Immer nur Regen

Ich hab diesen Monat viel frei gehabt. Dafür, dass ich so viel frei hatte, hab ich viel zu wenig geschrieben. Ich hab einige Serien bei Netflix durchgeschaut und es hat manchmal ein Gefühl der Unzufriedenheit bei mir hinterlassen.

Serien ohne richtiges Ende, die nicht mehr weiter verfolgt werden, weil die Resonanz zu gering war. Ist es nicht gerade der Vorteil so einer Plattform, bei der man regelmäßig für das ganze Paket bezahlt, dass man da dann auch anspruchsvollere Außenseiterprojekte ansehen kann, die für das normale Fernsehen zu wenig Einschaltquoten bringen würden?

Geld regiert die Welt. Es ist zum kotzen. Geschichten brauchen Inspiration und eine Prämisse. Wenn es nur noch um Geld geht, dann gibt es bald keine richtigen Geschichten mehr oder nur noch eine massentaugliche Form von Geschichte.

Ich will jedenfalls nicht, dass meine Geschichte plötzlich aufhört und die Leute unzufrieden sind, wenn sie das lesen, weil das Ende scheiße ist. Während so einer Serie wird aus marktwirtschaftlichen Gründen eine Erwartungshaltung geweckt, die dann aus marktwirtschaftlichen Gründen nicht befriedigt wird. Und das ist zum Kotzen.

Was sonst so in der Welt in diesem Monat passiert ist, ist größtenteils an mir vorbei gegangen.

Ich hab Übung 48 und 49 fertig. Somit fehlen mir nur noch drei Kapitel. Wenn der erste Teil endet, sobald alle auf dem Raumschiff sind, schaffe ich es in drei Kapiteln. Der nächste Teil fängt dann da an, wo sie begreifen, was mit der Erde passiert ist und eine Zeitreiseagentur bauen, um alles wieder in Ordnung zu bringen.

Der erste Teil könnte heißen: “Veronika und der Zeitreisende Teil 1: Der Fischmenschenplanet oder wie alle begann” und der zweite Teil: “Veronika und der Zeitreisende Teil 2: die Zeitreiseakademie oder die Rettung der Erde”

Denn eines steht fest: Das mache ich nächstes Jahr auch wieder. Im Winter jetzt kann ich überarbeiten, darum versuche ich so schnell wie möglich, mit den letzten Übungen fertig zu werden. Die nächsten drei Übungen will ich am liebsten in der ersten Dezemberwoche fertig schreiben. Ich weiß auch schon so ungefähr wie es weiter geht. Ich muss es nur noch schreiben.

Übung 48

Das Treffen der Gruppen

Veronika fiel jeder Schritt unglaublich schwer. Es war, als wäre ihr Körper plötzlich schwer wie Blei. Wie war es möglich, dass sie sowohl unter Wasser, als auch in der Luft atmen konnte? Aber es war kein Atmen. Es war, als bräuchte sie gar keine Luft zum Leben mehr. Sie sah die Kristalle in den Felsen, an denen sie vorbei liefen und sie bekam das unwiderstehliche Gefühl, sie herausschlagen zu wollen. Nicht nur das. Sie begann vor ihrem inneren Auge die Felswände zu zersetzen und sie sah sie in ihrer Vorstellung wie Butter schmelzen. Sie fühlte sich zu diesem Käferwesen unglaublich hingezogen. Was war das?

Sie hätte nie gedacht, dass ihre Welt sich so verändern würde, als sie von zu Hause weglief. Sie musste an das denken, was ihr der Oktopus erzählt hatte. Er war wie ein Lehrer gewesen und hatte ihr die Bedeutung der Kristalle erklärt.

Weiß oder durchsichtig ist das Leben. Diese Kristalle können Unsterblichkeit erzeugen. Sie können auch heilen oder jemanden von den Toten wieder zurück holen. Er sagte: „Sei vorsichtig, was du dir in der Nähe eines weißen Kristalls wünscht, denn es können Untote Kreaturen entstehen.“

Gelb bedeutet Energie und Wachstum. Sie strahlen Wärme aus. Pflanzen wachsen besser, unter ihrem Licht und sie können als Energiequelle benutzt werden. Bei Kreaturen erzeugt der Kristall eine Form der Allwissenheit. Der gelbe Kristall zeigt Lebewesen ihre Zukunft.

Orange dient als Universalübersetzer. Wegen der hohen Anzahl an orangen Kristallen auf diesem Planeten, können nahezu alle Wesen hier miteinander kommunizieren. Es ist auch der Kristall der Empathie. So ist es möglich, dass Wesen sich auch ohne Sprache verstehen können.

Rot erzeugt mehr Hitze und Energie. Der rote Kristall kann Feuer erfachen und Explosionen verursachen. Sie sind als Energiequelle nutzbar, aber es ist gefährlich. Es ist auch der erste Blutkristall. Das bedeutet, dass man damit Waffen herstellen kann. Es ist der zweite Energiekristall.

Grün ist der zweite Lebenskristall. Er führt zu schnellerem Pflanzenwachstum. Aber auch Pilze und Algen reagieren darauf. Mit dem grünen Kristall ist es möglich, völlig neues Leben zu erschaffen. Auch Tiere. Legt man einen grünen Kristall auf einen leblosen Felsenplaneten, dann wird sich dort Leben entwickeln und vermehren. Unfruchtbare Erde wird fruchtbar.

Blau ist der dritte Lebenskristall. Er kann Wetter erzeugen, denn er generiert und kontrolliert Wassermassen. Er lässt Meere, Seen und Flüsse entstehen, Erzeugt Sturm, lässt es regnen, hageln oder schneien. Er erzeugt außerdem eine lebendige Atmosphäre, in einer Umgebung, in der man normalerweise nicht atmen könnte.

Schwarz ist der zweite Blutkristall. Er kann alles Leben auslöschen. Waffen, die mit Hilfe dieses Kristalls gebaut werden, sind äußerst tödlich. Schlechte Wünsche, die man sich in seiner Gegenwart wünscht, gehen in Erfüllung. Bleibt jemand längere Zeit in der Nähe eines schwarzen Kristalls, wird diese Person wahnsinnig werden über die Zeit. Man kann damit Bomben bauen, die alles Leben auf einem Planeten auslöschen. Aber der schwarze Kristall stellt auch eine Verbindung mit dem Totenreich her. Man kann mit den Toten kommunizieren und in die Vergangenheit schauen.

Violett. Ein weiterer Kristall der Weisheit. Sehr selten. Besitzt die Macht der Teleportation, des Zeitreisens und ein tiefes Verständnis darüber, wie Dinge funktionieren. Mit diesem Kristall kann man mit höheren Mächten, so es diese denn gibt, Kontakt aufnehmen.

Veronika hatte den Oktopus gefragt, wie man die Kristalle benutzt. Er antwortete:

„Du redest mit ihnen und bittest sie um das, was du willst!“

Veronika dachte nach.

„Ich kann unter Wasser ohne Sauerstoff auskommen, aber ich habe mit keinem Kristall geredet. Machen sie auch manchmal das, was sie wollen?“

„Ja, Veronika. Diese Kristalle sind Lebewesen. Aber gleichzeitig sind sie auch Werkzeuge von weit mächtigeren Wesen, die wir beide uns nicht mal vorstellen können.“

„Mächtiger, als du?“

„Ja, viel mächtiger.“

„Haben diese Wesen dich erschaffen oder die Kristalle?“

„Die Kristalle, denke ich.“

„Kennst du sie? Diese Wesen?“

„Nein, aber die Kristalle erinnern sich an sie. Ihre Kultur wurde völlig zerstört, weil sie zu häufig die schwarzen Kristalle benutzt haben.“

„Warum taten sie das?“

„Weil sie gierig wurden. Es gab zu viele schwarze Kristalle. Und im Beisein von schwarzen Kristallen wird man früher oder später wahnsinnig.“

„Kann man dagegen gar nichts tun?“

„Einer von ihnen versuchte, alle schwarzen Kristalle von ihrem Heimatplaneten wegzubringen, mit einem riesigen Frachtschiff.“

„Wohin?“

„Er wollte sie in ein schwarzes Loch werfen.“

„Hat es geklappt?“

„Nein. Das Schiff stürzte ab und der Planet würde völlig zerstört.“

„Und die Kristalle auf dem Schiff?“

„Sie treiben im Weltall und richten da Unheil an.“

Veronika hatte viel gelernt, aber sie wusste immer weniger, wer sie eigentlich war. Es war merkwürdig, da unten, auf dem Grund des Ozeans die Stimme des Oktopus in ihrem Kopf zu hören.

„Du bist etwas Besonderes, Veronika!“, hatte er gesagt.

„Die Kristalle haben dich nicht verändert, sondern nur deine wahre Natur hervorgebracht!“

„Was bedeutet das?“ hatte sie gefragt.

„Du wirst es bald verstehen!“

Ihre wahre Natur. Waren das ihre schweren Beine? Welche Kreatur musste nicht atmen? War sie am Ende auch nur ein Kristall?

Der Oktopus hatte seine Freunde mit ihr mitgeschickt. Er hatte gesagt, sie würden, genau wie sie, nicht wirklich auf diesen Planeten gehören. Sie sollte ihnen mit dem, was sie gelernt hatte, helfen wieder auf ihren Planeten zu finden. Sie hatte keine Ahnung, wo das war und wie sie das tun sollte, aber der Oktopus war sich sicher, dass sie dazu die Macht hatte. Es war unglaublich zu sehen, wie schnell sich ihre Beine verwandelt hatten, sobald sie an Land waren. Kein Vergleich mit Nonas Verwandlung. Melli trug Nona, deren Beine wieder zur Flosse geworden sind, sobald sie das Wasser berührt e. Und Robert stützte Veronika ab, der jeder Schritt unglaublich schwer fiel. Nun sah man fast gar nichts mehr davon, dass sie zuvor im Meer gelebt hatten, nur ihre Augen waren merkwürdig. Ansonsten sahen sie aus wie Menschen, nur viel größer.

Veronika schaute auf ihren Vater, der von den anderen getragen wurde. Er kam immer wieder zu sich, murmelte unverständliches Zeug, stöhnte vor Schmerz und verlor dann wieder das Bewusstsein. Der weiße Kristall konnte heilen. In den Wänden fand sie aber nur schwarze, grüne und Orangene Kristalle. Sie musste einen weißen Kristall finden.

Veronika bewunderte den Käfer. Seit sie gesehen hatte, wie er die Felswände einfach aufgelöst hatte in etwas flüssiges, ließ sie diese Vorstellung einfach nicht mehr los. Immer wieder schaute sie verstohlen zu ihm herüber. Auch er hatte sich verwandelt in etwas, was menschenähnlicher war, als das, was er vorher war. Ein riesiger, Steine fressender Käfer.

Sie wanderten alle nach oben. Irgendwann betraten sie eine Höhle mit einer riesigen Öffnung. Sie konnten sehen, wie der Wind abprallte, als wäre dort ein Fenster. Da stand eine Gruppe Leute, die heraus starrten und ihnen den Rücken zugedreht hatten. Als Veronika über etwas stolperte und damit aus Versehen ein magisches Portal schloss, drehten sie sich alle um.

„John?“

Melli konnte es nicht glauben. Nach all den Jahrhunderten im Ozean hätte sie nie gedacht, ihn je wieder zu sehen.

„John!“rief sie erfreut.

„Wie ist das möglich?“, fragte Robert, der inzwischen die ganze Geschichte kannte.

„Wie bist du aus der Zwischenwelt entkommen? Wieso hast du deinen Körper zurück?“

„Zwischenwelt?“, fragte Veronika verwundert.

„Melli!“, sagte John „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass wir wieder zusammen sind! Mit deiner Hilfe schaffen wir es vielleicht sogar, das Raumschiff zu finden! Warum seit ihr eigentlich keine Meerjungfrauen mehr? Habt ihr eine Heilung gefunden?“

Man konnte spüren, dass zwischen ihnen eine starke Freundschaft bestand. Auch Robert spürte das. Das wir wieder zusammen sind. Das wir wieder zusammen sind. Das hatte er gesagt. Und wie er es gesagt hatte. Aber Melli und er hatten im Ozean geheiratet. Das zählte. Er wollte nun wissen, wie es weiter ging. Mit einem Raumschiff, könnten sie endlich wieder zur Erde. Nach Hause, nach all den Jahren!

„Was für ein Raumschiff?“

Veronika hatte die Szene aufmerksam beobachtet. Sie hatten nun alle Fragen gestellt, es war Zeit, dass jemand diese Fragen beantwortete.

„Offenbar war dieses Portal ein Portal zu dieser Zwischenwelt, von der ihr redet. Ich bin aus Versehen dagegen gekommen. Nun ist es wieder zu. Sind noch Leute von Euch dort?“

John war erstaunt, wie gut dieses Kind Schlußfolgern konnte.

„Dort sind nur noch eine Menge Echsen, eine Königin, ein Magier und eine Hexe. Die beiden haben das Portal geöffnet. Und die Königin liegt dort drüben, aber ihre Seele scheint in der Zwischenwelt gefangen zu sein. Pepe Gunnar ist auch noch dort, aber er soll auch dort bleiben. Ich schlage vor, wie lassen das Portal geschlossen.“

Veronika schaute auf die bewusstlose rothaarige Person, die in der Ecke auf einem ärmlichen Lager lag. Es erinnerte sie ein wenig an ihr Strohbett zu Hause. Das war also eine echte Königin?

„Was hat sie? Wusstest ihr, dass die weißen Kristalle heilen können? Wir müssen sie nur darum bitten, dann machen sie es.“

Der Käfermann meldete sich nun zu Wort:

„Das mit den Kristallen habe ich auch schon gemerkt. Sie leben irgendwie und sie machen etwas. Ich habe einige gesammelt. Wir können versuchen, sie zu heilen. Und mit dem Raumschiff kann ich euch auch helfen. Es wird hierher kommen. Meine Leute holen mich ab und wir können euch absetzen, wenn ihr wollt.“

Er gab Veronika einen weißen Kristall. Diese bewegte sich auf das Bett zu. Es war fast so, als wären ihre Füße mit dem Felsenuntergrund magnetisch. Es dauerte unendlich lange, bis sie am Ende der Höhle an dem Lager angekommen war. Sie schaute auf das blasse Gesicht der Königin. Dann hielt sie den Kristall vor ihr Gesicht und flüsterte:

„Bitte Kristall. Mach die Königin wieder gesund. Ich bitte dich. Ich weiß, dass du es kannst!“

Alle im Raum starrten auf das Kind, die Königin und den Kristall, der nun zu pulsieren anfing. Das pulsieren wurde immer mehr und auf einmal erhellte ein gleißendes Licht den ganzen Raum. Für den Bruchteil einer Sekunden konnte Melli die Geheimtür in dem Felsen sehen und ging langsam darauf zu.

Katharina wachte endlich auf. Das muss alles ein Traum gewesen sein. Ein sehr wilder Traum. Als sie die Augen öffnete, schaute sie in das Gesicht eines Kindes.

„Wer bist du?“, fragte sie.

Veronika zögerte. Immer wieder musste sie daran denken, dass dies eine womöglich echte Königin war. Eine Königin!

„Ich bin Veronika. Deine Tochter. Du weißt schon, die Prinzessin!“, log Veronika.

„Ich hab eine Tochter? Prinzessin? Oh nein. Ich bin keine Königin. Das war nur ein Traum!“, sagte Katharina und versuchte, sich aufzusetzen.

„Das war kein Traum. Du warst in der Zwischenwelt. So ein alter Mann und eine alte Frau haben dich da gesucht und sie meinten, du bist eine Königin.“, erklärte John.

„Zwischenwelt? Ein alter Mann? Zenobius?“

„Du kennst ihn?“

„Ja, ich, ähm, wir sind zusammen gereist.“

„Sollen wir denn das Portal lieber wieder aufbauen?“, fragte Veronika vorsichtig. Sie wollte nicht, dass ihre neue Mutter traurig war.

„Nun weiß ich, wer du bist! Du bist Veronika. Zenobius und ich sollte dich im Auftrag deiner Mutter in den Bergen suchen. Ich kann mich nicht erinnern, es bis dahin geschafft zu haben, aber offensichtlich sind wir nun in den Bergen. Zenobius hat einen Brief von deiner Mutter, den ich deinem Vater geben sollte.“

Veronika staunte nicht schlecht. Ihre Mutter hatte einen Brief geschrieben? An ihren leiblichen Vater. Schnell drehte sie sich um und versuchte alles, was sie umgeworfen hatte, wieder zu richten. Doch dann sah sie es. Es war sowohl ein schwarzer Kristall, als auch ein roter Kristall für das Portal verwendet worden. Sie wollte den schwarzen Kristall nicht anfassen.

„Schwarze Kristalle sind gefährlich. Alles was damit gebaut wird, ist gefährlich. Wir können das Portal nicht reparieren.“

„Veronika“, sagte Katharina, „Dein anderer Vater ist auch noch in der Zwischenwelt. Und ich weiß, dass es nicht Zenobius war, der den schwarzen Kristall verwendet hat. Das muss die alte Seherin gewesen sein. Sie hat auch den Sturm erzeugt. Ihr Ziel ist es alle Menschen auszulöschen und das Königreich der Elfen neu entstehen zu lassen.“

Veronika zeigte auf den Mann, der bewusstlos auf dem Boden lag.

„Das ist mein Vater.“, sagte sie.

„Ich werde ihn jetzt heilen, genau wie ich dich geheilt habe. Mit Hilfe des weißen Kristalls.“

Wieder hockte sie sich hin und hielt den Kristall über das Gesicht ihres Vater. Wie zuvor flüsterte sie an den Kristall gerichtet ihre Bitte: „Kristall. Du bist gut. Ich weiß, dass du meinen echten Vater heilen kannst. Ich weiß, dass du es kannst. Bitte hilf mir!“

Der Kristall begann abermals zu pulsieren. Das gleißende Licht erhellte abermals den Raum. Melli sah diesmal ganz deutlich die versteckte Tür im Felsen. Sie stand nun direkt davor. Entschlossen drückte sie die Tür auf, aber es ging nicht. Es war zu schwer.

„Da ist eine Geheimtür!“, sagte sie.

Veronikas Vater öffnete die Augen. Als er sah, wo er war, erschrak er und sprang auf die Beine. Doch sogleich wurde ihm schwindelig. Er sank wieder zu Boden. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gesammelt hatte, dann sah er seine Tochter weggetreten auf dem Boden sitzen.

„Veronika! Was ist mit Dir? Veronika? Was habt ihr mit ihr gemacht?“

Die Minenkinder vom Kinderheim fassten plötzlich den Mut, sich zu Wort zu melden. Sie kannten Veronikas Vater als großzügigen und netten Arbeitgeber. Sie hatten immer genug zu Essen bekommen und niemand war geschlagen worden. Sie halfen ihm alle gern in der Mine, denn das war eine willkommene Abwechslung zu dem Geschrei und den Misshandlungen, welche sie im Kinderheim erdulden mussten.

„Veronika hat dich geheilt!“, sagten sie.

„Vielleicht ist diesmal etwas schief gegangen“, fragte John.

„Vielleicht hat der Kristall nicht genügend Kraft um so kurz hintereinander zwei Menschen zu heilen? Vielleicht hat er Veronika etwas Lebenskraft abgezwackt, um das zu schaffen?“, spekulierte Katharina.

In Wirklichkeit war es ganz anders. Der schwarze Kristall, so klein er auch sein mochte, hatte die geheimen Gedanken von Veronika gehört.

„Rette meinen echten Vater“, hatte sie gesagt. Aber was sie eigentlich gemeint und gedacht hatte war, rette bloß nicht meinen Stiefvater. Sie hatte immer noch Angst vor ihm. Sie hatte sich für einen Bruchteil einer Sekunde von ihrer Angst ablenken lassen. Und nun hatte der schwarze Kristall ihre Seele in die Zwischenwelt katapultiert.

Als die bunte Gruppe merkte, dass Veronika nicht mehr aufwachte, legten sie sie auf das Bett, wo zuvor Katharina gelegen hatte.

Alle waren ratlos.

„Wir sollten das Portal wieder herstellen. Ich weiß wo sie ist. Sie ist da, wo ich vorher war. Sie ist in der Zwischenwelt. Alleine schafft sie es nicht da heraus. Außerdem müssen wir Zenobius da rausholen und Veronikas echtem Vater den Brief übergeben. Ja, sie haben richtig gehört, mein Herr, jemand in der Zwischenwelt hat einen Brief für sie!“

„Wir sollten erst einmal, die Geheimtür öffnen, damit wir wissen, was dahinter ist. Ich will keine Überraschungen mehr!“, forderte Melli.

„Ich könnte diese Geheimtür zersetzen!“, sagte der Käfermann.

Da niemand sonst etwas dazu sagte, nickte Melli ihm nur kurz zu und die beiden machten sich an die Arbeit.

„Wo genau ist diese Tür?“, fragte Tombom. Melli zeigte es ihm.

„Alles mal ein Stück zurück treten! Ich spritze jetzt meine Säure!“

Die Gruppe ging den beiden aus dem Weg und stellte die vier Zombies auf die andere Seite der Höhle, wo sie zufrieden vor sich hin sabbern konnten.

Es zischte und dampfte und die Tür löste sich in Wohlgefallen auf. Ein Raum wurde sichtbar. Dort standen Gläser mit Proben und Mess-Instrumente.

„Oh nein. Ich weiß, was das ist!“, sagte Melli. Alle ihre Befürchtungen wurden wahr.

Während alle sich auf den Raum konzentrierten, richtete Katharina den Kristallkreis wieder her. Das Portal zur Zwischenwelt formte sich. Katharina machte sich auf den Weg, Veronikas Seele und Zenobius zu suchen.

„Ich komme mit!“, sagte John. Robert hatte von der Zwischenwelt gehört. Ihm schauderte. Und auch wenn seine Angst noch so groß war, dass Melli dort wieder feststecken würde, er würde keinen Fuß dort hinein setzen.

„Ich bleibe hier. Seid vorsichtig!“

Übung 49

Versuche am Menschen

Dr. Baila erreichte mit einigen kräftigen Flügelschlägen ihr Nest, den Unterschlupf im Felsen, und legte Milva Rosenstock auf den kalten Fels. Milva stützte sich mit der hand auf den Boden ab und griff in eine riesige Blutlache. Drei tote Harpyien lagen in der Ecke und ihr Blut hatte einen Bach geformt, der langsam aus der Höhle tropfte und einen großen Teil der Vorderseite des Felsens rot färbte. Milva kannte das Gesicht von Dr. Baila aus der Akte. Sie war Wissenschaftlerin, wie sie und erkannte sofort, was hier passiert war. Es war unglaublich! Diese Frau hatte sich selbst in ein Fabelwesen verwandelt! In der Ecke lagen Vögel. Zugegeben riesige Vögel. Ihre Gene hatte sie benutzt, keine Frage. Aber das Wesen, dass sie entführt hatte, hatte neben Flügeln noch jeweils drei Arme an jeder Seite, einen normal menschlichen Oberkörper mit Brüsten und einen mächtigen Schnabel mitten in ihrem Gesicht. Was davon war wohl Absicht und was war schief gelaufenes Experiment? Und was hatte sie vor? Wie viel Mensch war noch in diesem Wesen? Milvas Hände fingen an zu zittern. Sie hatte noch nie soviel Blut gesehen.

Milva war durch den Schock total gelähmt und starrte auf das riesige Vogel-Monstrum, dass sich selbst erschaffen hatte. Sie hörte, wie die Fähre abhob. Diese verdammten Feiglinge verließen den Planeten. Sie erinnerte sich, was ihr Boss ihr eingebläut hatte:

„Vermasseln sie es nicht, Rosenstock. Noch eine Störung und der Planet wird als Forschungskolonie aufgegeben und auf die rote Liste gesetzt. Wenn es dort etwas gibt, was gefährlich ist und Menschen verschwinden lässt, dann müssen wir uns zurückziehen. Sicherheit geht vor. Finden sie raus, was da los ist, Rosenstock!“

Der große hässliche Vogel drückte die Geheimtür auf. Ein Labor kam zum Vorschein. Offenbar hatte der Vogel das Equipment aus der sinkenden Forschungsinsel hierher gebracht. Der Brutkasten war zu Milvas Verwunderung an einen gelben Kristalls angeschlossen. Der Kristall pulsierte und die grüne Kontrolllampe des Brustkastens leuchtete. Der Vogel blieb dort stehen und zeigte mit einen seiner sechs Arme darauf. Milva war sehr neugierig. Als die Echsenwesen-Aliens die Erde betraten, war Milva die erste gewesen, die mit ihnen in Kontakt trat. Sie wurde damals zur Botschafterin ernannt und dass die Angelegenheit einen friedlichen Ausgang nahm, das war zu aller erst Milva zu verdanken. Als sie diese Wesen zum ersten Mal sah, war sie ängstlich, aber auch fasziniert. Sie hatten gedroht, die Menschheit auszurotten und den blauen Planeten, auf dem es so viel Wasser gab, vor der Menschheit zu schützen. Milva handelte einen Vertrag aus, einen Nichtangriffspakt. Die Echsen durften einige Gewässer auf der Erde als Bruststätte nutzen, die mit einer Sperrzone vor menschlichem Einfluss geschützt wurde. Im Gegenzug dazu versprachen sie, sich nicht in die Politik oder andere menschliche Angelegenheiten einzumischen. Mit echten Aliens zu sprechen hatte bei ihr Euphorie ausgelöst. Und auch heute besiegte wieder die Neugierde ihre Angst.

Also stand sie langsam auf, wischte sich das Blut der toten Vögel mit einem Taschentuch von ihren Händen und betrat das Labor. Sie starrte auf das, was Baila in ihrem Brustkasten züchtete, worauf sie so stolz zeigte. Es war ein menschlicher Embryo mit riesigen spitzen Ohren! Versuche am Menschen. Natürlich. Alle Gerüchte waren also wahr. Die Praktikanten verschwanden und wurden zu Genproben verarbeitet. Das war abscheulich.

Doch Milva wusste, dass sie verloren war. Niemand würde jemals wieder diesen verfluchten Planeten betreten. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ihr bewusst wurde, dass sie vermutlich die einzige Überlebende dieser Forscher-Gruppe war. Doch wie lange? Was würde Baila aus ihr und ihren Genen machen? Was würde sie tun, wenn sie nicht mitspielte? Sie musste sich an die Situation anpassen, wenn sie überleben wollte. Also überwand sie den ersten Schock und spielte Theater. Sie spielte Begeisterung.

„Mein Gott! Baila! Sie haben es geschafft! Sie verdienen den Nobelpreis!“

Der Vogel lächelte zufrieden. Für den Moment war es geschafft. Aber sie musste ihr mehr anbieten. Sie musste ihr helfen, ihr assistieren. Sie musste sich zu etwas machen, auf den Baila nicht verzichten konnte. Offenbar war ihr Plan, diesen Planeten zu besiedeln. Mit genetisch veränderten Menschen. Auf der Erde war das freilich verboten. Den tieferen Zweck dieser Ohren konnte Milva nicht begreifen. Sie begriff, warum Baila sich selbst Flügel gegeben hatte. Um sich von der Forschungsinsel an Land zu retten. Aber warum jetzt diese Ohren? Sie musste es begreifen. So schnell wie möglich. Ihr Leben hing davon ab. Sie hatte vor dem Start alles über Baila gelesen. Die Informationen mussten irgendwo schon in ihrem Kopf sein. Komm schon, Milva. Du musst es wissen. Warum diese Ohren?

Da hörte sie aus einem der Schächte Babygeschrei. Das konnte nicht wahr sein! Baila hatte schon einige dieser Experimente fertig gestellt und sie waren noch am Leben? Milva rannte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Der Schacht wurde von einen roten Kristall erleuchtet, der in einer Ecke glühte und Hitze erzeugte. Auf dem Boden hatte Baila ein Nest gebaut aus Vogelfedern, Laub und Tierfellen. Und in diesem Nest lag ein Baby. Ein menschliches Baby. Milva beugte sich herunter und nahm das Kind auf den Arm, wiegte es hin und her. Dabei bemerkte sie den Ringelschwanz. Warum um alles in der Welt sollte man menschliche DNA mit der von Schweinen mischen? Natürlich! Wegen der Ohren! Baila versuchte Elfen zu erschaffen. Menschliche Wesen, die im Einklang mit der Natur lebten. Als Jugendliche war sie Mitglied in einem Naturschutzverein gewesen. Als sie noch auf der Erde lebte, hatte sie jedes Jahr Urlaub im Schwarzwald gemacht, wo sie lange Wanderungen unternahm und ihre Mitgliedschaft auf einer Onlineplattform, die sich „Das Elfen-Game“ nannte, verriet Milva den Rest. Dr. Baila versuchte, Elfen zu erschaffen. Baila war Milva gefolgt. Als sie sah, dass sie den Schwanz entdeckte hatte, machte sie einen gequälten Gesichtsausdruck. Traurig reichte sie Milva eine Spritze mit einem Gift. Sie hielt dieses Baby für ein misslungenes Experiment.

„Nein, wir töten es nicht“, flüsterte Milva, „es ist in Ordnung. Fehler passieren. Es wird glücklich werden. Es ist gesund, es ist nur der Schwanz. Das macht nichts. Was sie erreicht haben ist außergewöhnlich! Ich helfe ihnen. Sie können auf mich zählen. Aber wenn sie dieses Kind töten, nur weil es einen Schwanz hat, dann werde ich mich hier und jetzt von diesem Felsen stürzen!“

Baila nickte. Das war also der Deal, den die beiden eingingen. Es wurde nicht mehr getötet. Milva half Baila bei ihren Experimenten. Sie ließ sich Blut abnehmen und spendete ihre Eizellen. Zusammen mit den Blutproben der ehemaligen Studenten konnten sie so eine funktionierende, fast menschliche Gesellschaft auf der neu entstandenen Landmasse erschaffen. Baila würde ihre Elfen bekommen und Milva bekam ebenfalls eine genetische Veränderung, mit der sie niemals gerechnet hatte. Mit der Spritze zur Unsterblichkeit verpasste sie ihr ebenfalls Elfenohren. Unsterblichkeit bedeutete unendliche Forschungen und unendliche Sklaverei. Doch irgendwann würde Milva ein Schlupfloch finden und ihr entkommen. Bis dahin lenkte sie sich mit Forschungsarbeiten ab, denn was Baila hier aufbauen wollte, war in der Tat faszinierend.

Nach 5 Jahren hatte sie schon 13 Kinder erschaffen, um die sich Milva Rosenstock kümmerte, als wäre sie ihre Mutter. Nur drei dieser Kinder hatten spitze Ohren, einige hatten Schweines-Nasen, einige Schlappohren und einige Schweineschwänze oder Hufen. Aber inzwischen hatten sie es geschafft, das Genom für die Ohren zu identifizieren. Sie war eine Gefangene, aber sie hatte sich mit diesem Schicksal abgefunden. Vor allen Dingen war sie eine gute Assistentin geworden. Und eine gute Dienerin. Sie hatte auch keine Wahl.

Milva betrieb heimlich nebenbei ihre eigenen Forschungen. Sie erforschte die Kristalle. Es gab neun Farben. Weiß oder durchsichtige, gelbe, orangen farbige, rote, grüne, blaue, violette, schwarze und bunte. Alles war hier in den Schächten und Gängen unter ihrem Felsennest zu finden. Immer wieder machte sie sich auf den Weg, diese Gänge zu erforschen und schlug Proben aus der Wand.

Eines Tages fand sie etwas in einem Gang hinter einer aufgelösten Steinwand, was wie eine riesige Schildkröte aussah. Als sie vorsichtig den Panzer mit dem Fuß anstupste, fing es an zu leuchten. Erschrocken wich Milva zur Seite. Das Ding regte sich und verwandelte sich vor ihren Augen in etwas menschenähnliches. Sechs Arme, wie Baila, einen kompakten Körper, der an einen Käfer erinnerte und ein menschenähnliches Gesicht, bis auf die merkwürdigen schwarzen Augen. Und dann fing es an zu sprechen:

„Guten Tag. Ich darf sie bitten, diesen Gang wieder zu verlassen. Mein Name ist Tombom und ich bewache unseren Brutplatz. Bitte gehen sie.“

„Brutplatz? Bist du eines von Bailas Experimenten, dass sich verselbständigt hat?“

„Ich kein Experiment. Ich Leuchtkäfer von mächtigen Planeten der Leuchtkäfer.“

„Dieser Planet gehört Leuchtkäfern? Wenn sie so mächtig sind, warum hab ich noch nie einen hier gesehen?“

„Dies Ozeanplanet. Gut um Wasservorräte aufzufüllen. Vulkanausbruch führte zu Bruchlandung. Neue Heimat gefunden. Wir brüten hier. Bitte verlassen sie diese Örtlichkeiten!“

Milvas Neugierde besiegte alle Vorsicht und Angst, die sie hätte haben müssen.

„Las mich deinen Brutplatz sehen, dann gehe ich. Ich verspreche es.“

Der Käfer überlegte kurz dann ging er in eine Richtung tiefer in den Schacht und wies sie an, ihm zu folgen. Sie bemerkte, dass es immer wärmer wurde, je weiter sie in den Gang vordrangen. Dem Käfer schien das nichts auszumachen. Aber sie empfand die Hitze bald als unerträglich, zumal die Luft auch immer mehr nach Schwefel stank.

Dann war es endlich so weit. Sie betraten eine große Höhle, in deren Mitte sich ein Lavabecken befand. Drum herum lagen weiße Larven in Steinnestern.

„Unsere Larven brauchen Hitze des Vulkans.“, erklärte der Käfer.

Milva war fasziniert von der Vorstellung, dass es humanoide Käfer gab. Das stellte alles, was man auf der Erde von Evolution wusste, auf den Kopf. Sie war aber schon so lange bei Baila, dass sie in diesen Larven nicht nur potentielle Säuglinge sah, sondern auch potenzielle DNA-Proben.

Sie bemerkte, dass zwei Larven in einer kühleren Ecke außerhalb eines Nests lagen.

„Was ist mit denen?“, fragte sie.

„Sie sind zu schwach, werden vermutlich sterben. Ich habe sie aussortiert.“

„Sie liegen auch nicht im Nest. Packe sie zurück, dann werden sie überleben!“, sagte Milva.

Der Käfer schaute sie irritiert an.

„Es stimmt etwas mit ihnen nicht.“ erklärte er.

„So? Was denn?“

„Mutierte DNA. Larven werden später nicht aussehen, wie Käfer. Unterdrückte DNA wird Oberhand gewinnen. Sie werden mutiert sein und anders aussehen.“

„Wie werden sie aussehen?“, fragte Milva.

Der Käfer holte ein technisches Gerät heraus und scannte die beiden Larven.

„Wie hässliche dumme Menschen. Wie du.“

Milva verzog zornig das Gesicht und erklärte:

„Ich sag dir was, kleiner Käfermann. Du legst dieses Larven in das Nest und lässt sie ausschlüpfen.

Dann hole ich sie ab und ziehe sie groß.“

„Warum sollte ich tun? Ich mächtiger, als du. Menschen ohne Waffen schwache, minderwertige Wesen. Ich stark ohne Waffe, denn ich Waffe.“

Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, zielte er mit seinen Drüsen auf einen Felsbrocken, der am Eingang der Höhle lag und sprühte eine ätzende Säure darauf. Sofort löste sich der Stein in Brühe auf und floss in eine Felsspalte ab.“

Milva spürte, dass sie zu weit gegangen war. Aber sie wollte dieses Larven. Was war bloß los mit allen, dass sie dachten, es sei in Ordnung, Babys oder Larven nur wegen einer leichten Mutierung einfach so töten? Sie würde auch diese Kinder retten. Aber sie hatte nichts, womit sie den Käfer einschüchtern konnte. Oder doch?

„Ich kenne ein Wesen, dass mächtiger ist, als du. Sie ist ein riesiger Vogel mit mächtigen Klauen. Wenn du mir die Larven gibts, dann erzähle ich ihr nicht, dass du hier bist. Sie sammelt DNA. Deine DNA hätte sie sicher sehr gerne. Dann macht sie Experimente mit dir und es wird nichts von dir übrig bleiben!“

Das schüchterte den kleinen Kerl leider überhaupt nicht ein.

„Ich Vogel gesehen. Ich euch beobachtet. Du ihre Sklavin. Schwacher Mensch Sklavin von großem, aber schwachem Vogel. Eure Haut nicht härter als Stein. Geh jetzt.“

Milva seufzte. Sie musste daran denken, wie oft sie mit ihrem Mann versucht hatte, Kindern zu bekommen. Dann erfuhr sie von ihrer Unfruchtbarkeit. Er verließ sie daraufhin. Vielleicht hatte Gott ihre Gebete schließlich doch erhört und sie zur Mutter gemacht. Und sie würde diese Chance ergreifen. Sie würde diese Kinder schützen. Verzweifelt fing sie an zu betteln:

„Hör zu, du willst diese Larven nicht. Aber ich will sie. Ich kann ihnen eine gute Mutter sein. Das tut doch niemandem weh. Bitte! Ich werde Baila nicht verraten wo dein Nest ist!“

„Meine Pflicht für genetische Reinheit zu sorgen. Ich überwache nun die anderen Nester. Was du machst mir gleichgültig.“

Er verließ die Höhle und Milva konnte sehen, wie das Leuchten seiner Haut langsam immer mehr verschwand. Das wars. Er war bereit, wegzusehen. Sie griff die beiden Larven und rannte davon. Sie wusste, dass sie sterben würden ohne ausreichend Hitze. Aber Baila hatte so einen Raum erschaffen. Der rote Kristall glühte und strahlte Hitze aus. Sie hoffte nur, dass es reichen würde. Die beiden Larven waren außergewöhnlich. Sie leuchteten im Dunkeln. Als Milva ihre Wohnhöhle betrat, baute sie ein Nest aus Steinen direkt neben dem roten Kristall und legte die beiden Larven hinein.

Baila betrat den Raum.

Milva erklärte ihr: „Ich habe eine außergewöhnliche Spezies in einer Höhle entdeckt! Es sind leuchtende, Säure sprühende Käfer! Intelligente Lebewesen! Ich konnte zwei mutierte Larven von ihnen bekommen! Sie brauchen Hitze!“

Baila sah nicht überrascht aus. Im Gegenteil. Sie schien erleichtert. Das erste, was sie tat war, einen größeren roten Kristall zu beschaffen. Ab diesem Zeitpunkt behandelte sie Milva mehr wie eine Ebenbürtige. Milva fing an, ihre eigenen Forschungen durchzuführen. Sie sammelte Proben, hauptsächlich Kristalle, denn um in der Wildnis nach Proben zu suchen, brauchte sie Bailas Hilfe.

Sie entdeckte, dass sie in der Nähe eines orangenen Kristalls Bailas Gedanken lesen und ihr Gekrächze verstehen konnte. Darum trug sie einen solchen Kristall immer in ihrer Tasche. Diese Fähigkeit gab ihr unglaublich viel Macht über die Harpyie. Mit der Hilfe eines schwarzen Kristalls, machte sie sich die Harpyie schließlich zum Haustier. Aus den Häuten der getöteten Vögel nähte sie sich einen Harpyien-Sattel. Die genetischen Experimente hörten auf. Sie nutzte ihre Zeit, um ihre Kinder großzuziehen. Sie machte sich Sorgen, wie es ihnen später ergehen würde. Sie wurden immer größer. Mit Hilfe der Harpyie konnte Nahrung beschaffen, aber die Höhle wurde langsam zu klein. Die Kinder brauchten eine Schule.

Dann fand sie einen violetten Kristall und wunderte sich, was dieser wohl bewirken würde. Als sie am nächsten Tag erwachte, verstand sie plötzlich alles. Sie konnte Vergangenheit und Zukunft auf einmal erkennen und wusste, wie es enden würde. Das half ihr, durchzuhalten. Sie würde niemals vergessen, wer sie war und ihr überlegendes Wissen schließlich nutzen, um sich zu befreien und schließlich auf die Erde zurück zu kehren. Wenn auch erst nach Jahrhunderten.

Eines Tages landete endlich das Raumschiff auf dem Planeten. Milva hatte sie schon erwartet. Es war das Raumschiff der Extremisten, das vor einigen Jahrzehnten von der Erde gestartet war. Aber es waren Menschen. Sie landeten und fingen an, den Wald abzuholzen, um ihr Raumschiff zu befeuern, dass mit Holz und Kohle betrieben war. So taten sie es auf jedem Planeten. Milva befahl Baila, das Raumschiff zu zerstören. Widerwillig krächzte diese. Dem großen Vogel wäre es lieber gewesen, wenn diese den Planeten bald verlassen hätten. Aber Milva hatten ihren eigenen Plan. Sie hatte für solche Fälle des Ungehorsams immer einen schwarzen Kristall in einer Metallkiste bereit liegen. Das Metall schirmte die Umgebung von der schädlichen Wirkung des schwarzen Kristalls ab. Sie hielt dem Vogel den Kristall vor die Nase und befahl: „Zerstöre das Raumschiff! Jetzt!“

Als Baila wieder kam, taumelte sie schwer verletzt in die Höhle und fiel auf den Boden. Sie verlor viel Blut. Einer ihrer Flügel war angebrochen. Milva versorgte ihre Wunden.

„Ist es vollbracht?“, fragte sie streng die halbtote, verstümmelte Baila. Sie hatte bei dem Kampf eine Kralle verloren. Die schüttelte den Kopf. Milva konzentrierte sich und sah das Bild, was Baila gesehen hatte. Hunderte bewaffneter Männer mit schweren Schusswaffen, die offensichtlich trotz ihrer Einfachheit sehr effektiv waren. Sie musste etwas unternehmen, wenn sie nicht wollte, dass ihre Kinder in dieser Höhle aufwuchsen. Also suchte sie abermals den Käfer auf.

„Ich brauchte deine Hilfe, Tombom!“, sagte sie.

Tombom saß vor seinen Larven und hörte ihr aufmerksam zu.

„Ich will deren Schiff zerstören. Sie sollen hier siedeln, damit meine Kinder in einem Dorf aufwachsen können. Baila hat es nicht geschafft, sie sind zu schwer bewaffnet. Sie ist schwer verletzt. Du musst mir helfen. Du musst ihr Schiff mit deiner Säure auflösen!“

Tombon wurde hellhörig.

„Sie haben ein Schiff? Ein Raumschiff? Ein Schiff, dass fähig ist, durch das Weltall zu fliegen und den Heimatplaneten der Leuchtkäfer zu erreichen?“

„Mehr oder weniger. Es ist kein besonders modernes Raumschiff. Es wird mit Kohle und Holz angetrieben.“

„Aber es ist fähig, durch den Weltraum zu fliegen?“

„Ja, aber…“

„Dann wird TomBon seine Mannschaft informieren und mit Hilfe dieses Raumschiffes den Planeten verlassen, um die Larven auf den Heimatplaneten zu bringen.“

„Du hast eine Mannschaft?“

„Wir haben hier eine neue Heimat gefunden, aber Heimatplanet ist bessere Heimat.“

Tombon holte ein Gerät aus der Tasche und stellte daran herum. Das Gerät stieß einen hellen Pfeifton hervor, dass Milva in den Ohren schmerzte.

In wenigen Sekunden wimmelte es in der Höhle von erwachsenen Leuchtkäfern, die sich um Tombon herum versammelten. Sie unterhielten sich mit grellen Pfeiftönen, so dass Milva sich die Ohren zuhalten musste. Dann wurde es plötzlich ganz still und alle starrten sie an.

Tombon wandte sich ihr zu und fragte sie aus:

„Meine Mannschaft möchte wissen, wie schwer diese Menschen bewaffnet sind.“

„Sie sind schwer bewaffnet. Es ist sinnlos! Hör doch meinen Plan an!“

„Dein Plan ist wahnsinnig. Du willst, dass diese Extremisten hier heimisch werden, damit deine Kinder, welches Experimente sind, in einem Dorf aufwachsen können.“

„Es sind meine Kinder. Sie waren nur am Anfang Experimente. Baila hat keine Macht mehr über mich und nur hier hatte ich die Möglichkeit, eine Mutter zu sein.“

„Selbst wenn deine Kinder in einem Dorf aufwachsen, es wäre das Dorf gewaltätiger Extremisten. Diese Menschen würden die Umwelt zerstören und das ist nicht das, was du für deine Kinder willst.“

„Ich habe Baila gezähmt, ich kann diese Menschen zähmen.“

„Wie hast du das geschafft?“

Milva zögerte, aber sie hatte keine andere Wahl, als es zuzugeben. Nun musste sie alle Karten auf den Tisch legen.

„Mit dem schwarzen Kristall“

Ein Raunen und Pfeifen ging durch die Menge.

„Bist du wahnsinnig? Natürlich bist du das, denn der schwarze Kristall macht dich wahnsinnig. Er hat viel Macht, aber er ist gefährlich! Die Kontrolle, die du zu haben glaubst, wird nicht von Dauer sein!“

„Ich bewahre ihn in einer Metallkiste auf, das schirmt die Wirkung ab.“

Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Es folgte eine dreistündige Diskussion, der sie nicht im geringsten Folgen konnte. Der orangene Kristall war anscheinend nicht stark genug, um die Pfeifgeräusche zu identifizieren.

Als es still wurde, wandte sich Tombom wieder ihr zu, um ihr das Ergebnis zu erklären.

„Wir werden in den Krieg gehen, denn wir brauchen das Raumschiff. Die mit den Waffen werden wir töten, die anderen lassen wir für dich übrig. Wenn wir das Raumschiff nach dem Krieg nicht benutzen können, um diesen Planeten zu verlassen, dann können wir die Teile für die Reparatur unseres eigenen Schiffs verwenden. Ich habe gerade erfahren, dass unser Ingenieur daran arbeitet.“

Das wars. Das war alles, was sie von ihnen bekommen würde.

„Wenn ihr diesen Planeten verlasst, könnt ihr dann mich und meine Kinder auf der Erde absetzen?“

„Jetzt wirst du langsam wieder vernünftig!“

Also war es abgemacht und der Krieg begann. Baila, Milva und ihre Kinder schauten von ihrer Höhle aus zu. Die Käfer kämpften so wenig wie möglich mit Säure, um das Raumschiff nicht zu zerstören. Sie hatten die besondere Fähigkeit, sich einzurollen wie ein Ball und jeden Feind mit Wucht von den Füßen zu reißen. Viele der Extremisten wurden dabei getötet. Übrig blieb nur eine wilde Horde Frauen und Kinder.

Milva sprang auf den Rücken ihrer gesattelten Harpyie und flog zum Ort des Geschehens. Sie wollte wissen, ob das Raumschiff der Extremisten einsatzbereit war oder nicht.

Sie landeten am Meer, wo das riesige Eisenschiff eine Schneise in den Wald gebrannt hatte. Dort traf sie auf Tombom und seine Kollegen. Er schaute sie traurig an.

„Das Schiff ist nicht fortschrittlich genug. Mein Kapitän weigert sich, damit zu fliegen. Lieber würde sie die zehntausend Jahre warten, bis unser Ingenieur unser eigenes Schiff repariert hat.“

„Euer Kapitän ist eine Frau?“

Tombom reagierte nicht auf diese Bemerkung.

„Was werdet ihr nun machen? Wie lange wird es dauern?“

„Nun ohne Ersatzteile wird es sehr lange dauern. Ich schätze du verrückte Frau wirst doch noch dein Dorf bekommen. Dieser Platz hier ist ideal dafür, wenn wir das Raumschiff erst mal in seine Bestandteile zerlegt haben. Um Glück waren diese Leute Diebe. Sie haben auf jedem Planeten, den sie ausgeplündert haben, einige technische Geräte mitgenommen. So haben sie zum Beispiel einen Nahrungserzeuger und eine Art Transporter, mit dem sie Sklaven von der Oberfläche der Planeten holen konnten, ohne dort zu landen.“

„Waren Sklaven auf dem Schiff?“

„Sie sind immer noch auf dem Schiff. Sie wollen es haben, um damit auf ihren Heimatplaneten zurück zu kehren, aber mein Kapitän erklärt ihnen gerade, dass von dem vermutlich nicht mehr viel übrig ist. Wir kennen ja alle die Geschichten. Und wir brauchen ehrlich gesagt die Ersatzteile ganz dringend.“

Milva war glücklich, als die Sklaven schließlich aus dem Schiff herauskamen. Den Gesichtern nach zu urteilen, hatten sie ihre Situation vermutlich noch nicht ganz akzeptiert. Die Geschichte hatte sich wieder einmal wiederholt. Alle sogenannten Sklaven waren von dunkler Hautfarbe, die Extremisten waren alle Hell. Was für eine Schweinerei, dachte Milva. Doch sie war stolz, dass sie diejenige war, die dem ein Ende bereitet hatte. Lächelnd trat sie vor denjenigen, den sie für den Anführer hielt und verkündete mit übertrieben feierlicher Stimme:

„Ihr seid frei!“

Der Anführer wechselte einige vielsagende Blicke mit seiner Gefolgschaft und schaute sie skeptisch an.

„Das wissen wir schon. Wir sind frei, aber wir sind hier gefangen, auf diesem Planeten. Zusammen mit diesen Leuten.“

Er deutete angewidert auf die Gruppe Frauen und Kinder, die sich in der Landeschneise des Raumschiffes, welches eine Brandnarbe in den Wald gerissen hatte, zusammenkauerte und ängstlich auf das wartete, was kommen würde.

„Ich will hier eine Gemeinschaft aufbauen. Ihr seid herzlich willkommen!“

„Gibt es hier noch mehr Kontinente?“, fragte der Anführer ohne besondere Regung.

„Ähm ja, es gibt weiter westlich eine Inselgruppe und einen kleineren Kontinent.“

„Gut, dann bauen wir uns ein Schiff und gehen dorthin. Du kannst hier machen was du willst, aber las uns in Ruhe. Wenn wir einen von denen auf unserem Land sehen, dann wird der oder die getötet. Wir lassen uns nicht mehr versklaven. Verstanden?“

„Aber das soll eine Gemeinschaft werden…“

Milva merkte, dass alle Überredungsversuche sinnlos waren. Diese Leute mussten schreckliches erlebt haben. Mutlos und ehrfürchtig sah sie zu, wie sie schweigend anfingen, Bäume zu fällen.

Sie stellte sich vor die Gruppe Frauen und Kinder, die von den Sklaventreibern übrig geblieben waren und starrte sie an. Tombom stellte sich neben sie.

„Weißt du, wozu sie Sklaven brauchten?“, fragte er.

„Nein.“

„Die mussten Holz kleinhacken und Kohle schaufeln, um damit den Antrieb zu beheizen. Das Raumschiff fliegt mit einem großen Ofen.“

„Ist nicht wahr!“

„Doch ist wahr. Viel Glück mit deinem Dorf.“

Die Käfer verschwanden wieder unter der Erdoberfläche. Sie bat die befreiten Sklaven Unterkünfte für die Frauen und Kinder zu bauen, ihre ehemaligen Sklaventreiber. Es war nicht leicht, sie dazu zu überreden, aber im Gegenzug dafür bot sie ihnen ebenfalls Hilfe an. Sie erklärte ihnen, was sie bisher über die Macht der Kristalle herausgefunden hatte, befahl der Harpyie ihnen beim Transport der Baumstämme zu helfen, versorgte sie medizinisch und mit ausreichend Nahrung. Als sie einige Wochen später gut ausgerüstet in See stachen, flog Milva ihnen voraus, um ihnen den Weg zu dem neuen Kontinent zu weisen. Bei wenig Wind zog die Harpyie das Schiff mit einem Seil hinter sich her. Es war eine paradiesische Welt mit warmen Wetter, Palmen und langen Stränden.

Milva brachte ihre 13 Kinder ins Dorf und überwachte das Leben dort. Die Harpyie ließ sie in der Höhle, während sie selbst bei den Menschen lebte. Wenn sie sie brauchte, pfiff sie nach ihr auf einer besonderen magischen Pfeife. Wegen der Macht der Kristalle, hielten die Leute hier sie bald für eine Hexe und nannten sie wegen ihrer Allwissenheit eine Seherin.

Milva gefiel sich in der Rolle. Sie würde das Schicksal annehmen, dass die Kristalle für sie bereit hielten. Sie sah ihre Kinder heranwachsen, heiraten, sich vermehren, altern und sterben. Eine Gesellschaft formte sich langsam.

Als einige Jahrhunderte später ein Teil des Kontinents hinter dem Gebirge absank und versumpfte, kamen die Echsenwesen, um den Sumpf zu besiedeln. Milva hatte lange auf die Ankunft ihres Kolonieschiffes gewartet. Zum einen kamen sie mit Material und modernen Maschinen, zum anderen bedeutete es wieder mehr Ersatzteile für die Käfer. Und sie wollte etwas von der Erde erfahren. Irgendwann würde sie wieder auf die Erde zurückkehren. Die Echsen sagten ihr jedoch, dass es dort nicht gut aussah. Die Umwelt-Verschmutzung hatte unerträgliche Ausmaße angenommen.

Darum hatten die Echsen die Erde wieder verlassen. Sie bauten eine Stadt, die Milva Sjuven nannte. In der Bevölkerung des Planeten der ehemaligen Forschungskolonie war es zu Unruhen gekommen. Die ursprüngliche Natur der Extremisten kam plötzlich wieder zum Vorschein. Sie hatte keine Macht mehr, denn niemand konnte sich mehr an die Anfänge erinnern. Und so wiederholte sich die Geschichte schon wieder.

Solche Menschen mit Elfenohren wurden in die Wälder verdrängt, wo sie sich kleine Siedlungen bauten. Menschen mit Schweinemerkmalen oder glühender Haut, wanderten als ins Gebirge, wo sie Minen betrieben und Erze abbauten. Sie ließen sich in Sjuven zusammen mit einigen Echsen nieder, um dort einen Handelshafen aufzubauen. Die Siedlung der Echsen hinter dem Gebirge war nur klein, weil sie es vorzogen, im Sumpf unterzutauchen.

Von Zeit zu Zeit kamen Schiffe aus der fernen Kolonie der Inselmenschen, die blühte und florierte mit Handelswaren. Sie waren an Gold, Silber und Kristallen interessiert, aus denen sie Schmuck und Waffen herstellten. Dafür brachten sie Kokosnüsse, Exotische Früchte und Muscheln.

Auf dem Planeten hatte sich letztendlich eine Zivilisation gebildet. Milva wartete auf den Zeitpunkt, an dem der Ingenieur der Leuchtkäfer endlich das Raumschiff fertig gestellt hatte. Die Vision wurde mit jedem Jahrhundert deutlicher. Sie wusste, dass sie das Schiff eines Tages als Passagierin betreten würde.