaufen wie ein gerupftes Huhn. Warum? Was haben sie gegen meine Haare? Ich habe schon zwei OP-Aufklärungen bekommen, aber das scheint immer noch nicht zu reichen. Ich dreh durch. Warum kann man nicht einfach mit dem Finger schnippen und alles ist wieder so, wie es sein soll? Ich kann auch nicht ausschließen, dass ich einfach wieder nach Hause gehe. Ein weiterer dummer Spruch von irgendeinem Arzt, eine Andeutung der geplanten Ausweidung meiner Organe und ich nehme meinen mutierten Scheiß und hau wieder ab. Ich brauch das alles nicht. Krankehaus ist nicht mein Hobby.

Das Organ

Ich brauch das auch nicht, dass andere über mein Leben oder über meine Organe bestimmen. Ich kann mich nicht auf irgendein Thema konzentrieren, um einen weiteren Artikel fertig zu kriegen. Es nützt ja auch nichts, denn niemand liest es sich bis zum Ende durch. Ich will nicht krank sein, denn es lenkt mich von meinen Zielen ab. Wann hört das endlich auf? Gerade hab ich mich wieder halbwegs gesund gefühlt nach all dem Scheiß. Und schwubs, wieder ist was. Zudem sind die Stalker wieder da. Ich weiß nicht, was da los ist, aber es ist so, als würden Leute mir absichtlich vor dem Eingriff Angst machen wollen. Als ob das nicht schon reicht. Sie finden es witzig, mir Angst zu machen.

Wie gut ist es, wenn man richtige Hobbys hat. Zum Beispiel Pflanzen. Ich habe meine Antibiotikatherapie mal genutzt, um meine Zitruspflanzen umzutopfen.

Links die zwei kleinen vom Baum selbst geerntet

Kerne, die ich wieder eingepflanzt habe.

Sauer, wie eine Zitrone. Eigentlich viel schlimmer.

Zwei hängen noch am Baum.

Man muss sich auf das Positive konzentrieren, damit die fehlgeleiteten Subjekte es nicht schaffen, einem mit ihrer Angst den Atem zu nehmen. Wenn schon, dann will ich wenigstens meine eigene Angst haben. Ich habe einen Spruch aus meiner Schatzkiste gezogen. Hatte ich vorher schon einmal: Mut ist genauso ansteckend wie Angst.

Das stimmt zwar, aber das alleine sagt ja noch nicht viel aus. Manchmal ist es berechtigt, mutig zu sein. Manchmal ist es aber auch berechtigt, Angst zu haben. Je nachdem, was berechtigt ist, ist Mut oder Angst sinnvoll. Mut kann töten, weil man zu große Risiken eingeht. Angst kann lähmen und handlungsunfähig machen. Man muss das wählen, was einem die meisten Optionen lässt. Still etwas zu erdulden ist nicht das Gleiche wie bewusstes Handeln. Man muss das wählen, was angemessen ist. Nur, woher soll man das wissen? Und wie bekämpft man übermächtige Gefühle? An Angst kann man sich genauso gewöhnen, wie an Mut. Wer viel Angst hat, wird passiv. Wer viel Mut hat, geht zu viele Risiken ein und lebt sehr gefährlich.

Nachdem bei meinem Brustkrebs 2016 schon ganz am Anfang jemand die Polizei gerufen hatte, weil dort Leute in der Klinik waren, die “nicht dahin gehörten”, wurde ich diesmal gleich zwei mal von verschiedenen Personen aufgefordert, ich müsse selbst zur Polizei gehen. Offenbar reicht es nicht, alles was schief läuft, was komisch ist oder jeden dummen Spruch an verschiedene Vertrauenspersonen weiter zu erzählen. Man lässt die Leute offenbar gewähren. Aber das hab ich dann auch getan. Ich ging zur Polizei.

Ich erzählte, dass man mir einen Vertrag zeigte, den ich unterzeichnet haben sollte, was eindeutig nicht meine Unterschrift war. Nun überlege ich die ganze Zeit, wie ich mich gegen diesen Scheiß wehren soll. Und was das Ganze überhaupt soll. Die Stalker sind anscheinend wieder da. Dann erzählten die Leute mir andauernd auch noch, was ich angeblich geschrieben haben soll. Wann oder wo keine Ahnung. Aber keiner von denen hatte sich wirklich etwas von dem durchgelesen, was ich geschrieben hatte.

Sogar die Seelsorgerin fing mit dem Thema an. Sie fragte mich nach dem Krankheitsgewinn. Ich hätte ja dadrüber was geschrieben und was ich nun dazu meinen würde. Krankheitsgewinn bei Krebs? Krankheitsgewinn bei einem schmerzhaften Abzess? Spinnen die alle? Mit dem Thema habe ich mich zuletzt während des Studiums beschäftigt, sagte ich ihr. Und bevor man Sachen einfach glaubt, die einer erzählt, soll man sich das doch lieber mal selbst durchlesen.

So eine Art von Seelsorge brauche ich dann auch nicht. Auch andere Dinge wurden zitiert, die ich niemals geschrieben hatte und vermutlich auch nie schreiben werde. Ich sagte nur andauernd: Leute, lest Euch doch mal die Sachen durch, die ich geschrieben habe! Alter. Was für ein Problem haben die mit mir? Jemand fragte mich allen Ernstes, ob ich aufgrund meiner Website mal Morddrohungen bekommen hätte. Sogar zweimal.  Ich sagte lachend: “Nein. Denn das liest sich ja niemand durch!” Und das stimmt auch. Nicht mal meine Familie und meine Freunde, die ich ständig dazu auffordere, schaffen es, sich meine Sachen komplett durchzulesen.

Ich gab dem Polizisten eine schöne Liste mit gesammelten Erinnerungen, warum ich glaube, dass ich beim Arzt gestalked werde. Ob er sich das irgendwann mal durchgelesen hat, weiß ich leider nicht. Vermutlich eher nicht. Er sagte Namen, Daten und Orte wären schön. Ich habs versucht. Nach vier Seiten musste ich erst mal wieder aufhören. Es ist nicht schön, immer wieder an den Scheiß erinnert zu werden, was andere Leute mit einem machen konnten.

Ich hab gearbeitet. Ich sollte mich viel bewegen. Ohne Blasenentzündung ist das Leben viel schöner. Das muss ich sagen. Ich versuche mich abzulenken. Noch mehr Fragen zu der Operation zu stellen, würde mich beruhigen. Aber dazu hat vermutlich kaum einer Zeit. Zum Beispiel warum zum Teufel ich mich rasieren soll und die Frau im Internet nicht. Wahrscheinlich will doch einer den Scheiß von unten mit dem Metallpenis mit mir machen. Aber dem habe ich nicht zugestimmt, also können sie es nicht machen. Geht das nachher im Stress unter? Die rennen nur von OP zu OP, von Patient zu Patient. Eine, die Fragen stellt, stört die Routine. Wer sich verweigert auch.

Das ist genauso, als würde ich in eine Wohnung kommen und würde dort unerwartete Dinge vorfinden. Plötzlich kann ich nicht im gewohnten Trott weiter putzen. Ich muss nachdenken, wie ich darauf reagiere. Zum Beispiel wenn da noch Sachen liegen. Ist das von den alten Gästen oder schon von den neuen Gästen? Soll ich anfangen zu putzen oder haben sie vielleicht verlängert und sind gerade am Strand? Und noch mehr aus der Routine wird man gerissen, wenn einer alles in Frage stellt. Wenn da zum Beispiel ne Frau kommt und sich beschwert, es sei ja gar nicht richtig geputzt worden. Man gibt sich Mühe, aber für solche Leute ist es dann niemals gut genug. Weil die macht zu Hause alles mit Chlorreiniger und Bleiche sauber, damit man von Fußboden essen kann. Scheiß auf die Umwelt oder wenn die giftigen Dämpfe die Gesundheit schädigen, Hauptsache es ist sauber. Dann muss ich entweder zugeben, dass ich es nicht so machen kann, wie sie das möchte, weil mir die Umwelt wichtiger ist und ich auch keine Putzneurose habe. Oder ich muss mit ihr diskutieren, um meine Position zu verteidigen. Alles, aber Routine ist dann nicht mehr möglich. Und das stört jeden. Das ist menschlich. Aber aus der Routine geworfen zu werden, fördert das selbständige Denken. Das konnte ich früher nie. Ich konnte nicht meine Meinung sagen, wovor ich Angst habe, was ich nicht will, was mir wehtut, wie ich mich fühle. Ich wurde in Situationen hineingesogen und dann am Ende wieder ausgespuckt. Ohne Einfluss nehmen zu können. Völlig hilflos.

Aber was ich nicht verstehe ist, warum ich anscheinend wegen meiner Texte gemobbt werde, wenn klar ist, dass niemand dieser Leute sich das jemals durchgelesen hat? Offenbar erzählt jemand Lügen über mich. Vielleicht wünschen sich einige ja, dass ich schlechtere Texte schreiben würde. Darum zitieren sie, was ich nie geschrieben habe. Oder sind die Mobber aus irgendeinem Forum wieder hinter mir her, aus dem ich längst wieder ausgetreten bin?

Das Organ

Irgendwas geht da wieder ab, was ich nicht begreifen kann. Und wenn man nicht genau weiß, was los ist, zusätzlich dazu neigt, Dinge zu vergessen, wenn man Stress hat, dann kann man sich auch nicht dagegen wehren. Läuft da vielleicht irgendein durchgeknallter Arzt wieder hinter mir her mit einem Eingriff, den er unbedingt durchziehen will? Auch gegen meinen Willen? Ich habe deutlich gesagt, was ich will und was nicht. Es ist darauf eingegangen worden. Bis jetzt. Also scheint alles geklärt zu sein, oder nicht?

Vorsichtshalber speichere ich aber die Telefonnummer des Polizisten und meiner Rechtsschutzversicherung in meinem Handy. Nun liegt es nicht mehr an mir, ob der Eingriff dazu führt, dass ich ne Langzeittherapie brauche oder ob ich über mich selbst lache, dass ich mir so viele Sorgen wegen so einem kleinen, harmlosen Eingriff gemacht habe. Aber so harmlos ist es ja doch nicht, denn erst vor Kurzem ist jemand dabei gestorben.

Organe