Unvollkommenheit

Man darf sich nicht zum Überarbeiten hinreißen lassen, bevor die Rohfassung fertig ist. Das mach ich immer falsch. So wird der Anfang immer besser und länger, aber die Geschichte wird nie fertig, weil alles andere noch fehlt.

Hab diese Woche wieder zwei Vorsorgeuntersuchungen hinter mich gebracht. Vielleicht geht es langsam wieder bergauf. Wäre ja mal schön. Ich hab in letzter Zeit noch mehr erledigt, was ich schon lange erledigen wollte. Bankwechsel wegen zu hoher Gebühren in die Wege geleitet. Noch mehr Zeugs bestellt, was mir beim gesund werden helfen soll. Und die Arzttermine.

Und heute hab ich mal wieder ein paar Seiten geschrieben. Welche Geschichte war dran? Die von John aus der Sicht seines Widersachers. Ich muss langsam mal den Bösewicht auf den Plan bringen, sonst fehlt in den späteren Teilen dann die Spannung. Ich bin heute zwar zufrieden, weil ich überhaupt was geschrieben habe. Aber ich finde, man hätte das spannender schreiben können. Trotzdem werde ich nicht überarbeiten. Ich schreibe erst mal weiter und mache mir dann später darüber Gedanken.

Erst mal muss die Handlung stehen. Ich hab schon viele Ideen. Ich müsste von den Ideen her jeden Tag was schreiben, aber vielleicht ist es bei manchen Ideen auch besser, man lässt sie etwas länger im Kopf gären. Was draußen in der Welt passiert, ist nach wie vor ganz schrecklich. Lobbyismus, Kriege, Hetze, Hunger. Da ist man froh, wenn man sich ein paar Stunden nicht damit beschäftigen muss.

Doch eine Zeitmaschine ?
Meister Gunna lachte und lachte und ging vorgetäuscht selbstsicher aus dem Raum. Was für einen üblen Scherz hatte sich da seine Liebhaberin geleistet? Sie war John? John konnte in andere Körper wandern? Er hatte John doch dort liegen sehen, außergewöhnlich lebhaft. Aber gerade das war es, was ihm zu schaffen machte. Normalerweise reagierte er nicht so. Vielleicht war die kristalline Flüssigkeit, die er von dem Alien damals gekauft hatte, ja doch kein Fehlkauf gewesen? Dumm, denn er hatte ihn aus Rache für das Leben seiner Tochter umgebracht. Im Grunde war dieser Alien der erste, der auf seinem Kompost gelandet war. Er stand nun vor der Selbstmordmaschine und überprüfte noch mal alles. Er hatte den Kristall damals in die flüssige Form umwandeln müssen. Die Maschine sollte ihn von seinem alternden Körper erlösen. An genetische Verbesserungen oder Erneuerungen glaubte er nicht. Er wollte eine Maschine, mit der er nach dem Tod in andere Körper schlüpfen und sie besetzen könnte. Der Alien hatte ihm versprochen, dass es so wirkte, doch seine Tochter Monika war nie in anderer Form zu ihm zurückgekehrt. Aber John? Hatte John etwas geschafft, was Monika nicht geschafft hatte? Er hatte sie vorher auch nicht instruiert, denn dann wäre sie niemals in den Anzug geschlüpft. Er hatte ihr nur gesagt, es sei eine Teleportations-Maschine und sie solle zu ihm zurückkehren, egal, wie verwirrt sie doch sei und egal, wo sie auch lande. Er hätte ihr auch sagen können, das sei ein automatischer Schminktisch, das hätte sie ihm auch geglaubt. Doch John war ja gar nicht gestorben, wie konnte das sein? Die Maschine sollte die Seele aus dem Körper lösen und in eine Art Zwischen-Dimension bringen, von da aus sollte man sich jede Art von Wirt aussuchen können. Von dort aus war man so gut wie allwissend. Warum hatte es mit Monika nicht geklappt? Das ergab alles keinen Sinn. Trotzdem hatte er Jill davon nie erzählt, oder doch? Vielleicht im Suff? Hatte sie ihm eine Wahrheitsdroge eingeflößt? Verdammt noch einmal. War das vielleicht eine besondere Form der Industrie-Spionage? Bevor er die Akademie gegründet hatte, war er schließlich überall als Erfinder bekannt. Und sie interessierte sich immer sehr für seine Arbeit. Konnte sie überhaupt so eine Art Scherz machen? Das passte nicht zu ihr. Die Scherze, die sie zu machen pflegte, waren meist frivol und endeten damit, dass die beiden im Bett landeten. Er ließ die Situation noch einmal Revue passieren. Sie hatte sich anders bewegt, hatte ihn angegriffen, nach ihm geschlagen, ihn beschimpft. Sie kannte John ja gar nicht, jedenfalls nicht in seiner gesunden Form. Sie kannte ihn nur als Patient – nahezu unbeweglich und stumm. Nein, es war unmöglich, dass sie so etwas machte. Es musste stimmen. Vielleicht war es das fehlende Puzzleteil. John hatte es geschafft, weil er nicht ganz tot war. Meister Gunna hatte ihn ja vorher aus der Maschine genommen. Das würde erklären, warum er der Einzige von seinen zahlreichen Mordopfern war, der jemals zu ihm zurückkam, um sich zu beschweren. Trotzdem war dann da noch eine andere Person, denn das war nicht John gewesen, der ihn aus Johns Körper angestarrt hatte. Verdammt. Den Alien, Nuvet Stuts, umzubringen, war übereilt gewesen. Er hätte ihn am Leben lassen müssen. Irgendwo in einem Verlies eingesperrt, wo er ihn immer wieder befragen konnte. Zu spät. Zunächst einmal würde er verhindern, dass John ihn weiter heimsuchen würde. Er wartete, bis die beiden schliefen. Die Art und Weise wie das passierte, war ein weiterer Beweis dafür, dass es stimmte. Jill kuschelte sich mit verheultem Gesicht zu John auf das Bett. Dann schliefen die beiden ein. Das war nicht seine Jill. Er musste sie befreien. Leise schlich er sich an die beiden heran. Er nahm aus dem Pflegewagen ein Tuch, tränkte es mit etwas Ether und hielt es Jill vor den Mund. Dann schleppte er sie weg von ihm. Er zog sie mit all seiner Kraft in die Abstellkammer neben dem Eingang zu seinem Gewächshaus unter der Treppe. Er fesselte ihr die Hände – nur zur Sicherheit. Dann ging er ins Krankenzimmer zurück und schaute nervös auf den schlafenden John. Er hatte keine Ahnung, welches Wesen dort drin nun wohnte, aber er würde dem ein Ende setzen. Er nahm ein Kissen und drückte es auf Johns Gesicht, so lange bis er endlich tot war. Das würde diesen Fluch beenden. Nun würde er sich seine Maschine noch einmal vornehmen und sie modifizieren. Sein Körper musste gerade eben so am Leben bleiben. Dann war sein Geist frei. Er würde dann hoffentlich herumwandern können wie John. Jill würde zuerst gehen, dann er selbst. Dann würde er zurück kommen und die Maschine zerstören. Er überlegte sehr lange, wie er das alles so steuern konnte, das es auch klappte. Dann drehte er an ein paar Schrauben herum, veränderte die Konzentration der Betäubung, fügte mehr von der kristallinen Flüssigkeit hinzu und begrenzte den Sauerstoffentzug auf die Zeit, die John in der Maschine war.
Irgendwann am selben Abend holte er Jill aus der Besenkammer. Er spürte, dass John weg war. Sie war wieder sie selbst. Er schleifte sie zur Maschine. Er hatte ihr alles darüber erzählt. Dass er damit Studenten umbrachte, um sie von echten Zeitreisen abzuhalten. Sie hätte ihm die neue Geschichte nie geglaubt, darum musste er sie nun leider zu ihrem Glück zwingen. Sie jammerte und flehte. Also löste er ihre Fesseln und befahl ihr, in den Anzug zu schlüpfen.
„Hör zu. Ich hab sie modifiziert. Es wird etwas anderes passieren“
Sie verstand es nicht. Sie dachte, er sei durchgeknallt. Offenbar erinnerte sie sich auch nicht daran, jemand anders gewesen zu sein.
„Bitte nicht. Pepe! Ich liebe dich doch! Was auch immer ich getan habe, was dich so wütend gemacht hat, es tut mir aufrichtig leid!“
Sie war so in Panik und weinte die ganze Zeit, dass er sie noch mal betäuben musste. Dann zog er ihr den Anzug über und startete die Maschine. Er war sehr gespannt. Als sie im Koma lag, fiel ihm ein, dass sie dort, wo auch immer das war, vielleicht ebenso in Panik geraten würde. Er musste schleunigst hinterher. Also tat er endlich das, wofür er diese Maschine ursprünglich gebaut hatte. Nur, statt sich vorher umzubringen, setzte er sich selbst in ein tiefes Wachkoma. Als er wieder zu sich kam, schwamm er im Wasser der Unendlichkeit. Es war nichts zu sehen. Der Himmel war schwarz und ohne Sterne, das Wasser tief und undurchsichtig. Von irgendwoher kam Licht, aber er wusste nicht, woher. Keine Welle bewegte den Ozean. Jill war nicht da. Monika auch nicht. Dieser Ozean war unendlich groß. Es war unmöglich, die beiden zu finden, also musste er allein weiter machen. Was auch immer passierte, er würde diese Gegend, diesen Zustand und alles was damit zusammenhing schon bewältigen. Überwältigen, beherrschen und domestizieren. Und zu seinem Vorteil nutzen. Da war er sich sicher. Irgendwo befanden sich die frischen Körper und er würde sich einen davon nehmen. Niemand konnte ihn jetzt mehr aufhalten.

 

Warum ich nicht zufrieden bin:

Zu viele Gedanken, zu wenig Handlungsbeschreibung und daher auch zu viel Bericht und zu wenig Spannung. Aber dass werde ich dann irgendwann nächstes Jahr mal ändern oder so, wenn tatsächlich eine Rohfassung daraus entstanden ist. Ich bin jetzt auch müde. Ich hatte mir vorgenommen, wieder früher zu Bett zu gehen, aber wenn ich schon mal am Schreiben bin, dann zieh ich das auch durch.

 

 

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