Worte oder Gedanken

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Ich habe noch nie bei einem Schreibmarathon so wenig geschafft, wie bei diesem. Außer das eine Mal, wo ich noch nicht mal geschafft habe, mich richtig anzumelden.

Es liegt ganz klar daran, dass ich mit dem, was bisher passiert ist, unzufrieden bin. Was nützen mir diese Geschichten, wenn sie nie richtig fertig werden? Ich musste etwas ändern. Nicht mehr im Fluss zu schreiben, stört zwar den Schreibfluss. Das ist logisch. Aber wenn der Schreibfluss dazu führt, dass man das, was man schreiben möchte, dann nicht schreibt, muss der Fluss dann nicht unterbrochen werden?

Dass ich weniger schaffe liegt also auch daran, dass es die anderen Male mit viel schreiben nicht geklappt hat. Und mir ist auch etwas die Fähigkeit abhanden gekommen, verbissen meine Ziele zu verfolgen. Verbissenheit führt vermutlich auch nur dazu, dass man nicht richtig darüber nachdenkt, was man tut. Man tut mehr, aber weiß nicht genau, warum eigentlich. Was ist besser? Weniger, aber dafür etwas bewusst machen – Handlungen, die wirklich dem gewünschten Ziel dienen oder irgendwas machen, sinnlose Silben aneinander reihen für ein Ziel, dass eigentlich nicht das echte Ziel ist. Die Wortanzahl ist zu einem bescheuerten Status-Symbol geworden, dem ich hinterher jage. Als Dank dafür habe ich mir auch noch angewöhnt, nur einmal im Jahr etwas für mein Projekt zu tun. Weil mir das seit Jahren schon aufgefallen ist, habe ich Fernstudien angefangen. Aber richtig Klick gemacht hat es erst jetzt.

Immer wieder musste ich mich fragen: Warum ist es denn so schwer, dass was ich geschrieben habe, zu überarbeiten, so dass was draus wird, was man auch lesen kann?

Mich interessiert es nicht, wie viele Worte eine Geschichte hat. Es ärgert und stört mich aber, wenn es nie so wird, wie ich es mir vorgestellt habe. Gedanken zu Ende denken. Aus meiner Fantasie Ergebnisse machen. Wenn ich aber nur für die Wortanzahl schreibe, dann kommen zufällig Sachen heraus, die mit den Vorstellungen zu dem Projekt oder dem bewussten Nachdenken darüber nichts mehr zu tun haben. Ich kann doch nicht immer meine eigenen Gedanken ignorieren, nur um die Wortanzahl zu schaffen. Nur um so eine digitale Plakette zu bekommen, die beweist, dass ich was geschafft habe. Das hilft mir nicht, wenn ich nicht das Gefühl habe, das geschafft zu haben, was ich schaffen wollte.

Im Fluss schreiben hat Vorteile, gerade weil man nicht bewusst nachdenkt. Viele kritisieren sich selbst ja schon beim Denken. Aber Schreiben im Fluss oder schnell schreiben hilft Schreibern eher in der Phase, in der sie gar nichts zustande bringen. Bei Schreib-Blockaden zum Beispiel. Oder, wenn man sich Schreiben an sich eigentlich gar nicht zutraut, wenn man denkt, man hätte vielleicht gar keine wertvollen Gedanken.

Wenn man wie ich zu viele wirre Vorstellungen und Fantasien im Kopf hat, so dass man ständig davon ermüdet, weil man den Überblick zu verlieren droht und sich auch nicht für eins davon entscheiden kann, dann hilft im Fluss schreiben nicht. Denn dann ist der Fluss wie eine zusammenhängende Wurst unzusammenhängender Gedanken, die man später doch wieder trennen muss. Aber man verliert den Überblick darüber, wo man trennen muss. Oder will. Hat man erst mal alles in einen Zusammenhang gebracht, was nicht zusammen gehört, fällt es schwer, sich von dem einen oder anderen wieder zu trennen. Es ist dann eher eine Dokumentation der Verwirrung und der sinnlosen oder doppelten Arbeit.

Leute wie ich brauchen, wenn sie die Phase hinter sich gelassen haben, in der sie gar nichts zustande bringen oder sich nichts zutrauen, eine Phase der bewussten Entscheidung. Bewusste Hinwendung zu den Gedanken, die direkt mit dem Projekt zu tun haben. Diese aus den anderen Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen herauszufiltern, zu erkennen und schriftlich festzuhalten, damit man später etwas daraus zusammen bauen kann, das ist die nächste Phase. Denn aus Einzelteilen kann man vermutlich besser etwas zusammen bauen, als aus einem Stück Gedankenwurst, wo nichts zusammen gehört, aber alles trotzdem miteinander verbunden ist.

Das hoffe ich jedenfalls. Die eigenen Gedanken zu erkenne, zu sortieren und zu ordnen ist etwas, was man in keinem Ratgeber lesen und durch keinen Lehrer lernen kann. Es kann einem wirklich keiner dabei helfen. Man muss es allein tun. Nur ich und meine Gedanken.

Ich werde es vielleicht dieses Jahr nicht schaffen, die Wortanzahl zu erreichen. Aber vielleicht schaffe ich statt dessen, etwas zu schreiben, was ich hinterher auch überarbeiten kann und es wäre auch von Vorteil, wenn ich nach 30 Tagen nicht so erschöpft und genervt vom regelmäßigen zwanghaftem Vielschreiben bin, dass ich sofort aufhöre, an meinem Projekt zu arbeiten, um mich erst mal zu erholen. Nein, ein Monat reicht nicht. Ich will weiter machen.

Mit irgendwas mal fertig werden, es so hin kriegen, dass es meinen Vorstellungen entspricht, das wäre mal gut.

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