Jetzt haben wir schon September. Die Zeit läuft immer so schnell. Der Polterabend für die goldene Hochzeit meiner Eltern war ja ganz gemütlich. Der Kranz, den sie von den Nachbarn bekommen haben, sieht super aus. Die Schnittchen haben gerade so gereicht. Es ist noch ganz viel Cola übrig geblieben, die ich nun mit Mangosaft gemischt trinke. Ich weiß. Säfte sind voller Fruchtzucker. Auf Saft verzichten kann ich nicht. Auf Kuchen verzichten schon. Ich bräuchte nicht mal das eine Stück Kuchen im Monat, dass ich mir zugestehe. Wenn man sich das erst mal abgewöhnt hat, dann schmeckt es gar nicht mehr. Und Cola? Ist ein Phosphor-Lieferant. Nicht gut bei Arthrose. Und enthält viel Zucker. Eigentlich auch nicht gut, aber das ist eine Ausnahmezeit. Die goldene Hochzeit war am 6. September. Der Pastor kam und es gab Kaffee und Kuchen (nicht für mich). Es war ein nettes Gespräch. Danach haben wir dann unsere Geschenke überreicht. Zwei Sportmatten und eine Reise.
Ich habe nun oben ein Sportzimmer eingerichtet. Es ist genug Platz. Es gibt einen TV mit DVD-Player und ein kleines Regal für die Sport-DVDs. Ich habe sogar noch kleine uralte Lautsprecher gefunden, die super funktionieren. Gestern hab ich stundenlang DVDs ausprobiert und sie mit Zetteln beklebt (einfach, mittel, schwer…). Für viele Übungen braucht man aber Hilfsmittel, wie eine Matte, Hanteln oder eine Theraband. Das meiste davon hab ich schon. Meine Yogamatte ist aber für die Übungen im Liegen viel zu dünn. Also hab ich mir noch eine schöne große rote bestellt. Natürlich ohne Weichmacher, also so weit es geht umweltfreundlich. Bisher haben meine Eltern sich noch nicht in den Sportraum getraut. Aber der Winter ist lang. Und falls wir mal gemeinsam trainieren wollen, hab ich auch noch einen Satz Hanteln bestellt.
Jetzt kann ich also auch jede Woche mehrmals trainieren. Und eine DVD Taekwondo hab ich auch noch bestellt. Ich bin schon tendenziell kaufsüchtig, dafür, dass ich so wenig Geld habe. Aber das liegt an der mangelnden Impulskontrolle, die man durch den Krebs bekommt. Der Krebs macht das, dass man denkt: “Wofür soll ich mein Geld noch sparen?”. Und während der Therapie wird einem erst recht bewusst, dass es jederzeit vorbei sein kann. Besonders wenn man wie ich auch noch während der Chemo einen Autounfall hat.
Nix passiert, aber trotzdem hinterlässt es Spuren. Wozu noch warten? Wozu soll ich mit meiner Meinung hinter den Berg halten? Wozu soll ich immer auf andere Rücksicht nehmen, wenn sie das nicht auch tun? Ja, so fängt man dann an zu denken.
Sport hilft aus diesem Gedanken-Karussell herauszukommen. Es lenkt besser ab, als Fernsehen und macht auch noch fit nebenbei. Vermutlich hilft es mehr, als würde ich ne Therapie machen. Therapie kriegst Du nur, wenn Du Dir irgendwas diagnostizieren lässt. Sonst können die Dir nämlich nicht helfen, weil sie nicht wissen, was mit Dir los ist. Und die Krankenkasse bezahlt es dann nicht. Was für ein Schwachsinn. Und da Coaching eher für Karriere-geile Hühner ist und ich dafür auch kein Geld habe, bleiben mir nur die Gratis-Gespräche bei der Psychologischen Beratung der Diakonie Südtondern. Und der Rehasport.
Ich brauche den Rehasport, weil alleine trainieren nicht das gleiche ist, wie mit anderen unter professioneller Anleitung zu trainieren. Zu Hause verbessert Dich keiner. Es korrigiert Dich keiner, wenn Du falsch stehst. Es lobt Dich keiner. Und Du kannst Dich auch mit niemandem nett unterhalten, außer mit den Leuten, die ohnehin schon da sind und die, wie in meinem Fall, nicht so richtig mitmachen wollen.
Und mit dem Schreiben bin ich immer noch nicht weiter gekommen. Sollte ich mich auf Kurzgeschichten beschränken? Das ist wenigstens etwas, womit ich auch fertig werde. Mein erster Roman ist ja immer noch nicht fertig. Und solange liegen die ganzen Ideen, die ich für Folgeromane entwickelt habe, auch auf Eis. Alles liegt auf Eis. Immer nur schuften. Naja, um ehrlich zu sein, ich verplempere auch viel Zeit mit Fernsehen und Computerspielen.
Also muss ein neuer Plan her. Ein Plan fürs Schreiben. Nur fürs Schreiben. Ich sollte vielleicht auch tatsächlich wieder anfangen, ökotrophologische Dinge zu tun. Ich sollte anwenden können, was ich gelernt habe. Vielleicht ändere ich demnächst mal was an meinem Job. Oder ich mache etwas zusätzlich bei der Familienbildungsstätte. Aber nur nicht zu viel Stress. Schließlich bin ich wirklich keines von diesen Karriere-geilen Hühnern. Selbst wenn ich mich sehr anstrenge, ich kann das gar nicht. Und es ist mir auch egal, dass ich es nicht kann. Der Sinn des Lebens ist mit Sicherheit nicht, eine tolle Karriere zu machen. Da bin ich mir sicher. Der Lebenswunsch vieler Menschen ja, aber nicht der Sinn des Lebens.
Was ich schon lange machen wollte:
Selbsterfahrung durch Schreiben. Ich hab viele Bücher. Es sind mindestens ein halbes Dutzend, die ich durcharbeiten wollte. Das ist dringend. Expressives Schreiben zum Beispiel. Einmal benutzt, einmal weggelegt. Nicht, weil es mir nichts bringt. Im Gegenteil. Es bringt eine ganze Menge. Weggelegt, weil ich das erst mal verkraften musste. Vielleicht habe ich Angst vor diesem Selbsterfahrungskram. Davor, was ich da über mich heraus finden könnte. Es gibt inzwischen so viele Bücher nach dem Motto “Finde heraus, was Du wirklich willst…”. Was aber, wenn ich es herausfinde und es dann nicht schaffe? Weils meine Fähigkeiten übersteigt oder zu stressig ist? Was dann? Fühle ich mich dann nicht als Versagerin? Davor kann man sich doch schützen, wenn man es gar nicht erst versucht, oder? Ach ja. Ich bin schon eine Transuse.
Was ist eine Transuse überhaupt? Substantiv, feminin. umgangssprachlich abwertend.[langweilige], langsame, [geistig] schwerfällige Person. Synonyme: Träumer, Träumerin; (abwertend) Schlafmütze; (umgangssprachlich abwertend) lahme Ente, Trantüte. Ja, passt wohl. Ich nehme das Urteil und die Beschreibung meines Zustandes vom Duden an und gebe alles zu. So bin ich. Ich mache das nicht mit Absicht. Es ist einfach so und ich kann es nicht ändern. Basta.
Nun weiter mit meinem Plan. Diesen Winter mindestens eines der beiden Bücher zum Thema Selbsterfahrung durcharbeiten. Vorzugsweise das, mit dem ich schon angefangen hatte. Ich könnte mir auch mal wieder vornehmen, jeden Tag ein Kapitel zu lesen und dann dazu eine Schreibübung zu machen. Eigentlich sollte ich das schon ein paar Monate machen. Aber naja, der Sport ist wichtiger, weil der mich am Leben hält. Ich könnte mal wieder den Nanowrimo mitmachen. Vielleicht kommt ja etwas Nützliches dabei zustande, was ich verwerten kann.
Ich möchte so gerne Sciencefiction schreiben. Nur eine Stimme in meinem Kopf flüstert ständig, dass ich dafür zu wenig von Technikkram verstehe. Böse Stimme.
Umweltsciencefiction läuft ganz gut. Ich habe es dieses Jahr immerhin einmal verkauft und damit 46 Cent verdient! Die andere Kurzgeschichtensammlung, die ich veröffentlicht habe, kauft überhaupt keiner. Wenn ich immer nur Kurzgeschichten fertig kriege, könnte ich ja auch Sciencefiction-Fortsetzungsromane schreiben. 30 Seiten kriege ich fast immer hin, schätze ich. Vielleicht kann ich das sogar auf 50 erhöhen. Das wäre schon was Richtiges. Ich würde auch gerne mal Krimis schreiben, nur so zur Übung. Aber dann so einen, wo der/ die Kommissar(In) im Mittelpunkt steht und sich weiter entwickelt. Und der Böse wird am Ende immer geschnappt. Etwas Stilles, wo nicht ständig etwas explodiert, wenn man es irgendwann mal verfilmt.
Ja, man muss Träume haben. Träumerin. Transuse. Lahme Ente.