Ich hab mal wieder das Buch “Expressives Schreiben” rausgekramt. Komisch, dass sich in so einem Buch eine Übung befindet, die “Experiment 15 – Freies Zeichnen” heißt. Ich dachte, es ging ums Schreiben. Egal. Ich wollte schon lange mal wieder etwas malen/zeichnen. Statt Buntstifte hab ich Ölkreide genommen. Die benutze ich zu wenig. Das Papier hatte ich noch liegen von der goldenen Hochzeit. Das habe ich als Schutzblatt zwischen die Seiten gelegt, weil der Bastelkleber auf der Hochzeitszeitung so genässt hat. Jetzt hab ich 23 DIN A 4 Karteikarten mit einem Wasserfleck drauf, die ich für Experimente benutzen kann. Dann ist dann wohl mein nächstes Projekt: 23 Zeichnungen mit Ölkreide.
Irgendwie hat es mit den krassen Farben und der krümeligen Konsistenz dann sogar hingehauen. Nur wie man das so fotografiert, dass es so aussieht, wie es tatsächlich aussieht, das habe ich noch nicht herausgefunden. Das bedeutet wohl, dass meine Fotografie-Fähigkeit unterirdisch ist. Ich wollte ja eigentlich sofort recherchieren, wenn ich was wissen will. Recherchefrage: Wie fotografiert man Bilder? Ich finde eine gute Seite, die ich mir später mal genau durchlesen werde. Meine Bilder sind zwar keine Gemälde, aber was solls. Merkwürdig. Auf die meisten Sachen bin ich auch schon selbst gekommen.
Auf die Rückseite des Bildes soll man nun schreiben, was einem dazu einfällt. Das mache ich natürlich nicht, weil Ölkreide ganz schrecklich verschmiert. Das Bild hab ich ohne Absicht gezeichnet. Ich zeichnete schwungvoll Kreise in Orange. In der Mitte dieser Kreise sah ich plötzlich ein Auge. Spontan dachte ich an einen Elefanten. Auf Orange hab ich gerade ziemlich viel Bock. Es leuchtet so schön. Elefanten sind dafür bekannt, dass sie sich gut erinnern können. Vielleicht sieht dieser Elefant darum auch so traurig aus. Das Foto ist alt, aber es ging mir nie wirklich aus dem Kopf. Ich kann Traurigkeit erkennen, wenn ich sie sehe.
Dann habe ich mal nach alten Texten gesucht und was witziges von mir gefunden. Einen Text, der kein Tagebuch-Eintrag sein kann. Der Text heißt “Ich gehöre nicht zur Elite”. Irgendwie hab ich mich damit selbst reingelegt, weil der Text wirklich anfängt, wie ein Tagebuch-Eintrag von mir.
Ich gehöre nicht zur Elite
Mir gehts heute schon wieder so schlecht, dass ich Leute verprügeln könnte. So wütend bin ich. Ich weiß nicht mehr weiter, es hat alles keinen Sinn. Ich bemühe mich und bemühe mich und mit gar nichts habe ich Erfolg. Bald wird mein Leben gänzlich den Bach runter gehen. Ich kann es schon spüren. Dort ist es, es lauert auf mich. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es mich erreicht hat. Das was ich jetzt habe, ich weiß es, habe ich vielleicht nicht mehr lange. Sicherheit, Bequemlichkeit, Familie. Alles kann zu Grunde gehen und alles was zu Grunde gehen kann, geht auch irgendwann zu Grunde. Ich weiß es. Es ist da. Es will mich. Es ist die uralte Sache aus meiner Kindheit, die mich immer wieder einzuholen droht. Existenzangst oder existenzielle Angst. Aber ich renne lieber vorher vor einen Laster und setze meinem Leben ein Ende, bevor es mich kriegt. Das schwöre ich.
Bei uns in der Klasse steht ein Zuhälter und zwei Prostituierte, die uns Kinder über den Beruf der Prostituierten aufklären. Auch die Lehrer denken, es sei ein ganz normaler Beruf. Legalisiert inzwischen. Ganz normal. „Ich muss auch Steuern bezahlen und Krankenkassenbeiträge!“, sagt die eine. Sie hat passende Arbeitskleidung angezogen und erzählt den interessierten Mädchen aus meiner Klasse, wo man solche Strümpfe kaufen kann, die teuer und sexy aussehen, aber nicht viel kosten. „Sonst hat man nichts übrig“, sagt sie. Schließlich müsse der Zuhälter, der auf die Frauen acht gibt, ja auch seinen Teil bekommen. Der Mann, der Zuhälter, grinst. Viele Mädchen sind begeistert. Manche schauen mich an, denn ich bin die, die schlecht in Mathematik ist. Mehr als schlecht.
Ihre Stiefel sind schwarz und glänzen, dass es mich fast blendet und gehen bis zum Knie. Ihr Rock lässt Teile ihres wohl geformten Hinterteils samt schwarzem Schlüpfer sichtbar werden. Dazu trägt sie ein rotes Korsett. Sie hat eins in einer kleinen Größe mitgebracht und fragt: „Will es mal einer probieren? Ich zeig euch, wie das geht, aber dazu brauchen wir jemanden, bei dem schon die Brust zu sehen ist.“ Alle zeigen mal wieder auf mich, genau wie in der Mathematikstunde, als wir das Spiel mit Kopfrechnen gespielt haben und der Lehrer fragte: „Wer hat es am schlechtesten gemacht?“, ja, alle zeigen auf mich. „Und wer am besten?“ Alle zeigen auf Melanie.
Die Prostituierte sagt, ich soll aufstehen und zu ihr hinkommen, alle lachen. Ich bin fett. Ich weiß es. Ja, einem fetten Mädchen mit schon halbwegs sichtbaren Brüsten eine Korsage anzuziehen, das ist lustig. Für alle, nur nicht für das Mädchen. Und schon stehe ich wieder mal im negativen Mittelpunkt. Genau wie an dem einen Tag im Mai letztes Jahr beim Arbeitsamt.
„Wenn sie jedes Mal schreiben, welche Wehwehchen sie haben, dann finden sie nie einen Job“, sagt sie, „So etwas schreibt man nicht in eine Bewerbung!“
„Ich will nicht lügen“, sagte ich, „schließlich soll das ja ein langfristiger Job sein und da sollte man doch ehrlich zueinander sein.“
„Mit diesen antiquierten Vorstellungen und ihren Lücken im Lebenslauf und ihrer dummen Ehrlichkeit, finden sie nie einen Job. Ich habe sie jetzt mehrmals verwarnt, aber sie hören ja nicht auf mich. Daher streiche ich ihnen ihr Arbeitslosengeld. Sehen sie zu, wie sie zurecht kommen.“
„Das können sie doch nicht machen! Ich habe gerade eine Ausbildung angefangen. Dazu haben sie mir doch geraten. Ich brauche das Geld!“
„Das hätten sie sich vorher überlegen müssen. Ich habe mich lange genug mit ihnen herum geärgert.“
Diese Ausbildung hätte mich retten können. Normalerweise müsste ich selbst bei einem Abbruch die Hälfte der Kursgebühren trotzdem bezahlen, das stand so im Vertrag. Ich wollte das Ganze dann durchziehen und meine monatlichen Beiträge zurückstellen lassen, bis ich wieder flüssig bin, aber als ich der Frau am Telefon meine Situation erklärte, hat sie mich sofort aus dem Kurs geworfen. Immerhin hat sie mir die Stornogebühren erlassen, also habe ich es akzeptiert. Mir blieb nichts anderes übrig.
Ganz anders die Frau beim Arbeitsamt. Ich wollte noch weiter auf sie einreden, aber sie warf mich raus, drohte sogar damit, die Sicherheit zu rufen. Ja, die Arbeitsagentur hat jetzt Sicherheitspersonal. Dafür haben die Geld. Vermutlich mein Geld, das mir zusteht. Ich habe jahrelang als Putzfrau gearbeitet, obwohl ich studiert habe. In der Zeitung stand in den letzten Jahren fast täglich etwas vom großen Fachkräftemangel, aber mich wollte keiner, trotz Studium. Und heute? Heute geht mein Leben den Bach runter. Zum Glück habe ich was gespart. Das reicht für ein paar Monate, weil ich bei meinen Eltern wohne und keine Miete zahlen muss. Ich würde sonst verhungern und wäre ewig vom Amt abhängig. Ich hasse Bevormundung.
Aber wenn das alles nicht mehr ist, wohin soll ich dann gehen? Ich will ja meine Träume verwirklichen und Erfolg haben, aber manchmal habe ich nicht mehr die Kraft, mich dafür anzustrengen. In dem Moment hätte ich meine Zukunft noch verändern können. Wäre ich nur sofort ausgewandert. Statt dessen habe ich mich für das Pyramiden-Programm gemeldet. Das ist ein Programm der Regierung, mit dem sie gegen die Alterspyramide kämpfen wollen. Das beinhaltet nicht nur die Heiratsvermittlung, wie ich zuerst dachte. Hätte ich gewusst, was alles dazu gehört, ich wäre gleich nach Schweden ausgewandert, das schwöre ich. Sie haben versucht, meine Eltern einzuschläfern, weil sie über siebzig sind! Einschläfern! Das muss man sich mal vorstellen! Aber ich muss die Geschichte von Anfang an erzählen.
Ooops. Ich glaube, das war wohl die Idee mit der Flucht nach Schweden. Der Versuch stammt von März 2016. Das war das Jahr, als bei mir im Herbst der Brustkrebs diagnostiziert wurde. Schade, dass ich da nicht weiter geschrieben habe. Der Anfang ist jedenfalls gut. Aber man merkt schon, wie sehr mich meine privaten Probleme bis in meine Geschichten verfolgen. Ich finde noch etwas. Das könnte eine weitere Übung aus dem Buch “Expressives Schreiben” sein. Jedenfalls heißt eine Übung da auch Grabrede. Die Geschichte stammt von Ende November 2015.
Eine fiese Grabrede
An einem Tag wie diesem musste es passieren. Es musste überhaupt irgendwann passieren. Alles in meinem Leben deutete darauf hin. Es lief darauf hinaus. Eigentlich hatte ich nie eine Chance. Schon einmal war ich kurz davor, aus dem Fenster eines Hotels zu springen. Aus dem fünften Stock, aber jemand hielt mich am Bein fest. Das andere Mal versuchte ich mich, vor einen Lastwagen zu stürzen. Auch an dem Tag wurde ich gerettet. Der Fahrer hielt an, machte ein schrecklich mitleidiges Gesicht und fragte mich weinerlich: „Warum hast du das gemacht?“ Ich konnte nicht antworten.
Doch beim letzten Mal, als sie hinter mir her waren, dachte ich, ich könnte mich retten und kletterte auf das Dach. Nur in meinem Schlafanzug und dem Morgenmantel, mit meinen Gummischuhen, die ich zum duschen anziehe. Und es war Dezember. Kurz vor Weihnachten und es lag schon Schnee. Da kamen sie wieder alle zu mir. Ich sah sie draußen stehen und sich beraten, was sie mit mir machen sollten. Einer sagte: „Wenn sie es nicht einsieht, müssen wir eben wieder alles löschen, das hat bisher auch gut funktioniert.“ Jemand anders meinte daraufhin: „Ich weiß überhaupt nicht, warum wir ihr erlaubt haben, sich zu erinnern…“
Das war es, mehr musste ich nicht hören. Wenn ich nicht das sagen würde, was sie mir vorgaben, dann würden sie einfach mein Gedächtnis löschen. Hypnose kann heute jeder Vollidiot. Es ist ein Fluch. Ich schreckte vom Fenster weg, als ich annahm, jemand aus der Gruppe hätte sich zu mir hoch gedreht. Hatten sie mich gesehen? Sie würden sich nicht aufhalten lassen und reden konnte man mit denen auch nicht.
Ich zog mir panisch die rosa Plastik-Schuhe über, griff dann hastig nach dem Morgenmantel, ging zum Dachfenster im Flur und schaute die Treppe herunter. Da standen sie schon grölend und ich sah wie meine Mutter ahnungslos die Haustür öffnete. Im selben Moment war ich aufs Dach geklettert. Es war kalt. Ich würde eine Lungenentzündung bekommen. Die Schuhe waren rutschig, das Dach war voller Schnee und einige Stellen waren vereist. Ich zog das Fenster wieder zu, so gut ich konnte. Bald konnte ich die Stimme meiner Mutter nicht mehr hören, weil ich so mit den Zähnen klapperte.
Die da draußen hatten nach mir gefragt und meine Mutter brüllte nach oben, ich solle mal runter kommen, es sei Besuch für mich da. Als ich nicht reagierte, denn das konnte ich nicht, ich saß ja im Schnee auf dem Dach und versuchte gerade, nicht herunter zu rutschen, kam jemand die Treppe hoch gepoltert. Ich wusste nicht, ob es meine Mutter war oder einer von denen.
Es fing an zu schneien. Es waren sehr dicke Flocken und ich fühlte mich sicher aufgehoben, weil ich wusste, dass man mich so schlechter erkennen würde. Es war auch nicht mehr so kalt. Letzten Endes sahen sie mich dann aber doch, als sie wieder weg fuhren. Ich versuchte vom Dach zu klettern, stürzte, rutschte herunter, überschlug mich, knallte auf den Augustbirnenbaum und brach mir das Genick. Kopfüber blieb ich in einer sehr unglücklichen Position hängen, die vermutlich für noch mehr Gelächter sorgte, und da hoffte ich noch, es sei vielleicht nicht so schlimm. Der Hund kam und leckte mein Gesicht ab. Dann wurde alles verschwommen.
Als das Leben meinen Körper verlassen hatte und meine Seele über der ganzen Situation schwebte, hörte ich sie lachen. Auch jetzt schneit es wieder und alle sind zum Gottesdienst meiner Beerdigung erschienen. Ich stehe vorne und höre mir die Predigt an, während ich abwechselnd auf meine Leiche schaue und auf die garstigen Gesichter meiner Verfolger, die vortäuschen, mich gekannt zu haben und mich zu vermissen. Ich bin ganz blass, fast blau. Doch mein Gesicht sieht so friedlich aus, dass ich immer wieder hin starren muss. So friedlich, wie ich da liege, habe ich mich nie gefühlt.
Meine Mutter hat sich durchgesetzt und mir so ein dummes, albernes Totenkleid anziehen lassen. Und ich ertappe immer wieder meine Verfolger, die sich hier in die Menge geschmuggelt haben, wie sie heimlich grinsen und mich im Tode noch verspotten.
Dann hält mein Vater eine Rede. Ich sei zu jung gestorben, sagt er. Immer wieder hätte ich versucht, erfolgreich zu sein und hätte große Träume gehabt. Vieles, von dem, was ich mir vorgenommen habe, hätte ich tatsächlich erreicht, sagt er. Aber manche Sachen eben auch nicht. Die Sache mit dem Studium bezeichnet er als Sackgasse. Meine Versuche als Autorin hätten mich reich machen können, sagt er, denn nun, wo ich tot bin, würden mehr Leute meine Sachen kaufen. So hätte ich wenigstens noch dafür gesorgt, dass die Familie meine Beerdigung nicht bezahlen muss.
Und mein größter Erfolg, sagt er dann mit Tränen in den Augen, hätte ich nicht mehr miterleben können. Nämlich die Tatsache, dass ich so vielen Leuten nicht egal bin, dass so viele zu der Trauerfeier kamen. Man hört giftiges kichern. Ob meine Eltern endlich etwas merken? Mein Bruder Udo merkt vielleicht etwas. Aber nein, er setzt sich zu ihnen und fängt ein Gespräch an. Was hat er mit denen zu tun? Mein Bruder Achim hat Tränen in den Augen. Aber hat er nicht schon immer so reagiert, wie alle es von ihm erwartet haben? Wir haben in den letzten Jahren kaum mal miteinander gesprochen, darum kommt mir das Geheul reichlich geheuchelt vor.
Ich schaue mich weiter um, während sich die Gäste von meinem Leichnam verabschieden. Er wird nun für die Einäscherung vorbereitet. Ich wollte nie verbrannt werden. Kümmert keinen. Ich bekomme sicher ein ganz billiges, anonymes Grab. Ganz hinten sitzt ein Mann, den ich nicht kenne. Er weint und weint. Er sieht ganz verzweifelt aus. Wer ist das bloß? Irgendwie kommt er mir bekannt vor, aber ich komme nicht darauf. Ich stelle mich vor ihn hin, während alle anderen sich auf den Weg zur Gastwirtschaft machen, um sich die Bäuche mit Kuchen und Torte vollzuschlagen. Auf einmal hebt er seinen Kopf und es sieht für einen Moment so aus, als würde er mir direkt in die Augen blicken. Ein letztes Mal erschrecke ich mich fast zu Tode, aber nein. Ich bin ja schon tot. Er flüstert: „Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“
Ich weiß nicht, was er damit meint, denn ich erinnere mich nicht an alles. Das wusste ich immer. Ich wusste, dass Inhalte gelöscht worden sind. Ich wusste, dass sie mir das Medikament eingeflößt haben. Alles nur, weil ich nicht mitmachen wollte. Trotzdem wusste ich genug, um rechtzeitig auf das Dach zu fliehen. Dazu hat bisher niemand ein Wort gesagt. Warum interessiert es keinen? Und nun dieser Typ, der sich entschuldigt? Da ich keinen Körper mehr habe, verursacht mir das Nachdenken darüber auch keine Kopfschmerzen mehr. Darum beschließe ich, dass alles nun hinter mir zu lassen und mich auf den Weg zu machen.
Ich suche im Universum nach einem neuen Planeten für mich, auf dem ich ein neues Leben beginnen kann. Ein Leben ohne Erinnerungslücken, ohne Verfolger, ohne den beißenden Spott einiger bösartigen Gestalten und ohne den Makel, ein Opfer zu sein. Vielleicht möchte ich eine Zeitlang als Amöbe oder Bakterie leben? Ich schwebe fort von hier, ohne noch einmal zurück zu blicken. Ich schwebe immer höher und spüre dabei weder Trauer, noch Kälte, noch Heimweh. Ich fühle nur noch Leichtigkeit und Hoffnung. Ich lasse meinen Blick über die Sterne und Planeten gleiten, bis ich einen friedlichen Ort gefunden habe, auf dem ich mich niederlassen kann. Dieser ganze Planet gehört mir. Alle Pflanzen und alle Tiere gehören mir. Mir gehört das Wetter und die Berge und das Meer und auch der Himmel.
Ich muss wieder an die Grabrede meines Vaters denken: „Sie hat immer versucht, erfolgreich zu sein.“ Ja, versucht habe ich es, aber nicht geschafft. Hat sich niemand Gedanken darum gemacht, warum ich im Morgenmantel auf dem Dach war? Warum nicht? Ist es so egal, was mit mir passiert? Vielleicht haben sie gedacht, ich wollte die Katze rein holen. Dass die Katze auf dem Dach war und ich wollte sie rein holen. Etwas abwegig, aber möglich. Und immer noch besser, als zu denken, dass ich ihnen egal war.
Ich setze mich auf einen Felsen in der Nähe eines grün schimmernden Meeres und beobachte, wie die Wellen auf den Strand treffen und dort vergehen. Zuerst so stark und tosend, lösen sie sich ganz sanft in Schaum auf, bevor sie ganz verschwinden. Genauso vergeht auch alles, was mit mir zu tun hat. Es löst sich auf, ist nicht mehr da und spielt dann keine Rolle mehr. Ob ich erfolgreich war oder nicht, die Leute haben mich bald vergessen und nun verspotten und jagen sie jemand anders aufs Dach.
Also meine Brüder heißen nicht Udo und Achim. Irgendwie inspiriert mich das, was ich früher geschrieben habe. Wer ist wohl der geheimnisvolle Mann auf meiner Beerdigung? Würden meine Eltern sich wirklich nicht wundern, wenn ich so komisch vom Dach falle? So dumm sind die nicht. Ich muss mal weiter suchen. Immerhin hab ich noch 7 Tage Zeit mit meinem Fortsetzungs-Endlos-Sciencefiction zu beginnen. Da brauch ich mich auch nicht jetzt schon als Verliererin fühlen. Man kann es mit dem Selbstmitleid und dem Sich-selbst-runter-machen auch übertreiben.