Ich sitze hier in meiner Bude, draußen, wo es ungemütlich und kalt ist, pfeift der Wind und es ist schon wieder dunkel. Ich hatte mich nach der Arbeit kurz hingelegt und war dann vor dem Fernseher eingeschlafen. Kann passieren. Besonders, wenn man durch Krebstherapie und Informationsüberflut des täglichen Lebens geschwächt ist. Nur mal eben so habe ich es geschafft, mich an meinen Vertrag zu halten.
Ein paar Sätze hab ich geschrieben. Aber immerhin. Zwei Tage hintereinander hab ich es schon geschafft. Das ist ein Erfolg, auch wenn es sich albern anhört. Ich mach mir schon Sorgen, wann ich noch Joggen soll. Meine Strafe, wenn ich es mal nicht schaffe, an meinem Roman zu schreiben. Stephen Hawking ist gestorben und ich mache mir Gedanken, wen ich jetzt fragen soll, wenn ich etwas über Zeitreisen schreiben will. Könnte ja sein, dass ich doch später mal Sciencefiction-Autorin werde. Die Welt geht den Bach runter. Lohnt es sich überhaupt noch, irgendwas zu versuchen?
Über das Genres meines Romans bin ich mir immer noch nicht ganz im Klaren. Ist es nun doch ein Thriller? Ich habe mir auf Youtube Erfahrungsberichte von Missbrauchsopfern angesehen und das war nicht besonders schön. Wie ist es bloß dazu gekommen, dass die Geschichte sich in diese Richtung entwickelt hat? Hab ich überhaupt noch die Kontrolle darüber? Wollte ich jemals in meinem Leben einen Thriller schreiben? Ein Krimi ist es jedenfalls nicht, aber eine Liebesgeschichte wohl auch nicht. Im Moment denke ich, es ist eine Mischung aus einem sozialkritischen Enthüllungs- und Entwicklungsroman, mit Spannungselementen, aber ich hab keine Ahnung, ob ich diesem Anspruch gerecht werde. Meinem eigenen Anspruch. Wahrscheinlich nicht.
Damit es endlich mal weitergeht, schreibe ich jetzt nur noch Fragmente. Im Moment mache ich Zehn Punkte Konfliktsteigerung zwischen dem Bruder und dem Freund der Heldin, mit Hilfe von Gedanken, Rückblenden oder Dialogen, die jeweils nur 10 Zeilen lang sein müssen. So mache ich weiter, dann sortiere ich das Material, kopiere es an die richtige Stelle und überarbeite dann. Also das Gleiche nochmal zwischen der Heldin und ihrem Freund, ihrer Mutter, ihren Freundinnen, dem Bösewicht und seiner Mutter, dem Freund und einem weiblichen Bösewicht und so weiter. Es ist merkwürdig. Ich hatte ja schon 210 Seiten geschrieben, aber ich habe das Gefühl, dass ich jetzt erst richtig anfange.